Fette Gutscheine, satte Nachlässe, Wunsch-Handys, freie Vertragslaufzeiten, kostenlose SMS – ein paar hundert Euro kommen da schnell mal zusammen. Aber nur, wenn Sie kündigen! All die lieben netten braven Kunden, deren Vertrag sich stillschweigend von Jahr zu Jahr verlängert, bekommen natürlich nichts. Nicht mal auf Nachfrage. Heißt: Untreue wird belohnt. Treue wird bestraft. Schön doof, unter solchen Umständen treu zu sein. Eines ist klar: Wir kündigen jetzt überall. Denn wir haben verstanden: Wer kündigt, ist Held. Darüber werden wir stolz unseren Freunden berichten. Und im Internet erklären wir der ganzen Welt, wie so was funktioniert.
Beim nutznießenden Kunden kommt sicher Freude auf – doch marketingtechnisch ist so was ein Sündenfall. Denn: Auf diese Weise wird uns Kunden der letzte Rest Loyalität aus dem Herzen geeist. Wir lernen: Solange wir treudoof die Melkkuh geben, passiert nichts, rein garnichts: kein Dank, keine Wertschätzung, oft nicht mal ein Kontakt. Erst, wenn wir kündigen, werden die Firmen so richtig entgegenkommend. Da regnet es plötzlich lauter schöne Überraschungen. Heißt: Kundenliebe wird mit Geld zurückgekauft. Ich meine: Das ist Marketing auf Grundschul-Niveau. Wer nichts weiß, macht es über den Preis.
Wer seine Kunden aufs systematische Kündigen abrichtet, statt sie zu hegen und zu pflegen, dem mag man wünschen, dass so viel Mangel an Weitblick mit einem wahren Kündigungs-Tsunami bestraft wird. Doch leider ist der Schaden größer: Das Misstrauen gegen die Anbieter am Markt wird weiter geschürt. Und die Aggressivität der Verbraucher wird zunehmend steigen. Beides Dinge, die wir derzeit nun wirklich nicht gebrauchen können. Und schlimmer noch: Verbraucher mit derartigen Kündigungserfahrungen werden das nun bei allen und jedem erwarten.
Doch nur wenige Unternehmen machen es so wie oben beschrieben. Einige machen es richtig und gut. Die meisten Unternehmen haben allerdings bislang kaum einen Gedanken daran verschwendet, verlorene Kunden auf systematisch Weise zurück zu gewinnen und ein professionelles Kundenrückgewinnungsmanagement aufzubauen. Für manche Vertriebsorganisationen ist das Thema geradezu tabu. Denn verlorene Kunden sind die ungeliebten Kinder des Verkaufs. Sie führen einem Niederlagen und persönliches Versagen vor Augen. Und: Abtrünnigen nachzulaufen hat einen entwürdigenden Beigeschmack. Für Siegertypen ist das nichts.
Verlorenen Kunden zurückzugewinnen ist natürlich immer nur die zweite Wahl. Viel wichtiger ist Prävention. Der Aufbau einer andauernden, freiwilligen Kundentreue ist gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten oberstes Gebot. Wer die Loyalität seiner Kunden gewinnt und dauerhaft bewahren kann, wer seine Kunden blind und taub macht für die Angebote der Wettbewerber, der betreibt die beste Zukunftssicherung. Ein durch und durch loyaler Kunde kommt ja nicht nur immer wieder, er generiert auch die so wertvolle Mundpropaganda. Aktive positive Empfehler sind die besten Helfershelfer auf dem Weg zu verbesserten Ergebnissen und hohem Neukundengeschäft.
Fazit: Kündiger dick zu belohnen ist nicht nur Blödsinn, sondern auch gefährlich. Loyalität ist die schärfste Waffe des Kunden – und ein kostbarer Schatz. Der flüchtende Kunde, so heißt das neue Phänomen. Kundenloyalität zu erzeugen ist die vorrangigste unternehmerische Herausforderung der Zukunft. Nicht wer die fettesten Rückhol-Offerten macht, sondern wer die größte Loyalisierungskraft besitzt, der hat die Nase vorn. Loyalitätsführerschaft heißt das neue Ziel.
Über die Autorin: Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen.