Laut einer Statista-Studie gaben im Jahr 2020 nur 35 Prozent der Unternehmen im Gastgewerbe an, dass ihre Organisation mit der Idee des Cloud Computing „sehr vertraut“ sind, während 48 Prozent sagten, „etwas vertraut“ zu sein. Ähnlich lag im Februar 2021 der weltweite Anteil der Hoteliers, die glauben, dass ihre IT-Umgebungen in den nächsten zwei Jahren in der Cloud betrieben werden, bei schmalen 28 Prozent.
Die langwierige Corona-Pandemie dürfte so machen Betreiber unsanft aus dem Schlaf gerüttelt haben, denn nur eine konsequente Digitalisierung ermöglicht es, Hotels effizient und sparsam zu bewirtschaften und sich von hohen Personalkosten und Personalengpässen abzukoppeln. Nicht zuletzt haben es Hotelgäste auch schätzen gelernt, Zimmer kontaktlos zu buchen und ebenso kontaktlos einzuchecken. Was früher als anonym und kundenunfreundlich galt, gehört jetzt zum Zeitgeist und ist für die heranwachsenden Digital Natives das Normalste der Welt.
Ansatzpunkte für eine Digitalisierung gibt es im Hotel- und Gastgewerbe zahlreiche: Am weitesten verbreitet ist die digitale Zimmerbuchung. Um ihre Zimmer zu vermieten, können Hotelbetreiber zahlreiche Online-Vertriebskanäle nutzen – vom Onlinereiseanbieter über spezielle Buchungs-Apps bis hin zur eigenen Hotelwebsite. Insbesondere Online Travel Agencies (OTAs) wie Booking.com, Expedia.com, trivago.com, Hotels.com sowie ein gutes Dutzend anderer, sind stark im Markt positioniert. An ihnen kommt kaum ein Hotelier vorbei, wenn er seine Zimmer online vermarkten möchte.
Digitale Gästeerfahrung bei a&o
Auch das Ein- und Aus-Checken im Hotel kann digital abgebildet werden. Gäste können die Anmeldeformulare online zu Hause ausfüllen und sich online authentifizieren. Eine Zimmerkarte wird dann überflüssig: Die Gäste öffnen stattdessen ihre Zimmertür mit Hilfe einer Smartphone-App. Und gezahlt wird selbstverständlich bargeldlos. Das gesamte Erlebnis lässt sich somit digital gestalten.
Während einige Anbieter sich mit Digitalisierungen und Automatisierungen noch immer schwer tun, sind andere bereits weit entwickelt – beispielsweise die Hostel-Kette a&o. „Die 100 Prozent digitale Guest Experience als optionales Angebot für unsere Gäste ist ein Herzstück unseres a&o-Produktes“, erklärt CMO Phillip Winter. Ob via App Aufenthalte buchen, einchecken und per Mobile Key ins Zimmer, per QR-Code zum Frühstück oder Bar-Bestellungen per Smartphone: Nutzen und Komfort sowie Zeitersparnis und Sicherheit, stehen Winter zufolge bei allen Angeboten im Mittelpunkt.
KI-gestütze Personalplanung bei CitizenM
Ebenso lassen sich durch Digitalisierungsmaßnahmen im Hotel-Business auch intern Prozesse verbessern, beispielsweise im Personalmanagement. Softwarelösungen können nicht nur dabei helfen, effizienter zu planen, sondern auch Mitarbeiter besser an das Unternehmen zu binden – in Zeiten von Personalmangel kein zu unterschätzender Aspekt.
So setzt zum Beispiel die Hotelkette CitizenM eine KI-gestützte Lösung (Quinyx) ein, um ihre Personaleinsatzplanung zu automatisieren. Die Dienstpläne werden primär mithilfe von Algorithmen erstellt. Das ermöglicht den Mitarbeitenden eine bessere und gerechtere Verteilung von Morgen- und Nachtschichten sowie mehr aufeinanderfolgende freie Tage, auch Wünsche können besser berücksichtigt werden. Außerdem gibt es den Angestellten mehr Planungssicherheit für das Privatleben.
Limehome: ein eigenes Betriebssystem für den Hotelbetrieb
Was durch eine konsequente Digitalisierung in dieser Branche möglich ist, verdeutlicht Limehome. Das Münchner Start-up arbeitet technologiebasiert und hat rund 3.000 Design-Apartments in fünf europäischen Ländern unter Vertrag. Die meisten Unterkünfte verfügen über eine integrierte Küche und verbinden – auch dank digitaler Prozesse – die Qualitätsvorteile eines klassischen Hotels mit der Wohnlichkeit eines Apartments. Durch das technologiebasierte Betreibermodells können die Premium-Apartments zum Preis eines Standard-Hotelzimmers angeboten werden.
„Wir bilden nicht nur den Aufenthalt der Gäste vollautomatisch und ohne jegliche manuelle Interaktion ab. Auch sämtliche Prozesse im Backend sind bei uns automatisiert“, sagt Josef Vollmayr, Co-Gründer und Geschäftsführer von Limehome. Eine radikale Strategie, die enorme Kostenvorteile mit sich bringt. Kern des Erfolgsmodells ist ein Betriebssystem, das die verschiedenen Bereiche miteinander verzahnt. Viele Systeme – zum Beispiel das komplette Gäste- und Reservierungsmanagement aber auch Informationen zum Standort, die Zahlungsabwicklung oder Housekeeping – werden über das Betriebssystem miteinander verbunden und verschiedene Datenbanken auf diese Weise kombiniert. Die Distribution der Zimmer erfolgt ebenfalls digital. Dazu wurden Realtime-Verbindungen zu allen wichtigen Vertriebskanälen etabliert.
„Ein oft unterschätztes Element einer Digitalisierungsstrategie ist das Content Management“, sagt Vollmayr. Um nicht jedes Distributionssystem einzeln zu bedienen, musste der Betreiber eine Lösung entwickeln, welche die Inhalte über alle Kanäle ausspielt. Sollen zum Beispiel Fotos oder Beschreibungen geändert werden, kann dies nun zentral geschehen. Die Änderungen werden anschließend automatisiert in alle Kanäle gepusht. Für das komplexe Pricing-Thema setzt Limehome sogar eine künstliche Intelligenz ein. „Wir haben ein Yield-Management entwickelt, das auf Machine Learning Verfahren basiert“, erklärt Vollmayr. Auf diese Weise ist man in der Lage, Preise automatisiert nach Marge für jede Buchung über alle Kanäle konsistent auszusteuern. Auch externe Daten werden für das optimale Pricing herangezogen.
Radikal digital: Buchung, Aufenthalt, Checkout, Rechnung
Das sich anschließende Reservierungsmanagement wird ebenfalls komplett digital abgebildet, inklusive Identitätsprüfung und Bezahlung. Ihr Apartment können die Gäste dank eines speziellen Türschließsystems über einen Zugangscode öffnen, den sie den sie per E-Mail erhalten App erhalten. Checkt ein Gast aus, wird automatisch die Rechnung erzeugt und ihm digital zugeschickt. Diverse Kontaktmöglichkeiten unterstützen das digitale Gästemanagement. Rund 90 Prozent der digitalen Anwendungen hat das 40-köpfige Technologie-Team von Limehome selbst entwickelt.
Für Reinigung und Wartung arbeitet das Hospitality-Start-up ausschließlich mit externen Dienstleistern zusammen und hat auch hier die Abläufe automatisiert. So wurde für jede Dienstleistung eine separate App erstellt. In der Housekeeping-App ist zum Beispiel ersichtlich, welches Zimmer wann und wo zu reinigen ist und die Maintenance-App ist direkt mit einem Warenlager verbunden. Wird ein Ersatzteil benötigt, kann ein Mitarbeiter dies über die App anfordern und die Lieferung initiieren. Eine starke Standardisierung des Mobiliars stellt sicher, dass jederzeit schnell Ersatz aus dem Lager geliefert wird. Eine Software überwacht den Warenbestand und die Verfügbarkeiten im Lager.
Rund 150 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen; lediglich 20 von ihnen sind nötig, um den Betrieb und das Qualitätsmanagement sicherzustellen. Das digitale Gesamtkonzept hat sich insbesondere in der Corona-Pandemie bestens bewährt. Während viele Hotels Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder komplett schließen mussten, erwirtschafteten die Limehome-Apartments auch in der Krise Gewinn. Selbst im Lockdown-Jahr 2020 lag die Auslastung der Zimmer bei rund 80 Prozent. In der ersten Hälfte dieses Jahres betrug diese Quote Vollmayr zufolge sogar rund 90 Prozent. Künftig möchte das Unternehmen weiter expandieren. Auf der Suche nach neuen Standorten und Flächen werden die Inserate der Immobilien-Portale selbstverständlich ebenfalls automatisiert abgefragt.
Die Beispiele zeigen nicht nur die vielfältige Möglichkeiten, die eine Digitalisierung eröffnet. Sie verdeutlichen auch, dass dies ein gangbarer Weg in eine krisenfestere Zukunft für die gesamte Branche ist.