Von Gunnar Sohn
Call Center zählen mittlerweile zu den Sündenböcken der Nation. Doch nach Expertenschätzungen leisten 90 Prozent der Anbieter seriöse Arbeit. „Ein anspruchvolleres Kundenverhalten hat in Deutschland an der Kundenschnittstelle bereits erste, messbare Wirkungen gezeigt. Obwohl Call Center häufig noch ein negatives Image in den Medien haben, sind die Deutschen mit diesem Instrument in vielfacher Hinsicht zufriedener als ihre europäischen Nachbarn“, sagte Thomas Wind von der Beratungsfirma TellSell Consulting bei der Fachkonferenz „DACH-Days“ des Softwarespezialisten Genesys in San Francisco. Viele Unternehmen hätten jedoch beim Management ihrer Kundenschnittstelle mehr denn je Optimierungsbedarf. „Sie stehen unter einem wachsenden Kosten- und Qualitätsdruck und müssen besonders Standard- und Routinetätigkeiten weiter automatisieren zugunsten einer intensiveren Betreuung ertragsstarker Kunden“, so Wind.
Die in den vergangenen Jahren aufgebaute Multi-Channel-Architektur dürfe nicht zu Medienbrüchen in der Kundenkommunikation führen, wie es heute noch an der Tagesordnung ist. Im Kundenservice sei eine Industrialisierung vonnöten und ein intelligenteres Service-Design: „Statt nur auf Kundenwünsche zu reagieren, müssen Firmen die Service-Anforderungen antizipieren, die mit ihrer Positionierung, ihren Produkten und Preisen kompatibel sind“, so der Rat des Call Center-Experten. Die Steuerung der tatsächlichen und der wahrgenommenen Qualität der Kundenschnittstelle sei ein langfristiges Programm, das insbesondere die Kernprozesse und die beteiligten Ressourcen im Unternehmen beansprucht. Bislang hätten viele Unternehmen ein Umsetzungs-, aber kein Erkenntnisproblem. Eine kundengerechte Ausrichtung sei in zahlreichen Reorganisationen trotz hoher Investitionen nur teilweise gelungen. „Die Erwartungen an intelligente Angebote auch in den neuen Medien wachsen derzeit rasant und stellen neue Anforderungen an das Multi-Channel-Management, an Produkte und Services“, sagte Wind vor rund 70 Führungskräften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die Beschwerden über inkompetente Call Center-Beratung und Warteschleifen sind nach Auffassung der Yankee Group-Analystin Sheryl Kingstone Symptome für strukturelle Schwächen der Branche. Man konzentriere sich zu stark auf geringe Kosten und ein hohes Abwicklungsvolumen. Die Kontaktkanäle seien meist nicht untereinander vernetzt, die Infos veraltet und die Interaktion tendiert gegen null. Der frustrierte Kunde bleibe dabei auf der Strecke und das Call Center-Image sei im Eimer. „Guter Service sieht anders aus. Gefordert sind Echtzeitverarbeitung, schnelle und kompetente Antworten, komfortable und technisch einwandfreie Kontaktkanäle, Registrierungsformulare, rechtzeitige Benachrichtigungen“, weiß Kingstone. So hat Genesys in einer weltweiten Call Center-Kundenbefragung herausgefunden, dass 89 Prozent der Befragten frühzeitige Benachrichtigungen fordern – allerdings nur per E-Mail. Um das Optimum an Call Center-Qualität zu erreichen, müssten die Anbieter nach Ansicht von Kingstone technisch aufrüsten und mehr in Künstliche Intelligenz, Echtzeit-Analysetechnik und interaktive Websites investieren.
„Statt sich auf Kosteneinsparungen zu konzentrieren, sollten Unternehmen auf Investitionen in Services setzen, die sicherstellen, dass die Kunden positive Erfahrungen machen“, sagte Genesys- Managing Director Michael-Maria Bommer in San Francisco. Laut einem von Gartner Dataquest veröffentlichten Bericht ist Genesys der am schnellsten wachsende Anbieter von modernen Call Center-Lösungen: „Unser offenes Plattformkonzept wird von Kunden aus der gesamten EMEA-Region sehr geschätzt, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, ihren Kundenservice über jedes Netzwerk und jeden Standort bereitzustellen und dabei die vorhandene Infrastruktur weiter zu nutzen“, so Bommer. Der offene Ansatz sei ein Grundelement der „Open IP“-Strategie seines Unternehmens und zugleich ein wesentlicher Faktor, um dynamische und kundenfreundliche Call Center zu betreiben.