In der ganzen Welt tummeln sich hunderttausende von Holding-, Unternehmens-, Produkt- und Service-Marken. So viele, dass Kunden sie sich inzwischen beim besten Willen kaum noch merken können. So viele, dass Kunden nur wenige von ihnen im Lärm der Märkte noch hören. Es sei denn, sie sprechen mit zwei- oder dreistelligen Millionen-Beträgen. Gleichzeitig führt der aggressive Verdrängungswettbewerb, der durch Überkapazitäten in Produktion und Verkaufsfläche entsteht, zu Preiskämpfen, die die Profitabilität verringern oder sogar total gefährden.
Die schiere Zahl der Marken, die Kosten, sie zu bewirtschaften und die erschöpfte Merkfähigkeit der Zielgruppen, führen zu einem Umdenken. Der Trend geht weg von Mono-Marken hin zu Dach-Marken, die auch Kompetenz-Marken heißen könnten. Je mehr Produkte eine Marke an Kompetenz und Anspruch subsumieren kann, umso höher wird der Return on Investment (RoI). Die Monofunktion muss einer breit aufgestellten Multifunktion weichen. Allerdings: Nicht alle Mono-Marken haben das Potential. Genau das ist der Prozess, den die Unternehmen jetzt ihren Markenportfolios unterziehen.
Jüngere Unternehmen suchen den Weg, die Menge der Marken von vornherein drastisch zu reduzieren. Ziel ist es, die starken Marken herauszufinden und mit ihnen eine Kategorie-Kompetenz abzudecken. Seit Alan G. Lafley, Chef von Procter&Gamble, bereit ist, nur Marken mit über einer Milliarde Dollar Umsatz eine Existenz-Chance im globalen Wettbewerb auszusprechen, werden nahezu alle Marken-Portfolios zu einer Reparatur-Werkstatt.
Der Arbeitsprozess zur Auswahl der Mono-Marke, die das größte Potential für eine Dachmarke bietet, ist komplex. Er ist eine Art Wertanalyse und ermittelt systematisch, welches Potential eine Mono-Marke für den Transfer zur Dach-Marke besitzt und welche Economy of Scales damit entstehen. Die Mühe lohnt, wie die klassischen Dachmarken-Erfolge Nivea, Odol und Milka oder Bild beweisen. Und neuerdings auch Meister Proper und Hexal. Dass die Computer-Marke Apple jetzt mit der Submarke i-pod sogar den Unterhaltungs-Elektronik Markt erobert, zeigt die Dynamik, die hier unterwegs ist.
Alles ist im Fluss. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: 80 Prozent aller Versuche, Image-Transfers zu realisieren, werden Flops. Und ein Drittel aller line extensions werden wieder zurückgezogen. Die Kombi-Markentechnik von starken Dach- und Sub-Marken ist eine besonders bewährte Technik, Risiken zu minimieren. Weil sie das Kapital von beiden – der gut eingeführten „Absender“-Marke und der eventuell ebenfalls bekannten Sub-Marke – nutzt. Damit erreichen Marketeers eine maximale Verzinsung des bestehenden Markenkapitals. Und eine ideale Ausgangsposition zur Ausweitung oder Spreizung auf neue Geschäftsfelder.
Dieses Dehnung von Kompetenz hat natürlich auch seine Grenzen und Risiken. Manches Kompetenz-Konto von vermeintlich starken Marken wird überzogen. Pelikan ist ein trauriges Beispiel. Dennoch ist die enorme Kostenersparnis beim Einsatz von Dach-Marken ein schwer zu schlagendes Argument. Besonders, wenn Mono-Marken durch aggressiven Preiswettbewerb das Limit einer profitablen Monomarken-Strategie erfahren.
Damit beginnt eine Rückbesinnung der Markenarchitektur auf ihre Wurzeln, die fast 100 Jahre zurück liegen. Es wird spannend sein, zu sehen, wer das richtige Maß findet und wer den Bogen überspannt. Es wird eine höhere Sensibilität dafür entstehen, wo in Zukunft Dach-Marken und wo Mono-Marken strategisch ihren Platz finden und eine ausreichende Wertschöpfung garantieren. Die Ära des ausufernden Nischen-Marketing geht zu Ende. Jetzt zeigt sich, wer Marken-Technik versteht. Die sorgfältige und sensible Schrittfolge zu einer Konzentrations-Strategie wird zeigen, wer den Mythos und die Potenz seiner Marke erkennt.
Über den Autor: Bernd M. Michael ist Chairman, Grey Global Group Europe, Middle East & Africa.