Zwischen Zoom-Anrufen, dem Gewöhnen an die neue Arbeitsrealität sowie der Sorge um Finanzen und Gesundheit drehen sich die Gedanken immer wieder um das Leben nach Corona. Wie arbeiten, spielen oder konsumieren wir? Über Letzteres gibt es bereits deutlich mehr Erkenntnisse, als wir annehmen. Denn tatsächlich ist das Konsumverhalten zwar an die jeweilige Zeit angepasst. Viele Verhaltensweisen erweisen sich hingegen als grundlegend und daher geben vormalige Pandemien zumindest Indizien dafür, wie Unternehmen sich auf den Konsumenten in der Post-Corona-Phase einstellen können.
Eine wichtige Erkenntnis aus der Spanischen Grippe von 1918 und auch der jüngsten Rezession von 2009 in den USA ist, dass viele Verbraucher über Jahre hinweg zu preisgünstigen Marken wechselten. Die öffentliche Auseinandersetzung über materialistische Werte und Prioritäten dauerte über ein Jahrzehnt an. Die Forschung über das veränderte Konsumverhalten nach Pandemien verweist darauf aufbauend auf drei grundlegende Beobachtungen bezüglich des Konsumverhaltens:
- Befriedigung von aufgestauter Nachfrage
- Kontrolle
- Stabilität und Nostalgie
Konsum nach Corona: Befriedigung aufgestauter Nachfrage
Wie groß das individuelle Nachholbedürfnis tatsächlich ist, zeigt sich erst, wenn die Quarantäne gänzlich aufgehoben wird. Erst dann wirken soziale Kontrolle, Rücksichtnahme und eventueller Scham nicht mehr. Hoch im Kurs stehen dann Artikel, die Spaß bringen und eben nicht zur Grundversorgung gehören. Wie sehr eine Person dem Nachholbedürfnis nachgehen kann, ist maßgeblich von den durch die Pandemie bedingten finanziellen Einbußen abhängig. Daher, da sind sich die Ökonomen einig, wird vor dem Weihnachtsgeschäft keine Konsumwelle erwartet.
Aber: Nach der Rezession in den USA stiegen beispielsweise die Absätze von Premium-Eis signifikant an. Die Konsumenten hatten finanziell wenig Spielraum, wollten aber hochwertige Produkte konsumieren. Eis war dafür das ideale Produkt. Verbraucher gönnten sich die High-End-Variante, konnten sich aber im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bewegen. Für Unternehmen bedeutet dies, erschwinglichen Konsum auf Luxusniveau zu bieten. So greifen Kunden voraussichtlich nach Corona nicht verstärkt nach Chanel-Parfum für 150 Euro, sondern eher nach der Chanel-Badeseife für 25 Euro.
Konsum nach Corona: Kontrolle
In unsicheren Zeiten sorgen wir uns, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren. Verbraucher schätzen auch nach Krisensituationen Produkte und Dienstleistungen, die ihnen versichern, dass sie noch immer die Situation voll im Griff haben. Darum horten sie auch weiterhin Linsen und Klopapier. Die Geschichte belegt: Güter, die Kontrolle versprechen und die uns während der Pandemie begleitet haben, werden auch danach stark nachgefragt.
Kontrolle wird auch während des Kaufvorgangs selbst wichtig bleiben. Bereits jetzt bevorzugen aktuell fast 90 Prozent der US-amerikanischen Konsumenten das Einkaufen in kontaktlosen Geschäften. Vor Corona präferierten dies lediglich 60 Prozent.
Wir können zudem erwarten, dass wir uns stärker auf die Notwendigkeit konzentrieren müssen, den Stand der Versorgung messbar machen zu können. So steigt beispielsweise in Asien und den USA bereits der Absatz von intelligenten Kühlschränken, die melden, sobald ein Produkt zu Neige geht, deutlich an. Ein deutlicher Zuwachs ist laut der Harvard University für folgende Bereiche und Produkte zu erwarten:
- Telemedizin
- Desinfektionsmittel und Hygieneartikel
- Organisationsprodukte wie Behälter
- Apps und Geräte, die kontaktloses Konsumieren ermöglichen
- Apps, die Kontaktverfolgung ermöglichen
- Drohnen und selbstfahrende Fahrzeuge
Konsum nach Corona: Stabilität und Nostalgie
In chaotischen Zeiten sehnen wir uns nach Vorhersehbarkeit. Das bedeutet in der Werbung eine starke Affinität für Nostalgie. Für Verbraucher bedeutet das Verlangen die persönliche Sicherheit wiederherzustellen, eine Präferenz für Markenoptionen mit geringerem Risiko. Bewährte Lösungen gewinnen, Markenexperimente treten in den Hintergrund. Loyalität zu etablierten Marken ist nach Krisenzeiten deutlich erkennbar. In den USA zeigt sich dies aktuell im Bereich für sogenannte „Komfortnahrungsmittel“. Hersteller von Mac and Cheese oder Unternehmen wie Campbell’s Soup berichten von deutlich höheren Umsätzen.
In Nachkrisenzeiten stellen Verbraucher trotz finanzieller Einbußen Qualität vor Quantität, Bekanntes vor Neues. Zudem schreiben Konsumenten Marken verstärkt soziale Verantwortung zu. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage in den USA ergab, dass die Mehrheit der Verbraucher der Meinung ist, dass Marken bei der Lösung sozialer Probleme relevanter sind als Regierungen. Einfach gesagt, der Suppenhersteller, der mich in der Krise genährt hat, war wichtiger als der Politiker, der Entscheidungen für meine potenzielle gesundheitliche Versorgung getroffen hat.
Corporate Social Responsibility war bereits für viele Verbraucher, insbesondere für jüngere, ein entscheidender Bestandteil bei der Kaufentscheidung. Nun wird er umso wichtiger. Wobei eine Verschiebung erwartet wird: Wichtiger als Umweltpraktiken wird die Behandlung von Mitarbeitern.