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Für ein paar Jahre sah es so aus, als ob Mark Zuckerberg eine erstaunliche Verwandlung vollzogen hatte: vom verdrucksten Nerd, der im Studentenheim ein Social Network erschuf, weil er nicht zu den coolen Typen auf dem Campus zählte, zum 70-fachen Multimilliardär, der mit Facebook die Welt verband.
Zuckerberg heiratete, wurde (zweifacher) Vater und hielt sogar staatstragende Reden auf Keynotes, die wie ein Gegenentwurf zum Trump-Amerika wirkten – ein Eindruck, den Zuckerberg mit seiner Jahres-Herausforderung, die gesamte USA zu bereisen noch verstärkte.
https://www.facebook.com/zuck/posts/10103385178272401
Zuckerbergs PR-Tour durch Amerika ging nach hinten los
Doch die Aktion hätte kaum mehr nach hinten losgehen können: Statt als mitfühlender und interessierter Facebook-Chef wahrgenommen zu werden, der wissen will, wie sein Social Network in den letzten Staaten seines Heimatlandes wahrgenommen wird, wirkte Zuckerberg auf seinen inszenierten Tour-Fotos wie ein glatter Polit-Kandidat im vorgezogenen Wahlkampfmodus.
„Während Zuckerberg 20 Schachzüge im Voraus planen kann, scheint er nicht zu verstehen, dass im Land mit einem professionellen Fotografen herumzufahren, der verlogene Fotos beim Kühemelken oder beim Familienessen in Ohio schießt, abgehoben oder, schlimmer noch, bevormundend wirkt“, stellt der renommierte Tech-Reporter Nick Bilton, der das packende Enthüllungsbuch „Hatching Twitter“ geschrieben hat, Zuckerberg in Vanity Fair ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
VR-Trip nach Puerto Rico „Gipfel der Geschmacklosigkeit“
Es war nicht die einzige Fehleinschätzung in diesem Jahr. Tatsächlich wirkt Zuckerbergs ganzes Jahr wie eine einzige misslungene PR-Kampagne – wie zuletzt der desaströse Virtual-Reality-Trip für Oculus auf die verwüstete Karibikinsel Puerto Rico dokumentiert, den das Techblog The Next Web den „Gipfel der Geschmacklosigkeit“ nannte.
Zuckerberg entschuldigte sich für den irritierenden Auftritt – und doch wirkten die vorgebrachten Floskeln einmal mehr halbherzig. Das Vorgehen ist längst zum Muster geworden: Wenn der öffentliche Druck zu groß zu werden scheint, greift Mark Zuckerberg schlicht auf weichgespülte Phrasen aus der PR-Abteilung zurück.
Russische Einflussnahme bei US-Wahl wird zu Facebooks Schandfleck
Besonders deutlich wird das Muster in Facebooks bislang größter PR-Krise, die sich von Woche zu Woche zu vergrößern scheint: Der russischen Einflussnahme bei der US-Wahl 2016 durch gezielte Fake News, die Zuckerberg seinerzeit als „verrückte Idee“ abgetan hatte, obwohl der damalige US-Präsident Obama seinerzeit bereits Kritik geäußert hatte.
Seit Anfang Oktober kennt die Öffentlichkeit nun das Ausmaß – und es wirft ein denkbar schlechtes Licht auf das weltgrößte Social Network. Gerade einmal 100.000 Dollar haben gereicht, um von 470 Fake-Profilen 3000 Anzeigen zu schalten, die bis zu 10 Millionen Menschen erreicht haben – vor allem in den am stärksten umkämpften Bundesstaaten Wisconsin und Michigan, wie CNN später enthüllte.
„Je mehr Facebook enthüllt, desto schlimmer ist es“
Zuckerberg kündigte verschärfte Regeln für politische Werbung an und bat am jüdischen Versöhnungstag Yom Kippur öffentlichkeitswirksam um Vergebung – doch der Schaden ist längst da und das Ausmaß kaum mehr einzudämmen. „Je mehr Facebook enthüllt, desto schlimmer ist es“, kommentiert das Tech-Blog Engadget vergangene Woche.
https://twitter.com/ericjackson/status/919600255464869888?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=http%3A%2F%2Fmeedia.de%2F2017%2F10%2F15%2Fmoderner-howard-hughes-wie-mark-zuckerberg-die-geister-der-vergangenheit-wieder-einholen%2F
Nicht zuletzt durch das schlampige Krisenmanagement von Zuckerberg wurde Facebooks Rolle in der US-Wahl immer mehr zum Politikum: „Zuckerberg sagt, er hat die Wahl nicht mitbeeinflusst. Später entschuldigt er sich“, bringt der kanadische Fondsmanager Eric Jackson das Kommunikationsmantra des 33-Jährigen auf den Punkt, das kaum nach echter Reue klingt, sondern lediglich danach, zugeben zu müssen, was ohnehin schon jeder weiß.
Winklevoss-Brüder: „Mark Zuckerberg ist komplett skrupellos, ohne Fünkchen Moral“
Zuckerbergs Verhältnis zur Realität in Facebooks Russland-Krise erinnert an die Geister der Vergangenheit. Bereits in frühesten Gründertagen ist Zuckerberg als elitärer Nerd aufgefallen, der kein Problem damit hatte, einen Auftrag von Kommilitonen zu seiner eigenen Geschäftsidee zu machen.
„Mark Zuckerberg ist komplett skrupellos, ohne ein Fünkchen Moral und bereit, alles zu tun, um jemanden zu bescheißen“, wetterten die ausgebooten Winklevoss-Brüder später über ihren Ex-Kommilitonen. Entsprechend düster fiel das Hollywood-Porträt von Zuckerberg im Kassenschlager „The Social Network“ aus: „Der Film zeigt Zuckerberg als unsicheren Mistkerl, der Leute übers Ohr haut, um ein viel reicherer, unsichererer Mistkerl zu werden“, watschte das TechBlog AllThingsD den Facebook-Chef vor sieben Jahren ab.
„Zuckerberg ist auf dem Weg, ein moderner Howard Hughes zu werden“
2017 scheint das unschmeichelhafte Bild des Facebook-Chefs nach seinen zahlreichen PR-Fehltritten eine gewisse Renaissance zu erleben. Nach Informationen des gut vernetzten Tech-Reporters Nick Bilton sind inzwischen sogar Mitarbeiter und Vertraute des Facebook-Chefs zunehmend alarmiert.
„Leute, die Zuckerberg kennen, denken, er verliert zunehmend das Gefühl dafür, echte Verluste zu erleiden, und dass er auf dem Weg ist, ein moderner Howard Hughes zu werden, der von der echten Welt isoliert ist“, berichtete der Tech-Reporter am Wochenende in Vanity Fair. Mehr noch: Ehemalige Mitarbeiter der ersten Stunde berichten, dass Zuckerberg inzwischen nur noch von Getreuen umgeben ist, die denken und handeln würden wie er und sich nicht über den negativen Einfluss des Social Networks im Klaren wären.“ Ich liege nachts wach und denke darüber nach, was wir damals erschaffen haben und wie wir hätten vermeiden können, dass das Produkt in solch einer Weise benutzt werden kann“, beichtet ein Ex-Mitarbeiter dem US-Magazin seine Reue.