Die Ergebnisse der Studie „Markenmanagement im digitalen Wandel – CMOs intern unter Druck“ von der Universität Köln und Batten & Company klingen alarmierend: Deutschlands Chief Marketing Officer (CMOs) haben ein Imageproblem. Als Hauptproblem dafür macht die Studie, bei der 100 CMOs und Markenverantwortliche aus den Branchen Automobil, Handel, Finanzen und Industrie befragt wurden, die mangelnde Vernetzung der Marketingentscheider auf Führungsebene verantwortlich. So denkt jeder zweite der befragten Marketingentscheider, dass es genau an dieser oben genannten Vernetzung mangle. 87 Prozent sehen zudem generell unter dem Gesichtspunkt Digitalisierung und Marke ein zu großes Silodenken in den Unternehmen zwischen den Abteilungen. Zudem forderten 80 Prozent in dieser Befragung, dass das Jobprofil des CMO neu definiert werden müsse. Gleichzeitig damit taucht auch die Forderung auf, die Bedeutung des CMOs generell und speziell auch als Schnittstelle im Unternehmen wieder zu erhöhen.
Schleichende Operationalisierung
Nur: Der wahre Grund oder besser, das wahre Problem, könnte viel tiefer liegen. Nämlich darin, dass das Marketing selbst in Unternehmen immer mehr an Stellenwert verliert. So zeigte auch eine Studie von Christian Homburg, Arnd Vomberg und Margit Enke aus dem Jahr 2016, dass das Marketing zwischen 1996 und 2013 unter anderem in folgenden Entscheidungsbereichen an Einfluss verloren hat: Pricing, Neuproduktentwicklung, strategische Ausrichtung der Geschäftseinheit, Expansion in neue geografische Märkte, Auswahl strategischer Geschäftspartner, Ausgestaltung des Kundenservices und Vertriebsstrategie.
Bleibt dem Marketing, wie es aussieht, gerade einmal die Kommunikation plus ein wenig Logo- und Designkosmetik erhalten. Verstärkt wird diese Entwicklung noch durch die zunehmende Digitalisierung, vor allem durch Marketingtrends wie Social Media und Big Data. Überspitzt oder sogar bösartig formuliert könnte so in Zukunft aus dem „Werbefuzzi“ ein „Social-Media-Fuzzi“ werden. So gesehen wird das Marketing immer mehr zu einem operativen Erfüllungsgehilfen im Unternehmen – und nicht zu einem strategischen Partner.
Die Emanzipation der Marke
Beim Thema Markenführung oder Branding im weiteren Sinne ist in den vergangenen Jahrzehnten die genau gegenteilige Entwicklung festzustellen. Wenn man heute einen Blick in ein Marketingbuch der 1960er oder 1970er Jahre wirft, wird man den Begriff Marke als eine Aufgabe in der Produktpolitik finden. So sahen die klassischen Bereiche der Produktpolitik damals aus: Neuprodukteinführung, Produktverbesserung, -modifikation, oder -relaunch, Produktvariation und -differenzierung, Produktelimination, Programmpolitik, Qualitätspolitik, Markenpolitik beziehungsweise Branding und Verpackung.
Heute hat sich die Marke zu einer komplett eigenen Disziplin entwickelt, die man als Paralleldisziplin oder sogar mittlerweile als übergeordnete Disziplin gegenüber dem Marketing sehen kann. So hat sich aus einem Bereich, bei dem es hauptsächlich um Namensgebung, Produkt- und Verpackungsdesign ging, ein Modell der strategischen Unternehmensführung entwickelt. Das Thema Marke hat mittlerweile auch diverse Lehrstühle an Universitäten und Fachhochschulen erobert.
Branding vs. Marketing
Gleichzeitig zeigen auch regelmäßige Markenwertstudien diverser Beratungsunternehmen auf, welchen Wertbeitrag Marken zum Unternehmenserfolg leisten können. So gesehen sollte man vielleicht gar nicht versuchen, die Bedeutung des CMOs im Unternehmen wieder zu heben, sondern den CMO durch einen Chief Branding Officer (CBO) ersetzen, um aber im selben Zuge auch dessen Aufgabenbereiche im Unternehmen neu und vor allem strategischer zu definieren. Denn der wahre Wert einer Marke kann sich nur dann außerhalb und innerhalb eines Unternehmens voll entfachen, wenn die Marke und deren Positionierung als externe und interne Richtschnur verstanden werden. So einfach in der Theorie, oft so schwer in der Praxis.