Ein Kommentar von Dr. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln
Breites Produktangebot, vielfältige Informationen und kundenzentrierte Serviceleistungen – so wurde Amazon als größtes „Kaufhaus“ der Welt in vielen Branchen zum Lieblingshändler der Konsumenten. Dabei generiert das Unternehmen knapp die Hälfte der Onlineumsätze – mittlerweile mehrheitlich über den Marktplatz abgewickelt, der mit stärkeren Wachstumsraten unterwegs ist. Branchenübergreifend wird online nur noch jeder vierte Euro unabhängig von Amazon generiert: Neben eigenen Umsätzen werden Umsätze anderer Online-Shops durch die Informationssuche bei Amazon beeinflusst.
Amazon als Dreh- und Angelpunkt des Online-Shoppings
Betrachtet man das Informations- und Kaufverhalten bei Amazon näher, wird schnell deutlich, dass man größtenteils nicht mehr von bewussten Käufen bei Amazon sprechen kann, sondern vielmehr von einem Lebensbestandteil. Jeder zehnte Online-Shopper kauft branchenübergreifend online ausschließlich auf Amazon. Dabei werden die Bestellzyklen immer kürzer und die Kontaktpunkte noch engmaschiger. Amazon setzt bei der Informationssuche den Preisanker, steuert das Relevant Set an Marken, das für die Auswahl relevant ist, und berät aus erster (Kunden-)Hand, was zur Folge hat, dass das Unternehmen die Wahrnehmung von Produkten und Marken stark steuert und teilweise sogar einschränkt. Diese Ausgangssituation hat dramatische Auswirkungen für die Wettbewerber: Ihnen wird der Kundenzugang mehr und mehr abgeschnitten.
Amazon als Infrastruktur des Konsums
Dabei stellt die Handelstätigkeit nur einen Teil des Amazon-Universums dar. Durch konsequentes Weiterdenken und permanente Innovationen drängt Amazon schnell und entschlossen in andere Geschäftsfelder vor, baut sein Ökosystem aus und sichert sich damit einen Wettbewerbsvorteil auf vielen Ebenen: Amazon ist nicht nur Händler und Marktplatzbetreiber, sondern auch Hersteller, TV-Sender, Logistikdienstleister, größter Cloud-Anbieter weltweit und vieles mehr. In immer neuen Geschäftsfeldern fasst Amazon in kürzester Zeit Fuß und wird nachhaltig zur ernsthaften Konkurrenz für die etablierten Player.
Wachstum steht dabei stets im Fokus aller Initiativen, die auch in hohem Maße miteinander vernetzt sind: Beispielsweise profitiert das ursprüngliche Handelsgeschäft von Amazon Web Services als stille Finanzierungsquelle, Prime ist Basis für kundenseitige Akzeptanz und bindet Kunden nachhaltig über verschiedene Angebote. Durch Öffnung der Technologien und Services für Dritte weitet Amazon auch im Hintergrund seine Vormachtstellung weiter aus: So haben oder arbeiten beispielsweise fast drei von vier Topunterhaltungselektronikherstellern sowie 40 Prozent der Topautohersteller an Alexa-kompatiblen Produkten oder an der Integration dieser.
Handlungsoptionen in der amazonisierten Welt
Durch diese alternativlose Positionierung als Dreh- und Angelpunkt beim Online-Shopping und als Infrastrukturgeber des Konsums ist eines klar: Etablierte Geschäftsmodelle sind durch die Amazonisierung oft nicht mehr zukunftsfähig. Für eine nachhaltige Positionierung braucht es eine Neuausrichtung mit den Kunden im Mittelpunkt des Handelns. Diese ist weniger als Einzelkämpfer, sondern in Kooperation anzugehen – vielleicht mit originären Wettbewerbern.
Ohne eine ganzheitliche Beleuchtung des Amazon-Universums ist keine Status quo-Beurteilung und Strategieableitung möglich. Diese nehmen wir daher in der aktuellen IFH-Studie „Amazonisierung des Konsums“ vor, die Sie hier über den IFH-Shop bestellen können. Dazu wurde eine einzigartige Methodenkombination angesetzt: Es wurden nicht nur Konsumenten befragt, sondern auch dank einer neuartigen Technologie objektive Nutzungsdaten von Amazon analysiert und mittels Desk Research Services und Technologien systematisch aufbereitet.
Über die Autorin: Dr. Eva Stüber ist Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln. Sie unterstützt das Team des IFH Köln seit 2012 und war zuvor in den Funktionen Leiterin Research & Consulting IFH Köln und Senior Projektmanagerin ECC Köln tätig.