Mediaagenturen sind aus dem Kreislauf von Marketing und Werbung nicht wegzudenken. Im Auftrag der Werbungtreibenden beraten sie bei der Wahl der Medien und lenken Werbegelder in die Kanäle, die den größtmöglichen Kampagnenerfolg versprechen.
Das war einmal so. Früher verstanden sich Agenturen als Treuhänder der Werbegelder. Vor vielen Jahren sind sie jedoch zu Großhändlern der Medien mutiert, begründeten eine eigene Wirtschaftsstufe, in die ihren Kunden jeder Einblick versagt ist, und steuern die Werbegelder im oft eigenen Interesse. Sie verdienen nicht nur an den Honoraren ihrer Auftraggeber, sondern auch an Kickbacks der Medien und weiteren, verborgenen Einnahmequellen. Und sie verdienen gut daran: Viele Mediaagenturen erzeugen Renditen jenseits der 40-Prozent-Schwelle.
„Der Werbekunde kauft Media-Müll statt der Qualität, die seine Kampagne zum Erfolg führt.„
Wie aber kommt es, dass die Auftraggeber das zuließen? Bei der letzten Tagung der Organisation Werbungtreibende (OWM) bekräftigte man erneut die Forderung nach mehr Transparenz im Mediageschäft. Sie nannten es selbst „Groundhog Day“ in Anlehnung an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Doch nach Lachen war niemand zumute. Es kommt einem vor, als nähme die Transparenz im Mediageschäft ab, je lauter die Werbekunden danach rufen.
Steuerte einst das Ergebnis strategischer Mediaberatung den Mediaeinkauf, ist es heute umgekehrt: Eine Strategie fehlt – und die Rabatte, die Agenturen von den Medien erhalten, steuern den Einkauf derselben. Sie kaufen im großen Stil bei den Medien ein und verkaufen das Inventar an ihre Kunden weiter. Da kommt es häufig vor, dass Werbekunden einen Mediaplan erhalten, der nicht die erwünschte Werbewirkung erzeugt. Im Plan befinden sich falsche Medien – oder bei den richtigen Medien falsche Platzierungen, weil Restplätze oder wenig attraktive Werbeumfelder günstig von der Agentur eingekauft wurden.
Der Werbekunde kauft Media-Müll statt der Qualität, die seine Kampagne zum Erfolg führt.
Das Phänomen ist nicht neu. Doch mit zunehmender Komplexität des Medienmarktes und der Digitalisierung des Marketing-Mix ist es nur großen Unternehmen mit eigener Media-Expertise möglich, Täuschungen aufzudecken. Die Folge: Die Werbewirkung sinkt. Es findet sich heute kaum ein Marketingchef, der nicht einen Schwund an Wirkung beklagt.
„Agenturen werden zu Vermarktern und begeben sich in eine inakzeptable Doppelrolle: Vermarkter können nicht gleichzeitig beraten.„
Neu ist Trading: Der An- und Verkauf von Medieninventar durch Mediaagenturen, mal transparent – und gierig von manchen Kunden als „effiziente“ Ergänzung des Mediaplans angenommen – häufig aber ohne Kenntnis des Marketings. Agenturen werden zu Vermarktern und begeben sich in eine inakzeptable Doppelrolle: Vermarkter können nicht gleichzeitig beraten.
Neu ist Programmatic: Der automatisierte Einkauf digitaler Medien. Entlang der „Wertschöpfungskette“ verdient die Agentur so viel Geld, dass vom eingesetzten Euro noch 20 Cent bei den Medien ankommen. Jede Kampagne verliert dadurch 80 Prozent an Werbekraft.
Der Kunde ist daran nie schuldlos. Er fordert zwar Werbewirkung, lässt jedoch die vermeintliche Wirtschaftlichkeit über den Medieneinsatz entscheiden – und sich beim Nachweis der Werbewirkung von KPIs blenden, die keinen Einfluss auf die Kampagnenwirkung besitzen.
„For peanuts you only get monkeys.“ Der Werbekunde bekommt, was er verdient. Es reicht nicht aus, nach Transparenz zu rufen und die Agenturen dann walten zu lassen. Wer Werbewirkung will, muss die Kontrolle seiner Agentur und Mediagelder in die eigenen oder in fachkundige Hände legen. Sonst ist man leichtes Spiel für Bauernfänger.
Die Autoren:
- Michael Bache, Geschäftsführer, HMB Networking (oben rechts)
- Matthias Süßlin, Managing Partner, Brainpartners (links)
- Thomas Koch, Gründer, The DOOH Consultancy (unten rechts)
Dieser Teil der Kolumne „Was Sie schon immer über Media wissen wollten …“ erschien zuerst in der Print-Ausgabe 01/02 2020 der absatzwirtschaft. Alle Print-Ausgaben, einzeln oder im Abo, können Sie hier bestellen.