Neulich zu Besuch bei meinen Eltern in der fränkischen Provinz: Die Idylle überzeugt. Allerdings herrscht ein Mangel an Optionen für das Abendprogramm, sodass mit einem Besuch des lokalen Gasthofs schnell das abendliche Highlight gefunden war. Was für meine Eltern eine nette Abwechslung ist, ist für mich eine Expedition in die Service-Landschaft Deutschlands. Denn schließlich gibt es viel zu erkunden: die Freundlichkeit des Personals, das Trinkgeldverhalten meiner Eltern, aber auch die atmosphärische Gestaltung von Service-Umgebungen. Letztere ist besonders spannend, da ihr aufgrund der Abwesenheit eines physischen Produktes eine besondere Rolle zukommt.
Betrachten wir einmal – vermutlich aus Dankbarkeit, dass keine bayerische Blaskapelle im Hintergrund spielte – die Wirkung von Musik in Service-Umgebungen wie Restaurants oder Bars. Die meisten Menschen erliegen hier der Überzeugung, dass vielleicht ihre Mitmenschen, aber definitiv nicht sie selbst von so etwas Trivialem wie der Umgebungsmusik bei einem Restaurantbesuch beeinflusst werden – und genau diese Überzeugung ist es, die uns anfällig für die oft un(ter)bewusste Beeinflussung durch atmosphärische Reize macht.
Bei langsamer Musik bleiben die Gäste länger
Wer rechnet schon damit, dass das Tempo der Umgebungsmusik unsere Aufenthaltsdauer im Restaurant beeinflusst? Die Forschung zeigt, dass dies der Fall ist. So verweilen Gäste im Schnitt 15 Minuten länger im Restaurant, wenn langsame Musik (≤ 72 Beats per Minute) statt schneller Musik (≥ 94 Beats per Minute) gespielt wird (Caldwell & Hibbert, 2002).
Oder hätten Sie gedacht, dass Musik Ihre Menüwahl beeinflussen kann? Voller Überzeugung der eigenen Rationalität, mögen uns Forschungsergebnisse überraschen, die beispielsweise zeigen, dass bei spanischer Flamenco-Musik 34 Prozent der Gäste eines Restaurants die spanische Paella wählen, während bei italienischer Musik diese von nur 17 Prozent gewählt wird (Zellner et al., 2017).
Bei lauter Musik werden mehr Getränke bestellt
Aber das ist noch nicht alles. Neben Musiktempo und landestypischer Musik hat auch die Lautstärke der Musik einen Einfluss. Wer würde schon vermuten, dass wir beispielsweise in einer Bar mit lauterer Musik (88 Dezibel) Getränke schneller austrinken und mehr Drinks bestellen, als wenn dort Musik in der gewöhnlichen Lautstärke (72 Dezibel) gespielt wird (Guéguen et al., 2008)?
Für mich bedeuten diese Erkenntnisse, dass ich an jenem Abend vielleicht deswegen als Erste mit dem Essen fertig war, weil meine Eltern einfach schon ein bisschen schlechter hören. Für servicenahe Unternehmen bedeuten diese Ergebnisse, dass Konsumverhalten nicht immer rein rational ist und es möglicherweise die verallgemeinerte Überzeugung der eigenen Rationalität ist, die dem zielgerichteten Einsatz von Umgebungsmusik entgegensteht.
Die Kolumnistin ist Professorin für Marketing an der Leuphana Universität Lüneburg. Monika Imschloß forscht zu multisensorischem Marketing, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.