Programmatic: Können Marken mit mehr Transparenz umgehen?

Wenn Marken und Werbetreibende nach mehr Transparenz im programmatischen Markt verlangen, brauchen sie auch technische Expertise. Nina Haller, Managing Director Programmatic bei Accenture Interactive, ist der Meinung, dass diese Expertise noch viel zu selten vorhanden ist.
Nina Haller, Managing Director Programmatic, Accenture Interactive: "Viele Werbetreibende haben weder Daten- noch Programmatic-Strategie." (© Accenture)

Was stört Sie an der Transparenz-Diskussion im Programmatic Advertising?

NINA HALLER: Das fängt mit der Definition an. Um welchen Grad an Transparenz geht es, um welchen Teilbereich? Reden wir von technischer Transparenz oder von monetärer? Ich erlebe kaum Kunden, die das für sich bereits klar definiert haben. Viel häufiger sehe ich Unternehmen, die überhaupt keine klare Strategie im Umgang mit Daten und Transparenz haben. Ich glaube, manchmal gibt es eine regelrechte „Fear of finding out“. Möchte ich diese ganze Transparenz überhaupt? Und was sagen mir die einzelnen Komponenten eigentlich? Es gibt zu viel Spielraum und Unklarheit bei Begriffen wie Invalid Traffic, Brand Safety oder Viewability. Es wäre schön, wenn es hier überall verbindliche Standards gäbe.

Steht das der weiteren Entwicklung von Programmatic im Weg?

Ein bisschen vielleicht, aber die Tendenz ist eindeutig – Programmatic ist nicht aufzuhalten. Gerade, weil zunehmend TV, Radio und Out-of-Home programmatisch gehandelt werden. Eine einheitliche Orchestrierung über Programmatic bietet sich an und ist zu komplex, um über manuelles Direktgeschäft abgewickelt zu werden. Der größte Treiber für das Wachstum im Digitalmarketing ist definitiv Programmatic.


Das Interview ist Teil eines Schwerpunktes zu digitalen Werbeformen in der Print-Ausgabe 12/2019 der absatzwirtschaft. Diese und weitere Ausgaben oder ein kostenloses Probeabo der absatzwirtschaft können Sie hier bestellen.


Braucht es noch Media-Agenturen?

Deren Rolle hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Aber man braucht sie definitiv. Erstens ist nicht alles digital. Und der aktuelle Einkaufsvorteil eines Agenturnetzwerks, zum Beispiel bei TV und Print, ist noch nicht zu ersetzen. Und zweitens wird das Thema Media-Mix-Modelling und Marketing-ROI zunehmend komplexer. Man braucht Marktforschung und Beratung – gerade für die strategische Planung online und offline. Und dann wäre ja noch die Frage, ob ein Unternehmen überhaupt die richtigen Leute im eigenen Unternehmen hat oder findet. Der Markt ist recht leergefegt.

Wenn Programmatic sein Effizienzversprechen einlösen könnte, ist das nur eine Rechenaufgabe.

Ja, es geht aber nicht nur um Effizienz, sondern immer auch um Effektivität. Und um diese Rechenaufgaben lösen zu können, müsste sich der Advertiser erst einmal darüber im Klaren sein, wie er zum Beispiel den programmatischen Einkauf mit I/O vergleicht. Und da vergleichen wir oft Äpfel mit Birnen. Die einfache Kostenbetrachtung beim Tausenderkontaktpreis hilft uns nicht weiter. Es geht um Fragen wie: Wie viel darf Technik kosten oder darf Technik einen Prozentsatz des Budgets beanspruchen? Was dürfen Daten kosten und welchen Mehrwert haben sie in der ganzen Kette? Viele Kosten waren ja auch vor Programmatic schon da, nur eben in I/O versteckt. 

Aber bei Google und Facebook kann ich ja nur wenig mitmessen. Das resultiert wieder in einem Vergleich von Äpfel und Birnen.

Ich finde die Gegenüberstellung von GAFA und Open Web generell schwierig. Wir gehen doch vom Konsumenten aus. Und da, wo der sich aufhält, gehen auch Werbegelder hin.Ziel muss es doch sein, zu erreichen, dass man auch bei Google und Facebook mitmessen kann, was man mitmessen möchte. Dann entsteht mehr Transparenz. Hier müssen einheitliche Standards und Klarheit geschaffen werden. Gleiches gilt auch für Bewegtbild oder Mobile. Das ist keine reine GAFA-Diskussion, das ist eher eine Branchendiskussion.

Wer soll die durchsetzen?

Alle. Der OWM, der BVDW, IAB, die GAFAS, Publisher, jeder einzelne in der Kette – auch ich bin in der Pflicht. Wenn wir das nicht hinkriegen, wissen wir doch gar nicht, worüber wir wirklich diskutieren.