Herr Ewig, Sie waren gerade einmal sechs Monate als Marketing- und Vertriebschef von AIDA Cruises im Amt, als die Corona-Pandemie die Kreuzfahrtbranche über zwei Jahre weitestgehend lahmlegen sollte. Was hat die Krise mit Ihnen und AIDA gemacht?
Als ich bei AIDA eingestiegen bin, habe ich mir sicher andere Ziele gesetzt. Mein Start in die Kreuzfahrtbranche wurde dann anders herausfordernd: Als Anfang 2020 klar war, dass sich das Virus immer weiter ausbreiten wird, haben wir in Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit unserer Gäste und Besatzungen bereits im Februar die Asiensaison beendet und Mitte März, noch vor der weltweiten Reisewarnung, die laufende Kreuzfahrtsaison unterbrochen, um unsere Gäste sicher nach Hause zu bringen. Parallel haben wir sofort begonnen, behutsam Pläne für einen Neustart zu entwickeln. Wir haben mit den zuständigen nationalen und internationalen Behörden erweiterte Gesundheitsprotokolle zum Schutz von Covid-19 entwickelt.
Im Herbst 2020 konnten wir, wenn auch mit deutlich reduzierter Passagierkapazität, bereits mit dem ersten Kreuzfahrtschiff in Italien starten. Ende 2021 hatten wir bereits wieder zehn Schiffe in Fahrt. Und am 7. Mai startet mit AIDAaura unser zwölftes Schiff in die Saison.
Die Corona-Pandemie schien trotz der sich verbreitenden Omikron-Variante vergleichsweise „unter Kontrolle“, da startete Wladimir Putin Ende Februar 2022 einen verheerenden Angriffskrieg auf die Ukraine. AIDA hat daraufhin umgehend Sankt Petersburg aus der Ostsee-Route gestrichen. Wie gehen Sie als Unternehmen in dieser äußerst schwierigen Zeit mit dem Krieg in der Ukraine um und welche Auswirkungen hat er auf Ihr Geschäft?
Wir beobachten mit sehr großer Sorge die dramatischen Ereignisse in der Ukraine. Die Anteilnahme und die Gedanken aller Mitglieder der AIDA-Familie, die Mitarbeiter*innen aus verschiedensten Nationen vereint, sind bei den Menschen in den betroffenen Regionen. Wir stehen für ein friedliches Miteinander. Daher haben wir unmittelbar nach dem Angriff entschieden, russische Häfen nicht mehr anzulaufen. Das bedeutet aber nicht, dass wir deshalb unser Kreuzfahrtprogramm einschränken oder Reisen absagen. Wir haben attraktive Alternativen entwickelt und den Hafen von Sankt Petersburg durch Destinationen wie Kopenhagen, Oslo, Riga oder Visby ersetzt.
Natürlich unterstützen wir zudem unsere ukrainischen Kolleg*innen an Bord mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Auch an Land haben wir umgehend diverse Initiativen ins Leben gerufen und helfen beispielsweise dabei, Hilfstransporte zu organisieren und geflüchtete Familien hier vor Ort in Rostock zu unterstützen. Die Spendenbereitschaft und das persönliche Engagement unserer Mitarbeitenden ist überwältigend.
„Wir müssen den Menschen besser erzählen, welche Hausaufgaben wir schon gemacht haben.“
Und dann ist da noch das seit Längerem schwelende Thema Nachhaltigkeit. 2019, also im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, machten rund 3,1 Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt. Zehn Jahre zuvor hatte es gerade mal eine Million deutsche Passagiere gegeben. Gleichzeitig gehen nicht zuletzt durch Fridays for Future immer mehr Menschen auf die Straße und demonstrieren für den Klimaschutz. Ist das nicht irgendwie paradox?
Nein, denn für die Menschen ist es in der aktuellen Klimaschutz-Debatte relativ schwer auszumachen, was sie dürfen und worauf sie verzichten sollen. Es gibt ja viele Kritikpunkte: an der Kreuzfahrt, am Urlaub als solchem, am Auto oder auch an der Internetnutzung. Mein Gefühl ist, dass viele Menschen damit überfordert sind, ihre persönliche rote Linie zu ziehen. Deshalb ist es unsere Aufgabe, klar zu kommunizieren, wie unsere Nachhaltigkeitsstrategie konkret aussieht.
Die Kreuzfahrtbranche könnte den Menschen ja mit deutlich nachhaltigeren Angeboten helfen.
Wir wissen um unsere Verantwortung für die Umwelt, für die Meere und für die Menschen, mit denen wir in Kontakt kommen. Es ist und war schon immer ein wichtiger Teil unserer Marken-DNA, die Umwelt zu respektieren und zu schützen. Wir versuchen, an jedem Schräubchen zu drehen, und wollen zum Beispiel Einwegplastik bis hin zum Zuckertütchen komplett von Bord verbannen.
„Wir haben eventuell in der Vergangenheit etwas zu wenig getan und waren zu reaktiv.“
Umweltschädlicher als Zuckertütchen aus Einwegplastik sind die Emissionen, die ein Kreuzfahrtschiff verursacht.
Wir nehmen unsere Verantwortung ernst. Das kann man an unserer technologischen Roadmap nachvollziehen – und die beinhaltet unsere Pionierrolle in Bezug auf die Nutzung von Flüssigerdgas, Landstromanschluss, Batteriespeichersystem und Brennstoffzelle. Die auf Flüssiggas basierende LNG-Technologie haben wir vor über zehn Jahren gemeinsam mit Werften überhaupt erst entwickelt. Damals gab es weder Gesetze noch Regulierung, wie man ein Kreuzfahrtschiff mit emissionsfreiem Gas betreiben kann. Und in der Öffentlichkeit hat seinerzeit sowieso niemand darüber gesprochen. Ganz ähnlich war es vor über 15 Jahren bei AIDAdiva: Da haben wir vorausschauend einen Landstromanschluss eingeplant. Wir konnten nur den Stecker nicht einbauen, weil noch gar nicht klar war, wie der überhaupt aussehen sollte. Bis zur Nutzung von Landstrom in Hamburg, Rostock und Kiel hat es noch viele Jahre gedauert.
Ist eine klimaneutrale Kreuzfahrt überhaupt möglich?
Unser Ziel ist die klimaneutrale Kreuzfahrt, und wir wollen dafür der Innovationstreiber sein. Wir haben uns auch ganz klar sowohl zum Pariser Abkommen als auch zu den UN-Weltklimazielen verpflichtet. Und ich kann es nur noch einmal in aller Deutlichkeit wiederholen: Das Thema Verantwortung ist tief verankert bei AIDA. Wir sind in vielen Bereichen Vorreiter und forschen bereits an dem ersten Zero-Emission-Schiff. Auf dem Weg dorthin gehen wir in diesem Jahr weitere wichtige Schritte: Auf AIDAprima wird das aktuell größte Batteriespeichersystem der Passagierschifffahrt mit einer Kapazität von zehn Megawattstunden eingebaut, und auf der AIDAnova kommt die erste Brennstoffzelle auf einem Kreuzfahrtschiff zum Einsatz.
Können die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz für ein Kreuzfahrtunternehmen wie AIDA ein relevantes Differenzierungsmerkmal sein?
Unser Ziel ist es, mit klaren Argumenten und den nachvollziehbaren Schritten unserer Roadmap zu überzeugen. Unser Differenzierungsmerkmal muss aus unserem Kernprodukt kommen. Wir müssen nur den Menschen besser erzählen, welche Hausaufgaben wir schon gemacht haben. Dazu braucht es keine Nachhaltigkeitskampagne, sondern einen konstanten Dialog mit unseren Gästen und den Regionen, die wir besuchen.
Fühlen Sie sich in der Klima-Debatte unfair behandelt?
Fair oder unfair ist der falsche Maßstab. Und beleidigt zu sein kann nicht die richtige Antwort sein. Wir müssen mit Kritik sehr professionell umgehen und uns fragen, was an ihr berechtigt ist, und vielleicht noch transparenter kommunizieren, den Dialog ausbauen.
„Beleidigt zu sein, kann nicht die richtige Antwort sein.“
Wenn AIDA so viel für eine Verbesserung der Klimabilanz tut, warum gehen Sie dann nicht mehr in die Öffentlichkeit?
Wir haben da eventuell in der Vergangenheit tatsächlich etwas zu wenig getan und waren zu reaktiv. Heute sagen wir: Unser Kurs ist Green Cruising. Das heißt, wir sind auf dem Weg. Aber wir sind noch nicht angekommen. Das wird immer die Tonalität bleiben, denn wir wollen glaubwürdig sein. Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, wollen wir echte Lösungen präsentieren.
Was heißt das konkret für Ihre Marketingkommunikation?
Wir haben die vergangenen Monate genutzt, um eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die Gäste, Reisebüros und Geschäftspartner gleichermaßen erreicht und nicht als einmalige Kampagne daherkommt, sondern dauerhafte Information beinhaltet. Das werden wir schrittweise in den kommenden Wochen und Monaten auf allen Kanälen ausrollen. Wir thematisieren Nachhaltigkeit übrigens auch in der Kommunikation an Bord. Die Kapitäne auf unseren Schiffen gehen schon längst auch in ihrer bunten nautischen Stunde auf Umweltschutzaspekte ein. Darüber hinaus geben wir auch unseren Reisebüros Kommunikationsmaterialien an die Hand, unterstützen sie mit Seminaren und konkreten Schulungsangeboten an Bord.