Vor dem Hintergrund hoher Erwartungen von Bürgern und Unternehmen haben die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und SPD am Dienstag ihre Beratungen über ein milliardenschweres Konjunkturprogramm begonnen. Nachdem Unionsvertreter bereits um 10 Uhr mit Kanzlerin Angela Merkel zu Vorgesprächen zusammengekommen waren, traf gegen 14.15 Uhr auch die SPD-Partei- und Fraktionsspitze im Kanzleramt ein. An den Verhandlungen nahm wie immer auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) teil.
Es gebe rund 60 Vorschläge zu beraten, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans am Mittag vor Beginn der Verhandlungen. Bei zentralen Punkten gibt es unterschiedliche Auffassungen bei Union und SPD. Dazu gehören eine Entlastung von Kommunen, Steuerentlastungen für Unternehmen, ein Familienbonus sowie eine Prämie beim Autokauf. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, es seien nicht nur Einigungen in den Einzelpunkten nötig. Am Ende müssten viele Vorschläge gestrichen werden, damit das Paket nicht zu teuer werde.
Umstritten war im Vorfeld der Beratungen, wie viel das Programm kosten soll. CSU-Chef Markus Söder will, dass der Bund maximal noch 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen darf, um den Staat nicht zu „ruinieren“. Bei der SPD stieß eine solche Grenze auf Ablehnung. Laut Medienberichten könnte das Paket bis zu 80 Milliarden Euro kosten.
Was sind die wichtigsten Themen?
Kaufprämien für Autos: Es wurde bereits im Vorfeld Streit um Kaufprämien verschärft sich – “Autoländer” machen Druck, die die deutsche Schlüsselindustrie und von ihr abhängige Branchen wie Zulieferer stützen sollen. Dafür gibt es in der Koalition auf beiden Seiten Befürworter und Gegner. Wegen der Klimakrise sind Kaufprämien für Autos umstritten. Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen schlagen eine „Innovationsprämie“ vor. Gefördert werden sollten aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder moderne Autos, die weniger CO2 produzieren.
Familienbonus: Im Gespräch ist außerdem eine Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind, um Familien in der Krise zu unterstützen und um den Konsum anzukurbeln. Die SPD setzt sich dafür besonders ein. Aber auch Unionspolitiker haben Sympathien dafür gezeigt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kann sich sogar 600 Euro vorstellen. Diskussionen könnte es darüber geben, ob ein solcher Bonus wirklich an alle Familien ausgeschüttet werden soll oder nur an bedürftige.
Entlastungen für Kommunen: Ein weiteres Streitthema sind Finanzhilfen für die Kommunen. Dabei ist aber unstrittig, dass Städte- und Gemeinden Hilfe brauchen, weil ihnen durch die Krise Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig mehr Kosten durch steigende Arbeitslosigkeit entstehen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz möchte Städten und Gemeinden unter anderem durch Übernahme ihrer Altschulden helfen. Aus der Union kommt ein Gegenvorschlag: Der Bund könnte die Kommunen entlasten, indem er einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern trägt und auf Anteile aus der Gewerbesteuer verzichtet.
Infrastrukturmaßnahmen: In den Ausbau der Infrastruktur könnte ein großer Teil der Mittel des Konjunkturpakets fließen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) möchte um die 28 Milliarden Euro unter anderem in Bahnverkehr, Straßenbau und digitale Infrastruktur stecken.
Kultur- und Veranstaltungsbranche hofft auf Hilfe
Sonstiges: Vorab diskutiert wurde außerdem über viele andere Vorschläge und Forderungen: mehr Klimaschutz; Milliardenhilfen für die Veranstaltungs- und die Kulturbranche, die unter der Krise besonders leiden; eine vollständige und schnellere Abschaffung des Solidaritätszuschlags, damit den Steuerzahlern mehr Geld zum Ausgeben bleibt; Steuererleichterungen für Unternehmen; Konsum- und Mobilitätsgutscheine für den Kauf von Fahrrädern oder für öffentliche Verkehrsmittel; Entlastung bei den Strompreisen und mehr Geld für die Forschung.
Angesichts des hohen Beratungsbedarfs haben sich alle Seiten nach Angaben aus Koalitionskreisen darauf geeinigt, die Verhandlungen voraussichtlich noch vor Mitternacht zu unterbrechen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollten die Gespräche an diesem Mittwochvormittag nach der Kabinettssitzung voraussichtlich gegen 10 Uhr fortgesetzt werden. Man wolle ohne Zeitdruck über die verschiedenen Einzelthemen sprechen, hieß es zur Begründung.
tht/dpa