Prominenz ist schön, vor allem im Dienst einer guten Sache. Die Schauspielerin Maria Furtwängler (bekannt etwa als Tatort-Kommissarin) sorgte vergangene Woche für Schlagzeilen mit der Forderung, Klimaschutz stärker in Film und Fernsehen zu verankern: „Ich kann an ganz vielen Ebenen überlegen, wie erzähle ich das in unserem Alltag mit“, sagte sie auf einer Konferenz des Magazins Spiegel und der Boston Consulting Group. Gemeint war zum Beispiel, Protagonist*innen nicht standardmäßig Schnitzel oder Currywurst bestellen zu lassen, sondern auch mal Veggieburger oder Aubergine.
Fast schon überfällig, immerhin greifen inzwischen fast 40 Prozent der deutschen Konsument*innen „öfters“ zu fleischlosen Alternativen. Rechte Medien sehen das freilich anders. „Wie viel Umerziehungsfernsehen soll dem Gebührenzahler noch zugemutet werden?“ schäumte die Schweizer Weltwoche. Der Vorwurf der Manipulation ist so alt wie das Marketing – und in diesem Kontext geradezu absurd.
Furtwängler greift nur auf, was Kommunikator*innen wie Maja Göpel schon länger fordern: Das Thema Nachhaltigkeit darf sich nicht auf den wissenschaftlichen und politischen Raum beschränken. Gesellschaftliche Dynamik braucht Formate, die populär, breitenwirksam und selbstverständlich in den Alltag ausstrahlen. Nicht, indem sie ein falsches (und damit manipulatives) Bild vermitteln, sondern im Gegenteil eines, das die Veränderung der Realität sichtbar macht.
Der erste „schwule Kuss“ im deutschen Fernsehen, 1990 in der beliebten TV-Serie „Lindenstraße“, war ein Schlüsselmoment. Später zeigte sich der Fortschritt der Gender-Debatte auch an der Zahl der Expertinnen in Talk-Shows, die über Jahrzehnte reine Männerzirkel gewesen waren. In der zersplitterten digitalen Medienwelt von heute kommt es auch und besonders auf Marken an, deren Tools viele verschiedene Kanäle bedienen. „Haltung ist gut für alles“, brachte es meine Kollegin Vera Hermes kürzlich auf den Punkt.
Anteil grüner Start-ups steigt weiterhin
Eines ist, aller gefühlten Klimamüdigkeit in den Chefetagen zum Trotz, glücklicherweise nicht wahr: dass die Wirtschaft Nachhaltigkeitsthemen ad acta legt. „Unsere Daten zeigen, dass in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit nicht nur stabil bleibt, sondern sogar leicht zunimmt“, heißt es beispielsweise im soeben veröffentlichten Startup Monitor des Bundesverbands Deutsche Startups. In Zahlen: 48,1 Prozent der Gründer*innen rechnen ihr Geschäftsmodell der Green Economy zu, der bislang höchste gemessene Wert dieser Umfrage. Die Zuordnung zum Social Entrepreneurship bleibt mit 45,6 Prozent auf hohem Niveau.
Auch Fasern und Weinflaschen lassen sich verändern
Im Mittelstand trumpfen Marketer*innen immer wieder mit guten Ideen auf, die grüne Themen voranbringen und das Markenprofil schärfen – ob Bioschokoladenhersteller EcoFinia für seine Marke iChoc ein Tracking-System realisiert, das jede Tafel einem bestimmten Kakaobauern zuordnet, oder die österreichische Textilgruppe Lenzing umweltschonende Lyocell- und Modalfasern entwickelt. Der Online-Weinhändler Delinat führt derzeit eine extrem leichte Mehrweg-Weinflasche ein, die zu 92 Prozent aus Altglas besteht.
Das spart gegenüber herkömmlichen Einweg-Flaschen in der Produktion rund 60 Prozent Emissionen; wieviel es über die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Transport und Spülen sein werden, hängt auch von der Disziplin der Kund*innen ab. Aber Delinat startet hier nicht bei Null, denn die Firma hat bereits vor Jahren ein Rückgabesystem für Versandkartons etabliert, die im Durchschnitt immerhin sechsmal wiederverwendet werden.
Ja, all das ist Marketing – und zugleich ein Beitrag zur Veränderung.
Wie wird Forschung politikrelevant? Mit Marketing, stupid
Auch Wissenschaftler*innen machen sich Gedanken darüber, wie sie ihre Erkenntnisse zum Klimaschutz wirksam platzieren können. Es hat sich herumgesprochen, dass Politiker*innen keine Zeit haben, die zahllosen fleißig publizierten Aufsätze in akademischen Zeitschriften zu lesen. Was also tun?
Tipps gaben Praktiker*innen anlässlich einer Online-Diskussion im Rahmen der „Klima Lectures“ der Jungen Akademie, einem Netzwerk von Nachwuchs-Wissenschaftler*innen: Schnell sein, Ergebnisse auf den Punkt bringen, sie in einen laufenden Prozess zur Zielerreichung einspeisen (zum Beispiel: Klimaneutralität bis 2050) und „weiterbearbeitbar“ für Ministerien machen.Oder: Aspekte wie Wasserqualität oder Erhalt der Artenvielfalt aufgreifen, die anders als etwa CO2-Besteuerung nicht sofort zur Lagerbildung führen.
Wie schön, dass der Nutzen von Marketing nun auch dort begriffen wird, wo die Disziplin lange als verpönt galt.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!