Das Weltwirtschaftsforum in dieser Woche stand im Zeichen des Klimas. Auch dank Greta Thunberg. Sie sprach prominent sogar noch vor Donald Trump und Angela Merkel. Dem US-Präsidenten war das gänzlich egal. Er ignorierte die Agenda des Wirtschaftstreffens. In Davos prallten Welten aufeinander: Auf der einen Seite steht der hemmungslose Wachstumstreiber Trump. Auf der anderen steht Greta, die verzweifelte und radikale Stimme der Jugend. Und plötzlich tut sich eine ganz neue Mitte auf: Die internationalen Wirtschaftsbosse und Volkswirte. Zwischen diesen beiden Extremen wirken plötzlich viele als gemäßigt, die jahrelang als Inbegriff des radikalen Kapitalismus galten.
Ein aktuelles Beispiel ist Blackrock. Der weltgrößte Vermögensverwalter drängt zunehmend auf Nachhaltigkeit. „Der Klimawandel ist für die langfristigen Aussichten von Unternehmen zu einem entscheidenden Faktor geworden“, schrieb der Vorstandsvorsitzende Larry Fink in seinem diesjährigen Brief an die Vorstände von Unternehmen. Die Klimarisiken zwängen Anleger, ihre Vorstellung von moderner Finanzwirtschaft zu überdenken. Dies habe eine grundlegende Neubewertung von Risiken und Vermögenswerten zur Folge und werde zu einer Umverteilung von Kapital führen, so Fink. Nachhaltigkeit soll zu einem wesentlichen Bestandteil des Portfolios werden. Anlageprodukte, die eine erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellen, werden abgestoßen.
Nachhaltigkeit ist längst kein reines Kommunikationsthema mehr
Erfunden hat Blackrock diesen Ansatz nicht. Weniger bekannte Gesellschaften wie die französische BNP Paribas AM oder die norwegische DNB sind sogar schon deutlich weiter. Aber niemand konnte es so prominent platzieren. Das Beispiel zeigt zwei wesentliche Veränderungen beim Thema Nachhaltigkeit: Zum einen ist es elementare Unternehmensstrategie und längst kein Kommunikationsthema mehr. Zum anderen haben es Unternehmen aktuell so leicht wie nie, sich in der Öffentlichkeit positiv zu positionieren. Blackrock wäre vor wenigen Jahren noch mit Häme überschüttet worden, wenn sich der Vermögensverwalter einen grünen Anstrich gegeben hätte. Angesichts weit extremer und stark polarisierender Ansichten und einer deutlichen Politikverdrossenheit bei diesem Thema können Unternehmen ganz neu kommunizieren und werden sogar als Vermittler wahrgenommen.
Blackrock hat bei seinem Weg vor allem eines richtig gemacht: Sie haben die Ablehnung gegen Politik, Trump oder Fridays for Future genutzt, aber nicht thematisiert. Ganz anders erging es Siemens. Die deutsche Frontfrau der Klimabewegung hat lautstark an den Konzern appelliert, sich aus einem umstrittenen Kohleförderprojekt in Australien zurückzuziehen. In der Folge traf sich Siemens-Konzernchef Joe Kaeser mit Luisa Neubauer und bot ihr einen Sitz im Aufsichtsgremium der Unternehmenstochter Siemens Energy an, weil er nicht wolle, dass „lauter alte, weiße, deutsche Männer“ in diesen Gremien säßen. Medial wurde er dafür gescholten. Im Gegensatz zu Blackrock hat er eben nicht die Chance genutzt, sich nachhaltig zu positionieren, sondern hat versucht sich bei der Jungendbewegung anzubiedern oder sogar diese zu vereinnahmen, so das Echo.
Zaudern der Politik bedeutet neue Verantwortung für die Wirtschaftsbosse
Früher haben Regierungen von Unternehmen verlangt, sich anzupassen. Heute, glaube ich, hinken die Regierungen leider hinterher.“
Allianzchef Oliver Bäte
Wenn in diesen Stunden das Weltwirtschaftsforum in Davos zu Ende geht, wird mehr als deutlich: Das Thema Klima und Nachhaltigkeit wird die kommenden Jahre sowohl für Politik als auch Unternehmen Priorität haben. Genauso wie die Politik schnell Maßnahmen ergreifen muss, sollten Unternehmen sich zügig zu diesem Thema neu positionieren. Das Zaudern der Politiker beschert Wirtschaftsbossen neue Verantwortung. Blackrock hat das perfekt erkannt und sich dabei sogleich in eine Führungsrolle gebracht. Der Chef des Versicherungskonzerns Allianz, Oliver Bäte, fasst die Verantwortung der Unternehmen so zusammen: „Früher haben Regierungen von Unternehmen verlangt, sich anzupassen. Heute, glaube ich, hinken die Regierungen leider hinterher.“
Das bietet auch Marketingverantwortlichen große Chancen. Sie haben die volle Unterstützung des Unternehmens und jeder tatsächliche Schritt in Richtung nachhaltigerem Wirtschaften wird sehr positiv wahrgenommen. Oft geht es dabei auch um die kleinen Dinge, wie Davos zeigt. Gehörte es vor Jahren für Vorstände noch zum guten Ton, im Privatjet anzureisen, geht es jetzt um CO2-Einsparung allerorten. Das Weltwirtschaftsforum versprach, die gesamten CO2-Emissionen zu kompensieren, inklusive der Privatjetflüge und der Emissionen der Shuttlebusse, welche die Gäste die kurzen Strecken quer durch Davos kutschieren. Die Politiker ließen sich größtenteils weiterhin einfliegen. Viele Unternehmensführer verzichteten darauf.