Klartext, bitte! 

Überall wird mit abstrakten Begriffen hantiert, die mächtig klingen, deren Bedeutung aber unklar ist. Das sollte sich ändern.
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GWA Präsidentin Larissa Pohl, Scholz & Friends (© Cecil Arp, Montage: Olaf Heß)

„Mit einer neuen Strategie wollen wir unser Geschäftsmodell mit Blick auf die Anforderungen der Digitalisierung transformieren“. Ein Satz, der so oder so ähnlich wahrscheinlich schon x-mal zu lesen war, etwa als Ankündigung von Unternehmen, Ministerien, Betrieben, der Verwaltung und vielen mehr. Der Satz klingt beim ersten Lesen nicht schlecht, zumindest erweckt er den Anschein einer sinnvollen Aussage. Bei genauerer Betrachtung kann der oder die Lesende jedoch ins Zweifeln kommen, ob der Satz eigentlich überhaupt etwas aussagt. Denn er enthält lauter Begriffe, von denen man zwar zunächst meint, ihnen auch eine konkrete Bedeutung beimessen zu können, dies bei Lichte betrachtet aber überhaupt nicht der Fall ist. 

Was genau ist mit Begriffen wie “Strategie” gemeint? 

Was genau ist denn eigentlich eine „Strategie“? Was meint der Begriff „Geschäftsmodell“? Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Digitalisierung“? Leider liefert auch der schnelle Blick in die Online-Enzyklopädie keine überzeugenden Ergebnisse. „Weder in der Wissenschaft noch in der Praxis gibt es eine allgemein akzeptierte Definition“ ist da mit Blick auf den Begriff „Geschäftsmodell“ zu lesen. Oder zu „Strategie“: „Eine homogene Auffassung von Strategie herrscht in der wissenschaftlichen Literatur jedoch nicht vor“. Und im alltäglichen Sprachgebrauch? Ist mit „Strategie“ das Ergebnis einer längerfristigen, grundlegenden – also strategischen – Planung gemeint? Oder ein Entscheidungsmuster? Wird so etwas tatsächlich formuliert oder ergibt es sich mehr oder weniger von selbst und in jedem Unternehmen anders? Ist eine Strategie auf die Positionierung des Unternehmens in einem Markt gerichtet oder auf die eigenen Kompetenzen? Oder beides? 

Streng genommen handelt es sich hier also um begriffliche Scheinriesen und tatsächliche Bedeutungszwerge. Sie werden aus meiner Sicht deshalb gerne verwendet, weil Sätze wie der oben genannte nie so richtig falsch sind und dabei sogar Kompetenzvermutung aufbauen, solange niemand genau liest und keiner die verwendeten Begriffe wirklich hinterfragt. Sie sind zudem alle Teil des berühmten Business-Bullsh*t-Bingos. 

Meine Lieblingsnebelkerze? Digitalisierung! 

Nun werden sich die Leser*innen zurecht fragen, welchen Lösungsansatz ich hier anbieten kann. Zunächst sollte jede*r sich selbst fragen, ob sie oder er eigentlich wirklich genau weiß, worum es eigentlich geht, und was eigentlich genau passieren soll und warum. Ein Beispiel: Hier ist “Digitalisierung” meine Lieblingsnebelkerze. Was soll denn digitalisiert werden? Die interne Kommunikation? Die Fertigung? Die Post? Wir sollten für branchentypische Begriffe eine eigene Definition bereithalten, um so für Klarheit im Diskurs zu sorgen.

Noch ein Beispiel: „Geschäftsmodell“. Für mich beschreibt der Begriff, warum ein Unternehmen etwas tut, wie es das tut und wie es damit Geld verdient, ein Geschäftsmodell besteht, so verstanden, aus den drei Elementen „Nutzenversprechen“, „Wertschöpfungsarchitektur“ und „Ertragsmodell“. Das kann man auch anders sehen, darüber sollte man sich aber zumindest verständigen. Wir sollten uns schlicht mehr Mühe in der Verwendung der Sprache geben, auch wenn es schwerer fällt als das Formulieren von Sätzen wie dem einleitenden. Denn wer von Anfang an klar kommuniziert, muss später weniger Zeit einplanen, um Missverständnisse zu klären. 

Larissa Pohl ist GWA-Präsidentin. Die Kolumnistin schreibt im Wechsel mit Franziska Duerl und Sandra Harzer-Kux über die Zusammenarbeit von Unternehmen und Agenturen.