Kindermarketing: Foodwatch kritisiert Konzerne und die Politik

Weder eine freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie noch ein Zuckerreduktionsprogramm der Bundesregierung haben Nahrungsmittel für Kinder ausgewogener gemacht. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Verbraucherorganisation Foodwatch.
Kinder haben erheblichen Einfluss darauf, was im Einkaufwagen der Eltern landet. (© Imago)

Zu süß, zu fettig, zu salzig – das gilt immer noch für viele Nahrungsmittel, die an Kinder vermarktet werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach seien 85,5 Prozent der untersuchten für Kinder beworbenen Nahrungsmittel (242 von 283) nach Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht ausgewogen.

„Produkte, die mit Comicfiguren, Online-Gewinnspielen und Spielzeugbeigaben an Kinder beworben werden, sind in erster Linie Zuckerbomben und fettige Snacks. Daran haben weder die freiwillige Selbstverpflichtung für ein verantwortungsvolleres Kindermarketing noch das Zuckerreduktionsprogramm der Bundesregierung etwas geändert“, erklärte Oliver Huizinga, Kampagnendirektor bei Foodwatch.

Nur Danone reduziert „ungesunde Kinderprodukte“

Die untersuchten Produkte kämen von insgesamt 16 Lebensmittelkonzernen, die eine Selbstverpflichtung zum verantwortungsvollen Kindermarketing unterschrieben hätten, darunter Nestlé, Danone und Unilever, wie Foodwatch mitteilte. Darin hätten alle Konzerne erklärt, ihr Kindermarketing verantwortungsvoller zu gestalten.

Die Realität sehe anders aus: Zehn der 16 untersuchten Konzerne machten laut Foodwatch heute ausschließlich Werbung für ungesunde Kinderprodukte, darunter Ferrero, Pepsico, Mars, Unilever und Coca-Cola. Einzig Danone habe im Vergleich zur letzten Untersuchung „eine signifikante Reduktion ungesunder Kinderprodukte“ vorgenommen, heißt es weiter. 



Die letzte Untersuchung der Verbraucherschützer liegt bereits sechs Jahre zurück. Seitdem habe sich der Anteil nicht ausgewogener Nahrungsmittel etwas verringert: 2015 seien 89,7 Prozent der Produkte bedenklich gewesen.

Bundesregierung sieht Fortschritte bei Zuckerreduktion

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) setze auf die Selbstverpflichtung der Firmen, wie sie dem „Tagesspiegel“ mitteilte. So habe der Zuckergehalt etwa in Joghurt- und Quarkzubereitungen für Kinder bereits um ein Fünftel reduziert werden können, Softdrinks enthielten nun sogar rund ein Drittel weniger Zucker. Mit einer Reduktionsstrategie der Ministerin sollen Fertigprodukte insgesamt gesünder werden. „Bei der Erfüllung der Reduktionsziele lassen wir niemanden aus der Verantwortung. Deshalb wird es weiter eine engmaschige Erfolgskontrolle geben. Und dort, wo es hakt, wird nachgebessert und wenn nötig, reguliert“, so Klöckner.

Foodwatch sieht sich durch die Ergebnisse der eigenen Untersuchung in seiner Forderung nach Gesetzen zur Zuckerreduktion bestätigt. Nach wie vor trage die Lebensmittelindustrie mit ihren Marketing-Methoden zur Fehlernährung der Kinder bei. Nur für gesunde Lebensmittel sollte an Kinder gerichtetes Marketing erlaubt sein, fordert die Organisation.

Organisationen und Konzerne im Clinch

Um die Kennzeichnung von Lebensmitteln und den Einsatz von Werbebotschaften wird zwischen Verbraucherschützern, Markenherstellern und der Politik hart gerungen. Zuletzt hatte die Studie „Süße Marketingclaims“ der Universität Göttingen im Auftrag vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) harsche Kritik des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hervorgerufen.

Das ZAW hatte zuletzt eine Studie beim Forschungsinstitut INSA-Consulere in Auftrag gegeben, die den Ursachen für Übergewicht bei Kindern auf den Grund gehen sollte. Die Ergebnisse wurden im Mai veröffentlicht. Fazit: Der Umgang mit Ernährung im Elternhaus (Einkauf, Kochen, Mahlzeiten) sei nach der klar überwiegenden Elternmeinung der bestimmende Aspekt dafür, dass Kinder übergewichtig sind. Für 80 Prozent der Eltern spiele dies eine „sehr große“ oder eine „eher große Rolle“. Die wenigsten Nennungen entfielen auf die werbliche Kommunikation (TV, Radio, Print, Influencer). Bei der absoluten Mehrheit der Mütter und Väter ist Lebensmittelwerbung demnach erwünscht: 71 Prozent möchten mittels Werbung über Produktneuheiten und Innovationen im Lebensmittelbereich informiert werden.

(Mit Material der dpa)

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.