Der Coup ist gelungen: Weltstar Kim Kardashian beehrte mit ihrer Anwesenheit das diesjährige OMR-Festival. Philipp Westermeyer, der mit seinem Event in den letzten Jahren immer wieder große Namen wie Ashton Kutcher, Quentin Tarantino oder Serena Williams präsentierte, hat damit wohl den bisher einflussreichsten Menschen auf seiner Bühne begrüßen dürfen.
Im Gegensatz zu den oben genannten Sternchen hat die 43-Jährige auch tatsächlich einen Bezug zur Veranstaltung: Als Marketing-Genie ist sie zur Milliardärin geworden, ihren Content konsumieren Abermillionen von Follower*innen auf Social Media – das Wort „Imperium“ klingt in diesem Zusammenhang alles andere als abgedroschen. Doch ihre Anwesenheit brachte nicht nur den Glamour eines Megastars in die Hansestadt, sondern verdeutlichte mal wieder die Doppelmoral des Marketings.
Immer lauter werden die Stimmen in der Branche, die nach ethischen Werten rufen: soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie Gleichberechtigung sind nur einige jener. Kim Kardashians brillanter Geschäftssinn, ihr Luxusleben und ihr Einfluss, der auf einem stark kritisierten Bild von Weiblichkeit fußt, stehen jedoch im krassen Gegensatz zu den Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und weniger Sexismus in der Branche – die erste Doppelmoral.
Kim Kardashian: Toxische Weiblichkeit als Geschäftsmodell
Die Darstellung von Schönheit im Sinne der Kardashians hat nicht nur viele junge Menschen beeinflusst, viele sind unglücklich geworden – oder sogar krank. Die Überbetonung des Äußeren und das Normalisieren von Schönheitsoperationen machten die Kardashians zum Geschäftsmodell. Der Begriff „toxische Weiblichkeit“ liegt nahe, also die Übertragung traditioneller toxischer Maskulinitätsnormen in einen weiblichen Kontext. Dem Influencer Jeremy Fragrance wurden toxische Normen auf der letztjährigen OMR zum Verhängnis, als ihm frauenfeindliche Äußerungen vorgeworfen wurden. In diesem Jahr hingegen wird die große Kim Kardashian gefeiert – die zweite Doppelmoral.
Auch wenn der Kardashian-Clan diese Kultur nicht erschaffen hat, hat er durch seine enorme Reichweite davon profitiert. In einem Umfeld, das einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft will und nach Innovationen sucht, um unsere Welt nachhaltiger und besser zu machen, wirkt ein OMR-Auftritt von Kim Kardashian, deren Imperium auf Luxus, Verschwendung und das Glorifizieren von Oberflächlichkeiten basiert, mindestens befremdlich.
Vielleicht braucht es solche Auftritte aber auch, um das Dilemma des Marketings aufzuzeigen und so Impulse zu setzen: Wie können Konsum und Nachhaltigkeit zusammengehen? Und bezogen auf das Influencer Marketing: Wie schafft man das Gleichgewicht zwischen sozialer Verantwortung, Selbstinszenierung und Umsatzsteigerung? Vielleicht bleibt im nächsten Jahr Raum für ein Interview zu diesen Fragen auf der OMR-Mainstage. Wie gut mehr kritische Stimmen täten, hatte der viel beachtete Auftritt von Luisa Neubauer im letzten Jahr gezeigt. Von einer nachhaltigen Wirkung davon ist in diesem Jahr jedoch wenig zu spüren. Leider.