Est Nomen Omen? Was die Namen der KI-Tools bedeuten

So viele neue KI-Helferlein überall, die sich auch noch individuell vorstellen. Was kann man aus ihren Namen herauslesen? Unser Gastautor nähert sich dem Thema mit den Augen des Namensentwicklers.  
KI-Tools Namen
 Werner Brandl ist Geschäftsführer einer Spezialagentur für Namensentwicklung, die seinen Namen trägt. Er macht Namen für Produkte, Services und Unternehmen und berät zu Namensstrategien.  (© privat, Montage: Olaf Heß.)

Im KI-Markt menschelt es gewaltig. Werkzeuge in zugewandtem Kontakt zum User sind en vogue. Neben Marktmacht und Performance geht es um (vermeintliche) Augenhöhe. So war das schon bei ChatGPT, der Plauder-KI für Interaktion in niedrigschwelliger Form, wenn auch in Kombi mit dem kryptisch-technischen GPT (Generative Pre-trained Transformer). 

Welche sind heute die spannendsten Alternativen und was wollen uns ihre Namen sagen? 

Am vielversprechendsten im Meer der Tools für Kreative klingt Neuroflash. Genau das, was man braucht – Inspiration. Könnte aber auch eine Droge sein, denn was ist zum Beispiel Amphetamin, wenn nicht ein Neuroflash? Letztlich ist es wohl der ins Englische übertragene „Geistesblitz“. Dabei kann dieses Produkt für Bild und Wort vor allem besonders gut mit deutscher Sprache umgehen. Aber was ist ein „Flash“ gegen einen „Blitz“? 

Co-Pilot klaut nicht den Job des Menschen 

Ganz anders wirkt der AI Assistant Claude, von der Idee her eine Art Kammerdiener. Sympathisch, tendenziell devot und stets hilfreich – für SEO eine Herausforderung, aber claude.ai rankt hoch. Ich würde aber nicht alles darauf setzen, dass ein französischer Name in Deutschland gut an- und über die Lippen kommt. Und es ist natürlich unklar, wie menschlich ein AI Bot am Ende auftreten soll. 

Womit die meisten am Arbeitsplatz in Berührung kommen werden, ist der Microsoft Copilot. Er ist eine charmante Mischung aus Beschreibung und positiven Gedankenanknüpfungspunkten. Dass ein Copilot nützlich und nicht nur in Stilfragen kompetent ist, klar. Besonders ist die Rollenverteilung: Der Nutzende bleibt Chef, die KI arbeitet zu. Hier klaut nicht der Kumpel meinen eigenen Job. Das Ganze klingt viel weniger nach Support als es ist. Das hat Leichtigkeit und sollte den Leuten gefallen.   

Google strebt das Unmögliche an – auch beim Namen 

Auch Google hat eine neue Version seines KI-Helfers Google Bard rausgebracht. „Bard“ war grundsätzlich passend, wenn auch etwas langweilig. Es ist schwer zu beurteilen, wofür Google Gemini steht. Das Sternbild der Zwillinge? Die notorische Unzuverlässigkeit des Zwillings? Die NASA-Missionen zur Vorbereitung der Mondlandung von 1965 und 1966? Hier schließt sich jedenfalls der Kreis zur Google-Philosophie – den „Moonshot-Projekten“, wo man etwas eigentlich Unmögliches anstrebt. Abgesehen von diesem qualitativen Anspruch sowie der historischen und internen Deutung bleibt ein Name, der wenig sagt und wenig hilft. Die Deutung, dass die KI der werkelnde Zwilling des Anwenders ist, überzeugt mich eher wenig. 

Der Namensplatzhirsch in dieser Kategorie ist momentan Perplexity. Es ist weniger Chatbot als vielmehr selbsterklärte „answer engine“, der man Fragen stellen kann. Die KI werkelt im Hintergrund und gibt die Suchergebnisse als voll formulierte Antworten und sogar mit Quellenangaben aus. Der Name selbst ist positiv gewagt, leicht provokativ, klingt gut und rhythmisch und ist im Wettbewerbsumfeld frisch. 

Wenn es nicht um Sprache geht, sondern um Bilder, dann ist Dall-E (von OpenAI ebenso wie ChatGPT) ein Klassiker, dazu ein echter Nerdname. Warum man nicht einfach explizit Dali genommen hat? Erstens hätte das für einen Bildgenerator sicher Ärger bedeutet. Zweitens ist hier auch eine zweite Referenz verschmolzen: Sie erinnern sich an den kleinen Aufräumroboter Wall-E? 

Deutsches Vorzeige-KI-Projekt mit Doppelnamen 

Gelehrt zeigt sich das deutsche Vorzeige-KI-Projekt namens Aleph Alpha, das einen Doppelnamen führt. Das hebräische „Aleph“ wurde im Griechischen als „Alpha“ adoptiert. Es steht in der Mengenlehre für die Aufzählung aller unendlichen Kardinalzahlen. Beide haben Bedeutungen wie Anfang und eins. Und ganz neu ist der chinesische Videogenerator mit dem bezaubernd-verwirrenden Namen Kling.  

Wie so oft im Technologiebereich ist der Name ein kleiner Mosaikstein, aber bei den Finanzvolumen, um die es geht, ist er ein kleiner, feiner Effizienzhebel. Auch beim sich selbst Benennen erweisen sich die Tools als findig. Stellt man ChatGPT anhand seiner Selbstbeschreibung die Aufgabe, einen Namen für sich zu finden, liest man zum Beispiel „Knowledge Assistant“, „InspireAssist“, „Inspiriva“. Und Perplexity zeigt sich wertebewusst – es nennt sich selbst einfach „TrustAI“.