KI im Marketing bei Oscar Bravo (Lufthansa) 

Künstliche Videos aus Textvorgaben ohne reale Produktion werden die Marketingbranche revolutionieren, ist Timo Schulte überzeugt. Der COO der Lufthansa-Digitaltochter Oscar Bravo ist Teil 24 unserer Serie “KI im Marketing”.
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Timo Schulte ist Chief Operating Officer bei Oscar Bravo, der Digitalmarketing-Unit der Lufthansa Group. (© privat)

Herr Schulte, wofür haben Sie KI zuletzt persönlich eingesetzt? 

Large Language Models sind ein fester Bestandteil meines Arbeitsalltags. Sie helfen, Inhalte zu strukturieren, indem sie mit Gliederungen unterstützen. Für die inhaltliche Arbeit bin ich weiterhin auf meine eigene Recherche angewiesen, da die LLMs eher generische Aussagen zu sehr spezifischen Themen machen. Um KI in meinen Arbeitsalltag zu integrieren, muss sie Teil der Tools werden, die ich täglich benutze, und nicht nur ein Tab im Browser sein. Ob ich sie als Suchmaschine nutzen will, ist mir noch unklar. Die Interpretation der verschiedenen Quellen sollte nicht unreflektiert der KI überlassen werden. 

 
In welcher Weise setzt Oscar Bravo KI im Marketing ein? 

Unsere Arbeit in der Lufthansa Group ist so vielfältig wie der Einsatz von KI. Als erster interner Trading Desk spielen Algorithmen bei uns schon lange eine Schlüsselrolle im automatisierten Mediaeinkauf. Die KI-gestützte Asset-Erstellung entwickelt sich dort derzeit rasant und zielt auf eine Zukunft, in der Kampagnen mit Prompts erstellt werden können. Bei Social-Media-Inhalten der Lufthansa ist KI heute schon in der Postproduktion unverzichtbar. Bildretusche, Videobearbeitung, Sound… KI beschleunigt die Arbeit erheblich. Und künstliche Videos aus Textvorgaben ohne reale Produktion werden unsere Branche sehr bald revolutionieren. 

 
Können Sie anhand eines konkreten Beispiels erklären, wie KI Ihrem Marketing-Team die Arbeit erleichtert? 

Aktuell erleben wir die dynamischsten Fortschritte im Bereich Content-Erstellung und -bearbeitung. Von Transkription über Schnitt, Farbkorrektur und Audioverbesserung – während in den letzten Monaten die Optimierung von produzierten Medien im Fokus stand, so verändern wir derzeit unseren Content mittels KI zu etwas Neuen. Warum sollten wir uns mit Untertiteln begnügen, wenn KI in der Lage ist, Tonlage und Mimik für Übersetzungen in andere Sprachen anzupassen? In diesem Kontext arbeiten wir an Richtlinien für den Einsatz von KI, einschließlich der Kennzeichnung von Medieninhalten, die auf diese Weise erzeugt wurden. 

 
Welche rechtlichen oder ethischen Fragen zur KI sind Ihrer Meinung nach noch zu klären? 

KI-generierte Inhalte gewinnen bei der Erstellung von Inhalten an Bedeutung. Obwohl die Inhalte rechtlich oft als gemeinfrei angesehen werden, erfordern die rasch zunehmenden Fähigkeiten der KI eine ständige Neubewertung des Urheberrechts. Beim Datenschutz hingegen liegt die Hauptverantwortung bei der Person, die vor dem Bildschirm sitzt. Die eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Entwicklung der KI viel schneller voranschreitet als die Fähigkeit, mit ihr Schritt zu halten – im Marketing, der Arbeitswelt, den Medien, der Rechtsprechung sowie ethischen, sozialen Aspekten gleichermaßen. 

 
Welche Aufgaben im Marketing könnte die KI in Zukunft noch übernehmen und wo liegen die Grenzen, also wofür wird es immer das menschliche Hirn brauchen? 

Trotz der Fähigkeiten verfügt die KI nicht über ein umfassendes Verständnis der menschlichen Emotionen und kulturellen Nuancen. Entscheidungen, die ein moralisches Urteil erfordern, sind in erster Linie dem Menschen vorbehalten. KI bietet wertvolle Unterstützung bei der Datenanalyse, aber strategische Entscheidungen, insbesondere in unsicheren oder neuartigen Situationen, erfordern menschliche Intuition. Und KI kann bei der Analyse von Kundendaten helfen, aber um die Dynamik von Kundenbedürfnissen zu verstehen, bedarf es einem gewissen Maß an menschlichem Einfühlungsvermögen und persönlichem Engagement. 

Die Fragen wurden schriftlich gestellt. 


Alle bisher erschienenen Folgen der Interviewserie mit Markenentscheider*innen zu KI lesen Sie hier. 

Laura Schenk (ls, Jahrgang 2002) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft und hat immer Lust, sich neuen Themenbereichen zu widmen. Eine besondere Vorliebe hat sie für kubistische Malerei und das Schreiben in all seinen Formen. Ihrer Heimatstadt Leipzig hat sie 2023 sogar einen Kurzgeschichtenband gewidmet. Sie studiert dort Kommunikations- und Medienwissenschaft und engagiert sich crossmedial bei Lokalzeitungen und beim Radio.