KI im Marketing bei Covestro

Covestro setzt zur Verbesserung von internen Wissensdatenbanken und Chatbots sowie in der Content-Kreation auf die Hilfe von KI, erklärt Dickon Purvis, Head of Marketing. Teil 17 der Serie Künstliche Intelligenz im Marketing.
Dickon Purvis Covestro
Dickon Purvis ist Head of Marketing im Segment Coatings and Adhesives bei Covestro. (© Covestro)

Herr Purvis, in welcher Weise setzt Covestro KI bereits ein?

Für Covestro ist Künstliche Intelligenz kein neues Thema. Wir nutzen entsprechende Modelle bereits seit geraumer Zeit zur Überwachung und Optimierung von Produktionsprozessen, so auch für die prädiktive Wartung. Mit dem Aufkommen generativer KI und von Large Language Models sehen wir gleichwohl eine deutliche Erweiterung der Anwendungsszenarien im Unternehmen.  

Bezogen auf den Kommunikations- und Marketingbereich arbeiten wir aktuell an der Implementierung der Technologie zur Verbesserung interner Wissensdatenbanken und von Chatbots sowie in der Content-Kreation. Perspektivisch sehen wir auch großes Potenzial in der Datenanalyse, interner Kollaboration und Sales Enablement. Die Entwicklung verläuft sehr dynamisch, aktuell entstehen praktisch im Wochenrhythmus neue Use Cases, die wir evaluieren wollen. 

Haben Sie vor, Ihren Mitarbeitenden ethische Leitlinien zum Einsatz von generativer KI an die Hand zu gegeben oder gibt es schon welche? 

Wir haben vor der Pilotierung entsprechender Tools zunächst den rechtlichen Rahmen abgesteckt, um den Mitarbeitenden größtmögliche Sicherheit in einem Themenfeld zu geben, das noch mit vielen offenen Fragestellungen versehen ist. Die ethische Diskussion knüpft daran an. Wir lassen uns dabei grundsätzlich von unserem unternehmensinternen Wertekanon leiten und diskutieren in projektbezogenen Communities intensiv aktuelle Fragestellungen, die sich aus dem Einsatz von KI-Tools ergeben.  

Ein konkretes Beispiel ist die Frage, ob wir KI-generierte Bilder besonders kennzeichnen wollen. Aus dieser Fragestellung ist eine Liste an Spielregeln für den Einsatz und Gebrauch bildgenerativer KI hervorgegangen, die wir Mitarbeitenden an die Hand geben. Aus meiner Sicht ist es wünschenswert, dass wir die Ergebnisse ähnlicher Diskussionen zukünftig stets verbindlich festlegen. Parallel dazu schulen wir bereits intensiv unsere Mitarbeitenden, wobei wir nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken der neuen Technologien in den Fokus rücken. Auf diese Weise tragen wir ebenfalls zu einem reflektierten Umgang mit den neuen Tools bei.   

Würden Sie eine persönliche Erfahrung, die Sie mit (generativer) KI gemacht haben, mit uns teilen? 

Deutsch ist nicht meine Muttersprache und manchmal echt kniffelig, gerade wenn es um Behördensprache und juristische Dokumente geht. Hier hat sich generative KI im Privaten als ein nützlicher Helfer herausgestellt. Im beruflichen Umfeld haben wir auch bei kreativen Aufgaben schon mal den Kürzeren gegen die KI gezogen. Im konkreten Fall ging es um die Entwicklung eines Claims für eine Social-Media-Kampagne. Fünf Vorschläge standen zur Auswahl, einer davon war KI-generiert. Der Vorschlag der KI machte am Ende das Rennen.  

Aus heutiger Sicht: Welche Aufgaben im Marketing wird die KI zuerst übernehmen? 

Aus meiner Sicht dürften wir kurzfristig den größten Nutzen von KI in drei Feldern sehen, wobei ich der KI eher eine unterstützende Rolle einräumen würde: Erstens die Beschleunigung und Optimierung sich wiederholender und klar durch Menschen definierter Tätigkeiten wie der Erstellung von Content, wobei ich auch bei Audio- und Videoformaten großes Potenzial sehe.

Zweites als wertvolles Tool zur Inspiration, für das Brainstorming und die Erweiterung der eigenen Perspektive bei spezifischen Problemen – einfach aufgrund der immensen Datengrundlage, mit der die KI trainiert wurde. Drittens dürfte die KI auch komplexe Aufgaben vereinfachen und erschwinglicher machen, etwa die Verarbeitung und Interpretation großer Datensätze, die Identifizierung und Visualisierung von Mustern oder auch die datenbasierte Optimierung von Kampagnen.  

In welchen Bereichen oder für welche Tätigkeiten wird es immer das menschliche Hirn brauchen? 

Jeder, der etwas mit generativer KI experimentiert, wird feststellen, dass die Technologie aktuell noch recht störanfällig ist. Kurzfristig wird es also immer noch den fachlich qualifizierten Menschen zur Qualitätskontrolle und Finalisierung des Outputs brauchen. Mittelfristig werden wir den Menschen benötigen, um ein Problem zu identifizieren, es zu verbalisieren und der KI die passenden Fragen und Aufgaben zu stellen.

Das gilt auch für den Bereich der Kreation. Auch dort wird es die menschliche Fantasie brauchen, um einen Bedarf zu formulieren, bei dem die KI unterstützen kann. Da die KI auf Basis bereits existierender Daten agiert, dürfte es für sie auch schwierig werden, wirklich originäre Inhalte zu kreieren. Insofern halte ich es für unwahrscheinlich, dass eine vollkommen autonom agierende KI die menschliche Leitung komplett ersetzen wird. 

Das Interview wurde schriftlich geführt.


Alle bisher erschienenen Folgen dieser Interviewserie mit Markenentscheider*innen zu KI lesen Sie hier:    

Folge 1: KI im Marketing bei SAP, Gespräch mit Kerstin Köder    

Folge 2: KI im Marketing bei Burger King, Gespräch mit Klaus Schmäing    

Folge 3: KI im Marketing bei Ritter Sport, Gespräch mit Franziska Kleinhans    

Folge 4: KI im Marketing bei Obi, Gespräch mit Christian von Hegel    

Folge 5: KI im Marketing bei Mercedes-Benz, Gespräch mit Bettina Fetzer    

Folge 6: KI im Marketing bei Tonies, Gespräch mit Claudia Lührs    

Folge 7: KI im Marketing bei Afri Cola, Gespräch mit Sven-Eric Frisch    

Folge 8: KI im Marketing bei Henkel, Gespräch mit Sarah Manseck    

Folge 9: KI im Marketing bei Nestlé, Gespräch mit Daniel Marschollek    

Folge 10: KI im Marketing bei Rossmann, Gespräch mit Petra Czora   

Folge 11: KI im Marketing bei Samsung, Gespräch mit Mike Henkelmann   

Folge 12: KI im Marketing bei Frosta, Gespräch mit Hinnerk Ehlers 

Folge 13: KI im Marketing bei Tchibo, Gespräch mit Kristina Büttner 

Folge 14: KI im Marketing bei der Gothaer, Gespräch mit Thomas Heindl

Folge 15: KI im Marketing bei Rewe, Gespräch mit Elke Wilgmann

Folge 16: KI im Marketing bei Otto, Gespräch mit Nicolai Johannsen

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.