Herr Wittwer, neben Privat- und Geschäftsreisenden als Gäste in Ihren Luxushotels bedienen Sie vor allem Eigentümer von Hotels als Zielgruppe. Zuletzt haben Sie „Kreen“ gegründet, eine Wortkombination aus „Kempinski“ und „green“. Wie wird Ihre Beratung für Energiemanagement angenommen?
WITTWER: Die Vermarktung dieser Dienstleistung ist schon erfolgreich gestartet bei unseren Eigentümern, deren offene Haltung gegenüber neuen Impulsen auch im operativen Geschäft greift. Mitunter treffen wir dort darauf, wo wir das am wenigsten erwartet hätten. So in Ajman, wo man förmlich im Öl schwimmt und Energie so gut wie nichts kostet, aber der der Wunsch da ist, im Bereich Erneuerbare Energien etwas zu tun. Dort haben wir auf dem Dach so viele Solarpanel installiert, dass über die Anlage der gesamte Energiebedarf für das Heißwasser abgedeckt ist. Wir erleben natürlich auch andere Fälle. Etwa in unserem Haus in Djibouti, das optimale Voraussetzungen für die Geothermie mitbringt. Dort sieht man aber leider nur die Kosten, aber jedoch den Benefit. Grundsätzlich sind die Eigentümer aber angesichts steigender Energiekosten und angesichts der Größe der Gebäude an mehr Effizienz im Energiemanagement sehr interessiert. Wir haben Kreen ja deshalb gegründet, weil wir für solche Services einen steigenden Bedarf sehen.
Worauf fußt Ihre Kompetenz für entsprechende Technologien und Gebäudekonzepte?
WITTWER: Wir sind bei Kreen ja nur Minoritätsgesellschafter. Die Kernkompetenz bringen die Stadtwerke Mainz und die Schweizer Beratungsfirma Marshfield Energy mit. Wir verstehen uns vor allem als Multiplikator und werden bei neuen Partnern, für die wir Hotels betreiben sollen, in den Verträgen aufnehmen, dass sie sich beraten lassen, ohne ihnen das aufzuzwingen. Insbesondere bei der Projektentwicklung für neue Häuser ist es doch wichtig, von Anfang an die richtigen Maßnahmen beim Bau zu berücksichtigen.
Wollen Sie weitere solcher Dienste aufbauen oder gibt künftig vielleicht sogar ganz andere Geschäftsfelder? Oder bleibt das Wachstum des Kempinski-Konzerns darauf beschränkt, in den kommenden drei Jahren die Zahl der Hotels um rund 40 auf fast 120 Häuser zu erhöhen?
WITTWER: Jein, antworte ich auf Ihre erste Frage. Denn man muss mit Nebengeschäften vorsichtig sein – sie müssen stets das Kerngeschäft unterstützen. Mit Kreen tun wir das. Denn diese Dienstleistung passt zu Luxus-Hotel-Management. Insofern ergibt sich daraus auch die Antwort auf Ihre zweite Frage: Ja, wir werden vor allem mit dem organischen Wachstum in unserem Hotelportfolio zulegen.
Welche Ländermärkte versprechen aus Ihrer Sicht die größten Chancen? Und für welche Destinationen sehen Sie eher Risiken für die Touristik?
WITTWER: Welche Hoffnungen wir in Afrika setzen, zeigt dort unser Ausbau: Wir eröffnen in Kürze das Gold Coast City in Accra, Ghana, und engagieren uns darüber hinaus mit der Simba Corporation erstmals in Kenia, wo wir zudem ein luxuriöses Safari-Camp direkt am Masai-Mara-Nationalpark übernommen haben. Gute Chancen haben auch Häuser im Jemen oder im Irak, wo die Belegungsquoten in Hotels bei 90 Prozent liegen. Eher Risiken sehe ich aus touristischer Sicht für Destinationen an der spanischen und italienischen Küste. Orte wie Rimini oder Marbella haben sich einen nachhaltigen Ruf als Ziele für Massentourismus erarbeitet. Kulturstädte, nehmen wir etwa St. Petersburg, haben dagegen für die nächsten Jahre ein großes Potenzial.
Beim Luxus soll die Wertschätzung je nach Kontinent auf verschiedenen Prioritäten liegen: Amerikaner verlangen überall gleich hohe Standards, Japaner mögen dann keinerlei Fehler, Europäern ist Individualität wichtig. Muss eine globale Luxushotelkette dann für das internationale Publikum alle verschiedenen Vorlieben an jedem Ort erfüllen?
WITTWER: Im Prinzip treffen wir mit unserem individuellen und authentischen Stil an jedem Ort die Bedürfnisse aller Gäste. Denn sie wollen allesamt auch die lokale Atmosphäre. Unsere Häuser eint, dass sich Gäste aus Amerika, Japan oder Europa alle in ihnen wohl fühlen, obwohl oder gerade weil sie von Ort zu Ort völlig verschieden sind.
Welche Technologien sehen Sie künftig verstärkt in Hotels Einzug halten – und zwar weltweit?
WITTWER: Eindeutig E-Commerce-Lösungen, was man allein am Buchungsverhalten sieht. Eigentlich alle Technologien, die mit Internet und Intranet zu tun haben. Aber wir Hoteliers sind technologisch keine Innovatoren, sondern Kopierer. Das am häufigsten Übernommene kommt aus dem Airline-Business. Und sicher gehört bald auf jedes Zimmer ein Tablet-Computer. Ich selbst bin kein IT-Freak, auch wenn ich viel mit meinem iPhone und iPad arbeite. Grundsätzlich ist unsere Branche auf diesem Gebiet sicher eine der rückständigsten, die es überhaupt gibt.
Jedes Bett auf dem Markt ist Konkurrenz
Könnte demnächst auf Sie mehr „Druck von unten“ entstehen durch Design-Low-Budget-Hotels von Anbietern wie Motel One, die billig und modern schick sind, während Luxushäuser mitunter schwülstig-barock wirken?
WITTWER: Was den Einrichtungsstil angeht, spielt der persönliche Geschmack natürlich eine große Rolle. Es gibt für beide Richtungen einen Markt. Aber ein Motel One und ein Kempinski sind zwei völlig verschiedene Welten. Andererseits ist natürlich jedes Bett, das auf den Markt kommt, eine Konkurrenz. Übrigens war ich gestern noch in Indien, wo wir ein neues Haus in Delhi eröffnet haben, dass entsprechend ultramodern ausgestattet ist mit einer fantastischen Architektur. Ich bin dann in unser anderes Hotel, das Leela Palace, gegangen. Ein klassischer Bau, der mir persönlich besser gefällt. Es gibt für beide Stilrichtungen einen Markt – ebenso wie für Luxus- oder Low-Budget-Hotel.
Für Hotels spielt die Auslastung eine große Rolle. Was tun Sie dafür über ein Entgegenkommen in der Preisgestaltung oder saisonale Anpassungen?
WITTWER: Lieber ein leeres Zimmer als ein Zimmer um jeden Preis zu füllen. Wir fahren eine Hochpreispolitik. In der Hotelbranche wird der Profit durch die Preise gemacht, nicht durch Masse. Ein Zimmer für tausend Euro zu verkaufen oder zehn für hundert oder hundert für zehn – je nach Modell haben Sie ganz andere Kostenstrukturen. Es ist in jedem Fall besser, ein Zimmer für tausend Euro zu verkaufen, denn die Gewinnmarge ist viel größer. Und es gibt leider nur einen Platz auf dem Podium für die Goldmedaille. Genau da wollen wir sein. Wir wollen nicht die Nummer drei oder vier in der Stadt sein, sondern der Marktführer. Denn der Marktführer kontrolliert die Preise in jeder Stadt. Die Nummer zwei muss immer darauf warten, welche Preispolitik der Marktführer macht, wodurch die Hände zum Handeln gebunden sind. Und der Dominoeffekt geht dabei immer weiter nach unten. Das Blutbad um Preise entsteht meist in der Mitte um die Masse. Nicht oben.
Ihre Empfehlung: Welche Ergebnisse muss ein Hotelier heute erreichen?
WITTWER: In Deutschland sollte der Gross Operating Profit über 25 Prozent liegen. Im Hotel „Vier Jahreszeiten“ in München, das einzige in unserem Eigentum stehende Haus, erzielen wir stolze 42 Prozent, was außergewöhnlich ist. Je nach Land kann der Wert zwischen 20 und 60 Prozent variieren. Für 2012 liefern wir das beste Ergebnis seit Bestehen der Firma ab. (lacht) Krise tut uns gut.
Erfolg durch Verknappung scheint beim Luxus ein legitimes Mittel. Wie tragen Sie dem Rechnung?
WITTWER: Wir haben mit unseren Managern die Hublot-Manufaktur besucht. Eine Hublot-Uhr kostet so um die 15.000 Schweizer Franken. Dann hat man uns eine Uhr für 500.000 Schweizer Franken gezeigt. Warum kostet die so viel? Weil es nur fünf Exemplare davon gibt. Fehlende Menge muss durch den Preis kompensiert werden. Auch darüber definiert sich Luxus. Ich nenne auch immer mein Beispiel von der Hermès-Krawatte. Krawatten ähneln sich sehr, sind oft aus Seide. Die Hermès-Krawatte ist gegenüber einer Armani-Krawatte, was ja auch nicht gerade Billigware ist, um 34 Prozent teurer. Der Hermès-Effekt in der Mode sollte unser Effekt sein mit der Marke Kempinski, die teurer ist, weil sie besser ist in Service- und Produktqualität. Leere Zimmer kann man dann auch mit den höheren Preisen kompensieren.
Die Touristik erlebt wie der Immobilienmarkt die digitale Revolution im Vertrieb über Online-Kanäle besonders stark. Wie gestaltet sich dieser Teil der Buchungen bei Ihnen bis hin zu mobilen Anwendungen?
WITTWER: Die Online-Buchungszahlen gehen jedes Jahr nach oben. Welchen Anteil sie in fünf, sechs Jahren einnehmen, weiß ich nicht. Rund ein Viertel der Buchungen kommt mittlerweile über elektronische Vertriebskanäle.
Haben Luxushotels der Marke Kempinski aber in Buchungsportalen wie HRS eigentlich nichts zu suchen?
WITTWER: Doch, wir sind in den wichtigsten Buchungsportalen vertreten.
Ohne Angst vor der Preistransparenz?
WITTWER: Nein, die auch für uns wichtigste Frage ist die der Transaktionskosten. Bei GDS (Global Distribution System; Anm. d. Red.) liegen die bei rund fünf Prozent zuzüglich zehn Prozent Kommission für nicht verhandelte Raten. Bei unserer eigenen Website entstehen diese Kosten nicht, also werden wir versuchen, den Traffic auf unser Internetangebot zu lenken. Wir investieren deshalb stark in unser eigenes Online-Marketing für unsere Website, aber kaum ins Consumer Marketing etwa über Anzeigen. Wir wollen unsere Internetpräsenz so attraktiv wie möglich gestalten.
Ist Ihre Klientel überhaupt aktiv mit Bewertungen oder sonst empfänglich für den Austausch in sozialen Netzwerken?
WITTWER: Unsere Statistiken zeigen durchaus schon einen regen Austausch, der aber noch nicht so stark und flächendeckend ausgeprägt ist. Aber wir beobachten die Entwicklung sehr genau und messen das. Auf jeden Fall nimmt der Austausch spürbar zu.
In der Regel erwarten Ihre prominenten Hotelgäste absolute Diskretion und Verschwiegenheit. Wie wichtig ist für Sie, dass bekannte VIP in Medien ihrer Marke zugeordnet werden Kommen?
WITTWER: Der Nachhall auf die Bilder von Michael Jackson mit seinem Baby auf dem Balkon des Adlon in Berlin war schon enorm. Und natürlich hat sich unter den entsprechenden Gästen schon vorher herumgesprochen, dass sie eine Suite buchen, in der vorher auch Barack Obama im Bett gelegen hat. Wir selbst behandeln Aufenthalte von VIP aber absolut diskret. Echte Persönlichkeiten aus dem Showgeschäft sind außerdem schon so bekannt, dass sie mehr Publicity nicht nötig haben. Wir haben sogar Gäste, die nutzen deshalb extra die Hintereingänge.
Wie „absatzwirtschaft“ kürzlich exklusiv berichtete hat sich in Ihrem „Adlon“ in Berlin nach der Ausstrahlung des ZDF-Dreiteilers allein die Zahl der Zimmeranfragen vervierfacht. Haben Sie überhaupt nötig, mit Ihren Häusern selbst Productplacement zu betreiben?
WITTWER: Das war schon eine außergewöhnliche Resonanz. Wir haben sonst rund 200 Visits auf der hoteleigenen Website, am Sonntagabend nach der ersten Folge ist die Zahl der Visits plötzlich auf eine Million hochgeschnellt, so dass der Server schon drohte in die Knie zu gehen. Die Notwendigkeit zu solchen Auftritten besteht für uns zwar nicht, aber wer freut sich nicht über so ein positives Echo. Wir haben sogar selbst mal überlegt, einen Kempinksi-Film zu drehen. Aber professionell auf Top-Niveau ist so etwas sehr aufwändig.
„Wir bieten Zugang zu zahlungskräftigen Gästen“
Sehen Sie in Partnerschaften wie mit BMW auch in anderen Feldern noch zusätzliches Potenzial? Und was muss die andere Seite dafür mitbringen?
WITTWER: Bei uns kümmert sich jemand eigens um solche Partnerschaften. Kurz gesagt: die Marken müssen einfach zueinander passen. Wir bieten immerhin einen Zugang zu einem zahlungskräftigen Gästepotenzial. Zum Kempinski-Konzern passt auf dieser Ebene beispielsweise ein Luxusgüter-Konzern wie Richmond.
Apropos zueinander passen: Zur Chefsache haben Sie das Werben um den Führungskräftenachwuchs erklärt, denn Sie benötigen nach eigenem Bekunden allein für die Expansion mit weiteren Hotels insgesamt rund 10.000 zusätzliche Kräfte. Wie locken Sie angehende Manager?
WITTWER: Zunächst einmal werden 98 Prozent aller neuen Kempinski-Mitarbeiter lokal rekrutiert. Meine Initiative für Führungskräfte verfolge ich etwa, indem ich persönlich an Fachschulen weltweit für einen Einstieg bei uns werbe.
Ihre Branche ist aber nicht gerade bekannt für die gute Bezahlung. Was können Sie Managern denn Besonderes bieten – oder den Arbeitsbienen unter dem Hotelpersonal wie Reinigungskräften?
WITTWER: Am Anfang mag das, was Sie da über die Bezahlung sagen, vielleicht stimmen. Aber die Aufstiegschancen sind doch enorm, gerade weil unsere Branche zumindest für das Top-Niveau ein nicht zutreffendes Image genießt. In der Hotellerie kann man sich noch immer vom Koch bis zum Generaldirektor hocharbeiten. Und wer international denkt wird immer einen Job haben. In welchen Branchen haben Sie diese Sicherheit heute noch? Mit der Ausbeutung in Billigrestaurants haben unsere Berufsperspektiven wirklich nicht gemein.
Im Hotelbetrieb Ihrer Art bräuchten Sie keine dressierten, sondern authentische Mitarbeiter, haben Sie einmal die Anforderungen beschrieben. Sind diese Typen nicht aus solchem Holz geschnitzt, dass sie in attraktiveren Branche eine Führungsposition anstreben – etwa in Selbstständigkeit. Und ist Ihr Verständnis von Führung nicht sogar so geprägt, dass Sie diesen Menschen dazu raten müssten?
WITTWER: Von einhundert Führungskräften ist vielleicht ein Entrepreneur dabei. Oft fehlt schlicht das nötige Kapital, um in unserer Branche ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Der Führungskräftenachwuchs muss zunächst mal eine Dienstleistungsmentalität mitbringen. Es geht eigentlich permanent auf allen Ebenen darum, den Hotelgast offen und ehrlich zu fragen: „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Diese Service-Attitüde ist elementar, dann lässt sich auch viel erreichen. Und ich weise noch einmal darauf hin: Das Essen, Trinken und Schlafen kommt nie aus der Mode. Ich weiß noch, wie eine zeitlang jede Führungsnachwuchskraft partout Banker werden wollte. Heute sind viele von ihnen arbeitslos – und mussten schon längst ihren Porsche verkaufen.
Sie selbst sind als Jungunternehmer mit einer Disco pleite gegangen, und mussten als Kempinski-Chef die Aufgabe des Hauses in Heiligendamm hinnehmen. Was lernt man vom Scheitern?
WITTWER: Jedes Scheitern ist gut, wenn man daraus lernt. Dumm wäre nur, zweimal den gleichen Fehler zu begehen. Kraft schöpft man aus der Analyse, wo, was, warum schief gelaufen ist. Im Tagesgeschäft schleichen sich Fehler oft langsam aber stetig ein. Das ist fast vergleichbar mit einer sich nach und nach verschlechternden Beziehung, die natürlich dann zum Scheitern verurteilt ist, wenn man nicht rechtzeitig das Ruder rumreißt. Ein Abdriften in eine Schieflage oder gar auf die schiefe Bahn ist ohne Gegensteuern unvermeidlich. Aber ein Scheitern hat mich noch nie um den Schlaf gebracht – auch das in Heiligendamm nicht. Man muss nur die richtigen Schlüsse ziehen.