Von Christoph Driessen, dpa
„Was ist ein Shitstorm?“, fragt der Mann im dunklen Jackett. Die Seminarleiterin schaut in die Runde: „Weiß das jemand?“ Ja, antwortet ein anderer Teilnehmer, das sei „wenn alle gegen einen schreiben“. Es könnte ein ganz normaler Workshop zu sozialen Netzwerken sein – wären da nicht das große Kruzifix und das barocke Heiligengemälde an der Wand. Schauplatz der Fortbildung ist das Erzbischöfliche Priesterseminar in Köln.
Das größte katholische Bistum in Deutschland lässt hier erstmals 50 junge oder werdende Priester in einem zweitägigen „Smart Camp“ schulen. Sie sollen sich mit Instagram, Youtube und Bloggen vertraut machen – und vielleicht sogar selbst zu Influencern entwickeln. Ein ehrgeiziges Projekt, denn unter Influencern versteht man normalerweise jugendliche Idole, die durch ihre enorme Reichweite Lebensstile beeinflussen können. Passt das wirklich zu Priestern?
„Ja“, ist die klare Antwort von Prälat Hans-Josef Radermacher, Chef des Priesterseminars. „In meiner Fantasie ist das eine große Chance. Ich finde das enorm spannend.“
Erste Übungen werden am ersten Seminartag schon praktiziert: Chukwuma Maduwuba filmt mit dem Handy Francis Xavier Antony, der die Aufgabe hat, die positive Charakterzüge seines Glaubensbruders George Njonge herauszustellen. Henrik Land (25), der im Sommer im Kölner Dom zum Priester geweiht werden soll, findet es „ganz schön cool hier“.
Entfernt von digitaler Lebenswirklichkeit der Teenager
Der Gesprächsbedarf der Teilnehmer ist groß, die Fragen prasseln nur so auf die Referenten ein. Gleichzeitig wird deutlich: Vielen Priestern ist die digitale Lebenswirklichkeit von Teenagern fremd. „Die Jungen haben ihre eigene Sprache“, sagt ein Teilnehmer, der selbst auch noch keine 30 sein dürfte. „Die benutzen Codewörter, die ich nicht verstehe.“
Diakon Christian Jasper ist dagegen schon länger auf Facebook und Instagram unterwegs. „Die sozialen Medien sind kein Teufelswerk“, sagt er. „Wir müssen alle Kanäle nutzen, um unsere frohe Botschaft zu verbreiten.“ Er kann sich sogar vorstellen, über ein Modethema zu sprechen: „Warum trage ich priesterliche Kleidung?“
„Wir versuchen zu zeigen: Wie funktionieren die Kanäle, was können wir mit den sozialen Medien machen, wie können wir Werte transportieren?“, erklärt Stefan Krause, Leiter der Agentur, die die „Smart Camps“ anbietet. Er ist zum ersten Mal in einem Bistum aktiv. „Die Erzdiözese Köln ist innovativer Vorreiter“, lobt er.
Nicht alle Priester haben Zeit für digitale Medien
Macht die Initiative Sinn? Der Politikwissenschaftler und Kirchenkenner Andreas Püttmann („Gesellschaft ohne Gott“) meint, es sei sicher richtig, wenn die Kirche versuche, alle Kommunikationskanäle zu nutzen. Allerdings frage er sich, ob die wenigen noch vorhandenen Priester wirklich Zeit dafür hätten. Es gebe schon genug Überlastungsprobleme im Klerus.
Das sieht Prälat Radermacher ganz anders: „Das Argument ‚keine Zeit‘ würde für mich nicht gelten“, sagt er. „Die ein oder zwei Stunden, die ich auf die Sonntagspredigt verwende, die kann ich auch noch zusätzlich für einen Youtube-Film investieren.“ Verkündigung sei der ureigenste Auftrag des Priesters. „Da kann man besser andere Dinge weglassen.“