Schwarz und glatt. So erwarten noch immer viele Manager*innen in Japans Unternehmen die Haare ihrer Mitarbeitenden. Experimente mit Frisuren am Arbeitsplatz sind mitunter noch immer ungern gesehen. Blondiertes Haar erst recht nicht. Die Süddeutsche Zeitung berichtet sogar von Schulen, die Strähnchen oder Pferdeschwänze verbieten. Teilweise mussten Menschen sogar zertifizieren, dass ihre Haarfarbe natürlich ist.
Was in Deutschland eine absolute Selbstverständlichkeit ist, führte eine Supermarktkette im Jahr 2022 ein: Die freie Wahl der Haarfarbe für Mitarbeitende. Das Unternehmen hatte es seitdem leichter, seine Stellen zu besetzen. Insbesondere junge Menschen bewarben sich eher. Dieser minimale Zugewinn an Freiheit zeigt vor allem eins: Japans Arbeitswelt ist noch immer sehr konservativ. Doch nicht nur im einigermaßen absurden Bereich der Haarfarben zeigte sich der asiatische Staat bislang wenig vorbildlich.
Tod durch Arbeitsstress
Die meisten Japaner*innen bekommen gerade einmal 20 Urlaubstage. Und häufig nehmen Arbeitnehmende auch gar nicht die volle Zahl der Tage – weil sie ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal sein wollen. Vor allem aber ist der übertriebene Einsatz bei der Arbeit so institutionalisiert, dass es einen eigenen Begriff für den Tod durch Stress bei der Arbeit gibt: Karōshi. 54 Menschen sollen im Japan im vergangenen Jahr an dieser Todesursache gestorben sein. Dunkelziffer unbekannt.
Umso überraschender also, dass Japan uns mal eben droht in Sachen New Work rechts zu überholen. Eine Bewegung in Richtung einer besseren und innovativen Arbeitswelt – das zeigt die Situation deutlich – ist für Japan weniger nice to have, sondern bitter notwendig. Das hat auch die Regierung in Tokio erkannt.
Denn nicht nur die hohe Zahl an Überstunden, sondern auch der generelle Mangel an Fachkräften ist ein Problem im Land. Unter anderem aufgrund des demografischen Wandels. Und spätestens hier dürfte auch den deutschen Leuchten ein Licht aufgehen: Maßnahmen sind nötig.
Finanzielle Zuschüsse für Vier-Tage-Woche
In Japan soll es künftig für Unternehmen attraktiver sein, die Vier-Tage-Woche einzuführen. Unter anderem werden kostenlose Beratung und finanzielle Zuschüsse gegeben. Außerdem erzählt das Ministerium Erfolgsgeschichten von Beispielunternehmen, die die Vier-Tage-Woche eingeführt haben.
Immerhin acht Prozent der Unternehmen geben ihren Angestellten bereits drei freie Tage in der Woche. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Anteil an Unternehmen, bei denen die Sechs-Tage-Woche noch die Regel ist, liegt bei sieben Prozent. Also fast genauso hoch. Das ist hierzulande fast undenkbar.
Ein Unternehmen, das bei der Vier-Tage-Woche mitspielt, ist Panasonic. So richtig angelaufen ist das System aber noch nicht. Der „Independent“ berichtet, dass von 63.000 Mitarbeitenden gerade einmal 150 die Arbeitszeit reduziert haben.
Ist Japan ein Vorbild?
Dass der Druck in Japan aber wohl doch gar nicht immer so hoch ist, wie es häufige Diskussionen vermuten lassen, lässt sich auch in einem Bereich ablesen: Dem Profisport. Der ist sonst nicht gerade für Zurückhaltung und mangelnden Druck bekannt: John Patrick, Trainer in der Basketball-Bundesliga, hat zwischen zwei Amtszeiten in Ludwigsburg in der japanischen Basketball-Liga gearbeitet. In der FAZ berichtete er davon, wie er die Batterien in zwei Jahren als Trainer dort aufgeladen hat: „In Japan wird man nicht so ausgezehrt, es herrscht weniger Druck”, sagt er.
Ist Japan also tatsächlich ein Vorbild? Eher nicht. Denn auch sonst gibt es viele Dinge, an denen sich unsere Arbeitskultur sicherlich kein Vorbild nehmen muss. So werden Mitarbeitende noch immer häufig nach Dienstjahren befördert und nicht nach Leistung. Auch deshalb ist die Fluktuation in Unternehmen niedriger als hierzulande. Einen positiven Nebeneffekt hat das aber schon: Sind in Deutschland größere Gehaltserhöhungen häufig leichter durch den Wechsel eines Arbeitgebers zu bekommen, wird in Japan häufig Loyalität belohnt.
Doch das und Zuschüsse zur Vier-Tage-Woche allein sorgen noch nicht für einen echten Wandel der Arbeitswelt. Sie sind höchstens ein Anfang, den die japanische Arbeitswelt bitter nötig hat. Also nein, ein Vorbild ist Japan (noch) nicht. Aber wir sollten daran arbeiten, innovativ zu bleiben, damit das Urteil nicht in wenigen Jahren anders aussieht. Und die verbleibenden Fachkräfte sich ausgebrannt abmelden.
Auf eine stressarme Woche!