Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen mit 257 nahezu unverändert geblieben. Könnte es in diesem Jahr mehr Transaktionen geben?
Die M&A-Aktivität nimmt dieses Jahr deutlich zu. In den ersten vier Monaten haben wir 20 Prozent mehr Deals als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum registriert. Konkret erhöhte sich die Zahl der Käufe, Verkäufe, Beteiligungen und Joint-Ventures – auf 104. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum waren es lediglich 88.
Hat auch das Deal-Volumen zugenommen?
Nein, das Volumen der Transaktionen (gemessen am Umsatz, nicht an den Kaufpreisen) liegt bisher deutlich hinter dem Vorjahr. Im vergangenen Jahr sahen wir aber auch in diesem Zeitraum den Zusammenschluss von Springer Science+Business Media und dem Großteil von Macmillan Science and Education mit einem Volumen von mehr als 1 Milliarde Euro. Dies fehlt in den 4-Monatszahlen diesen Jahres.
Woher kommt der überraschende Zuwachs an Transaktionen?
Verantwortlich für den Zuwachs sind in erster Linie die großen Publikumsverlage, die verstärkt in Start-ups investieren. Sie drängen vor allem in den Bereich E-Commerce. Konkret hat sich hier die Zahl der registrierten Transaktionen in den ersten vier Monaten auf 23 erhöht, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es lediglich 13. In den anderen Sektoren wie Fachmedien mit 15 (Vorjahr 17), Publikumsmedien 17 (16), Tageszeitungen 11 (10), Buchverlagen 8 (8) oder Buchhandel 16 (11) bewegen sich die Transaktionen hingegen auf überwiegend Vorjahresniveau.
Warum investieren die Publikumsverlage stärker in Start-ups?
Sie verlieren im traditionellem Verlagsgeschäft, erstens an verkauften Auflagen, und zweitens verschieben sich die Werbeerlöse weg von Print stärker zu den digitalen Formaten. Außerdem haben die großen Medienkonzerne natürlich auch die notwendige Infrastruktur, um weltweit in Start-ups zu investieren. Ob Burda, Bauer, Bertelsmann oder Axel Springer – alle Unternehmen verfügen über einen Venture-Arm und gehören daher im Digitalen zu den stärksten Start-up-Investoren. Im Mittelstand ist das nicht der Fall.
Sie sagen, vor allem E-Commerce-Firmen seien in das Visier der Verlage geraten. Warum das?
Die großen Publikumsverlage haben eine sehr systematische Digitalstrategie. Sie sind bereits sehr breit in mediennahe digitale Geschäftsfeldern wie der Anzeigenvermarktung oder mit journalistischen Portalen mit mehr oder weniger vorhandenen Paid-Content-Modellen investiert, nicht zuletzt auch durch Übernahmen und Beteiligungen. E-Commerce bietet sich als ein weiteres Wachstumsfeld an, um die Erlösseite zu stärken.
Das Wirtschaftsklima in Deutschland ist günstig, an den Kapitalmärkten ist viel Liquidität, die Zinsen sind niedrig. Beflügelt dies das Transaktionsklima?
Zweifellos. M&A-Aktivitäten sind strategische Investitionen und erfordern immer das Grundvertrauen in die eigenen Wachstums- und Ergebnisziele. Dies gilt für Käufer wie für Verkäufer. Der Rückenwind, den ein funktionierendes konjunkturelle Umfeld liefert, erhöht daher die Bereitschaft zu M&A-Deals, besonders auch in den mittelständisch geprägten Verlagssegmenten. Großkonzerne hingegen sind bei ihren Investments nicht so konjunktursensibel.
Nun versucht der Spiegel-Verlag im Anzeigenbereich mit einem anderen Medienhaus zu kooperieren. Im Gespräch sind hier Gruner + Jahr und Burda. Werden solche Kooperationen zunehmen?
Kooperationen machen immer Sinn. Sie würden sich auch in meinen Transaktionsmonitor wiederfinden, wenn es sich um Joint-Ventures handelt. Ich gehe davon aus, dass die Verlage stärker zusammenrücken; in der Anzeigenvermarktung sehen wir das ja bereits. So kooperiert der Jahreszeiten-Verlag mit Medweth, Springer und Funke arbeiten bei Media Impact Hand in Hand. Zudem haben jüngst die Regionalzeitungsverlage mit Score Media eine Vermarktungs-Allianz gebildet.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor einigen Jahren das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) novelliert. Jetzt wird an einer Novellierung gearbeitet. Glauben Sie, dass das Wettbewerbsrecht für Medienunternehmen gelockert wird, weil neue Marktriesen wie Google, Facebook auf den Markt drängen?
Diese Diskussion ist sehr nachvollziehbar. Die Märkte lassen sich immer weniger national definieren, und verändern sich technologiebedingt mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit. Es treten ferner neue Wettbewerber wie Google und Facebook & Co. auf. Deswegen sollte das alte, nationale Wettbewerbsrecht in der Definition der relevanten Märkte weiter entwickelt werden.
Glauben Sie, dass sich da was tut?
Das Kartellamt hat bereits vor drei Jahren das Wettbewerbsrecht behutsam novelliert, indem es die Umsatzschwellen gesenkt hat. Ich rechne damit, dass sich das Gesetz nach dem nächsten Referentenentwurf weiter verändert. Dennoch ist die Politik vor allem bei den Tageszeitungen nach wie vor sehr vorsichtig, um zu viel Medienmacht in einer Hand zu regulieren. Es geht hier nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern auch um medienpolitische Erwägungen. Diverse Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass das Kartellamt zu keinen Eingeständnissen bereit ist, wenn die Medienmacht einzelner Teilnehmer zu bedeutend werden könnte: die Übernahme von Pro Sieben Sat 1 durch Axel Springer wurde vor einigen Jahren von den Wettbewerbshütern untersagt. Vor wenigen Wochen hat die Medien Union Ludwigshafen den Antrag auf eine höhere Beteiligung am benachbarten Mannheimer Morgen zurückgezogen, nach mehr als einem Jahr intensiver Prüfung durch das Kartellamt.