Reine Männerclubs an der Spitze großer Unternehmen sollen bald der Vergangenheit angehören. Das ist das Ziel des „zweiten Führungspositionen-Gesetzes“ der großen Koalition, über das am Donnerstag zum ersten Mal im Bundestag beraten wurde. Bei der Neubesetzung von Vorstandsposten müssen demnach Frauen künftig stärker berücksichtigt werden. Vertreter der Regierungsparteien sprachen von einem großen Schritt. Von der Opposition kam Kritik: Linken und Grünen gehen die Pläne nicht weit genug. AfD und FDP kritisierten Eingriffe in die unternehmerische Freiheit.
„Meilenstein für die Gleichstellung„
Der Frauenanteil in Vorständen liege heute bei gerade etwas über zehn Prozent, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Das sei weder zeitgemäß noch gerecht und im internationalen Vergleich beschämend gering. Es brauche feste Vorgaben, denn freiwillig tue sich leider nichts oder viel zu wenig. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach am Donnerstag von einem „Meilenstein für die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen“.
Konkret sieht das Gesetz vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als drei Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss. Das muss bei Neubesetzungen der Posten berücksichtigt werden. Auch wenn oft von einer Frauenquote die Rede ist, handelt es sich hier nicht um eine Quotenregelung, da es keine prozentualen Vorgaben gibt, sondern eine Vorgabe für eine Mindestbeteiligung.
Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes sieht das Gesetz strengere Regeln vor: Hier soll generell bereits bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau sein.
Für Aufsichtsräte gibt es schon eine Frauenquote
Ein „Erstes Führungspositionen-Gesetz“ gibt es schon seit 2015. Es gilt für Aufsichtsräte. Firmen ab einer bestimmten Größe – in der Regel ab 2000 Beschäftigten – müssen demnach freiwerdende Posten in dem Kontrollgremium mit Frauen neubesetzen, bis mindestens ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist. Dort wo die Frauenquote gilt, liegt der Frauenanteil inzwischen bei mehr als 35 Prozent.
Mit dem Gesetz für Vorstände soll nun auch auf der Ebene der Top-Management-Positionen Bewegung reinkommen. Der Entwurf wird nach der ersten Lesung nun zunächst in den Bundestagsausschüssen weiterberaten. Wann eine Schlussabstimmung stattfindet, ist noch unklar. Auch der Bundesrat muss sich noch damit befassen.
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Opposition unzufrieden
Kritik kam aus der Opposition. Die AfD warf der Koalition vor, mit „staatlichem Dirigismus“ ideologische Vorstellungen durchsetzen zu wollen. Die FDP sprach von Einmischung in die unternehmerische Freiheit und forderte stattdessen bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in hohen Positionen.
Linke und Grüne kritisierten dagegen, der Entwurf gehe nicht weit genug, betreffe zu wenige Unternehmen. Beide Parteien forderten echte Quoten für die Besetzung von Vorständen. „Das ist kein Fortschritt. Das ist Symbolpolitik“, sagte die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws.
DGB begrüßt Mut zur Frauenquote
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte das Vorhaben grundsätzlich, forderte aber ebenfalls weitergehende Maßnahmen. «Auch wenn wir uns durchaus mehr Mut zur Quote wünschen – mit dieser Gesetzesvorlage wird die gläserne Decke endlich weiter eingerissen», sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der Deutschen Presse-Agentur.
Die Organisation Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte), die sich seit Jahren für das Thema einsetzt, äußerte sich ähnlich: „Das Mindestbeteiligungsgebot im Vorstand ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe“, sagte Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow der dpa. Sie kritisierte gleichzeitig, dass es nur für wenige Unternehmen und auch nur bei Neubesetzungen gelte.
Nach Angaben der Organisation, die die Entwicklung der Besetzung von Aufsichtsrats- und Vorstandsposten ständig verfolgt, fallen unter die Neuregelung aktuell 67 börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen. 26 davon haben demnach bisher keine Frau im Vorstand.
Das „Thomas-Prinzip„
Die CDU-Abgeordnete Nadine Schön spannte den Bogen in der Debatte noch ein Stück weiter. Das Problem löse man mit dem Gesetz allein nicht. Es gehe um kulturelle und strukturelle Veränderungen. „Und das heißt: Kampf dem Thomas-Prinzip“.
Der Begriff kommt in der Debatte über „Männerclubs“ in Führungsetagen immer wieder vor. Dahinter steht der Gedanke, dass wenn in Führungsgremien viele ähnlich alte Männer mit ähnlichen Namen und ähnlichem persönlichen Hintergrund sitzen, sie auch eher ähnlichen Männern Karrierewege öffnen.
he/dpa