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Das Rätselraten war groß: Mit welchem Content-Produkt würde Kai Diekmanns und Philipp Jessens vielgehypte Digitalagentur StoryMachine debütieren? Mit einem großen Wurf, einem Big Bang?
Seit Mittwoch ist klar: „Zaster“ lautet die Antwort – doch die fällt unerwartet klein aus. Zaster übt sich in Minimalismus – optisch, aber vor allem inhaltlich. „Zaster betrachtet alles durch die Geldbrille, will Lust auf Geldanlage machen und das Tabuthema Geld aufbrechen“, lautete dabei noch Diekmanns Mission Statement.
Viel Nachholbedarf bei der Geldanlage
Keine Frage: Das Thema Geldanlage hat in der Bundesrepublik Nachholbedarf, der größer kaum sein könnte. Kaum eine Nation verhält sich beim Thema Geldanlage dilettantischer als die Bundesbürger. Gerade mal zehn Millionen Deutsche besitzen Aktien oder Aktienfonds – nur jeder Achte also. In den USA ist es mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) steckt seit Jahrzehnten erkleckliche Summen in Aufklärungskampagnen zur Stärkung der Aktienkultur. Allein: Nachhaltigen Erfolg hatte bis heute keine, zu tief scheinen die Wunden aus den Crash-Zeiten des Neuen Markts und der Finanzkrise 2008/9.
Dass die Bundesbürger in Zeiten jahrelanger Niedrigzinsen damit selbst höchst aktiv an ihrer Altersarmut mitarbeiten, ist längst bekannt, am Ende aber kaum aus dem sicherheitsbewussten deutschen Charakter auszutreiben. Kaum eine andere Nation scheut auch nur ein Fünkchen Risiko wie der Teufel das Weihwasser. Lieber Billionen Euro auf den Tagesgeldkonten durch die Inflation entwerten zu lassen, als auch nur eine halbe unruhige Nacht durch eine viertelprozentige Kurschwankung zu riskieren.
Zaster fehlt inhaltliche Tiefe
Einen neuen Anlauf, das Verhältnis zum Tabuthema Geld zu verbessern, nimmt nun StoryMachine mit Zaster, dem diese Woche gestarteten Finanzportal. Die Motivation hinter dem Launch hat unterdessen keinesfalls missionarischen Charakter, sondern ist Content Marketing in seiner Reinkultur: Zaster ist das Inhalte-Vehikel, um dem von Kai Diekmann und Top-Banker Leonhard Fischer aufgelegten „Zukunftsfonds“ den nötigen Buzz zu verschaffen, selbst wenn er redaktionell nicht direkt beworben werden soll, wie es heißt.
Menschen, die das Wort Zaster verwenden, nutzen auch „knorke“, „töfte“ und „Schmackofatz“.
— Thomas Knuewer (@tknuewer) May 18, 2018
Inhaltlich jedoch fehlt der Initiative die nötige Tiefe. Zaster, das seltsam gewöhnungsbedürftig klingt und eigentlich an der urbanen Millennial-Zielgruppe vorbeigeht, wählt inhaltlich die falsche (Anlage-)Strategie. „Informativ. Unterhaltsam. Alles ums Geld“, lautet der Claim. Informiert wird in den Rubriken: Geld, Sparen, Steuern, Versicherung, Vorsorge, Immobilien, Leben, Karriere, Reisen – was so sexy klingt wie die Kategorien von Finanztest mit einer Prise des jungen Wirtschaftsmagazins „Bizz“ aus den späten 90er-Jahren.
„Jetzt aufschlauen“: snackable Smartphone-Content für die Bento-Zielgruppe
Beim Bemühen, die junge Zielgruppe der Mitte Zwanzig- bis Dreißigjährigen mit snackable Content auf dem Smartphone irgendwo zwischen der Bushaltestelle, der Uni-Prüfung oder nächsten Mittagspause abzuholen, wird eine Bento-eske Ansprache („Jetzt aufschlauen“) und Lebenswirklichkeit bemüht.
Zu lesen sind etwa Artikel wie:
Wieviel Weltreise bekommt man für 1000, 5000 oder 10.000 Euro?
Ein Interview mit Clueso: „Früher habe ich gar nicht gespart“
100 Fragen, die Sie sich noch nie zum Thema Geld gestellt haben.
Früher war ich erfolgreicher Architekt – das habe ich heute noch zum Leben …
Was kostet eigentlich ein Kind?
All das ist per se nicht uninteressant, mitunter launig geschrieben, es gibt auch ein paar wissenswerte To-Go-Facts für den nächste Bar-Small Talk. Nur eines ist es nicht: Eine ernst gemeinte Einladung, sich näher mit dem vermeintlich leidigen Thema der Geldanlage zu beschäftigen.
Zasters Kapitalfehler: Geld soll gespart statt angelegt werden
Vor allem eine Rubrik offenbart das Zaster-Desaster: Von „Sparen“ ist die Rede – nicht von „Anlegen“. Geld zu sparen, ist der eigentliche deutsche Kapitalfehler. Sparen bedeutet, sich Geld abknapsen, Geld irgendwohin zu verschieben (vermutlich am besten in den „Zukunftsfonds“). Sparen bedeutet eben nicht automatisch: eigenverantwortlich anzulegen, verschiedene Anlageklassen zu diversifizieren, Geld für sich gezielt arbeiten zu lassen. Denn das würde auch bedeuten, dass der Millennial-Anleger ein ausgabeaufschlagfreies ETF-Produkt (Indexfonds), das in 80 Prozent aller Fälle jeden Fonds schlägt, der vermeintlichen Sorgloslösung eines Investmentfonds (und damit des Zukunftsfonds) vorzieht.
Tatsächlich besteht das Zaster-Dilemma in der Verbindung des Zukunftsfonds, der 2 bis 4 Prozent Rendite (nach happigen Managementkosten von knapp 2 Prozent) verspricht, ohne dabei Risiken eingehen zu wollen. In einer Zeit, in der eine zehnjährige Bundesanleihe phasenweise mit unter 0,5 Prozent rentiert, ist das, freundlich formuliert, ein „Marketing-Gag“. Es gibt schlicht keine Garantie auf eine Rendite von 2 bis 4 Prozent ohne Risiken.
Millennials werden nicht für Aktienanlage sensibilisiert
Vor allem erscheint es unverzichtbar, dass der Leser mehr über die Vorzüge des gezielten Vermögensaufbaus erfährt. Warum sind Aktien nun der Königsweg zur Altersvorsorge und jeder anderen Anlageklasse überlegen? Welche Renditen hätte ein Investment in den Dax in den letzten 10, 20 oder 30 Jahren p.a. oder in den vergangenen 50 Jahren im S&P 50 und Dow Jones abgeworfen?
Um insbesondere die Millennial-Zielgruppe abzuholen, die technisch so affin ist wie keine andere potenzielle Anlegerklasse vor ihr: Was wäre mit einem frühen Investment in Facebook, Amazon oder Netflix drin gewesen? Warum investiert Warren Buffet so massiv in Apple, dass er den iKonzern zur größten Wette seiner überlebensgroßen Karriere macht? Und was könnten Millennials vom „Orakel aus Omaha“ für sich selbst lernen?
Es gibt Hunderte interessante Möglichkeiten, um sich Millennials in ihrer Lebenswirklichkeit zu nähern und sie zu mündigen Investoren zu machen. Doch nichts davon ist in Zaster zu lesen. Der Grund ist naheliegend: Das Content Marketing-Portal hat daran kein Interesse. Es möchte den Leser vielleicht für Geld sensibilisieren, dürfte ihn dann am Ende aber schnell in die Fondswelt lotsen wollen – am besten zum eigenen Produkt.