Von Teresa Dapp und Andreas Hoenig, dpa
Der Onlinehandel boomt – aber es gibt Schattenseiten: Eigentlich noch hochwertige Waren werden vernichtet, um damit Platz in den Regalen zu schaffen. Oder Produkte werden weggeworfen, weil das günstiger ist, als zurückgesandte Artikel wieder neu anzubieten. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Gesetzesänderungen gegen die Vernichtung von Waren im Handel auf den Weg gebracht. Außerdem sollen Müll durch Einwegbecher und Zigaretten verringert werden. Konkrete Schritte müssen aber noch über Verordnungen geregelt werden.
Weniger Abfall, mehr Recycling
Weniger Abfall, mehr Recycling – das sind die Hauptziele der Bundesregierung. Konkret geht es um eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Das Umweltministerin spricht von drei zentralen Maßnahmen. Zum einen geht es um weniger Müll bei zurückgeschickten, aber neuwertigen Waren – Stichwort: Retouren-Vernichtung. Zum anderen sollen recycelte Produkte Vorrang in der öffentlichen Beschaffung von Bundesbehörden bekommen – Beispiele sind Smartphones für Beschäftigte mit austauschbaren Akkus oder recyceltes Druckerpapier.
Und: Wer Produkte wie Einweg-Becher oder Zigaretten in Verkehr bringt, soll sich an den Reinigungskosten von Parks und Straßen beteiligen. Das zahlt bisher der Bürger über kommunale Gebühren. Insgesamt will Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) Hersteller und Händler stärker in die Pflicht nehmen.
Die Schatten des Online-Booms
Immer mehr Waren werden im Internet bestellt – viele werden aber zurückgesendet, weil die Hose nicht passt oder das Weihnachtsgeschenk nicht gefällt. Schätzungsweise 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel seien im Jahr 2018 in Deutschland an Onlinehändler zurückgeschickt wurden – das sei jedes sechste ausgelieferte Paket, ergab eine im vergangenen Frühjahr vorgelegte Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg. Besonders häufig zurückgeschickt würden Schuhe und Kleidungsstücke.
Das Ausmaß der sogenannten Retouren-Vernichtung ist im Detail nicht genau bekannt. Händler sollen nun zunächst gezwungen werden, offenzulegen, ob sie Waren vernichten und wie viele. Es soll eine „Obhutspflicht“ geben. Eine Möglichkeit sei es, die Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden. „Neuwertige Waren einfach wegschmeißen, einfach verbrennen, so kann man mit den Ressourcen nicht umgehen“, sagte Schulze. Sie will aber auch die Kunden in die Pflicht nehmen: „Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich natürlich auch fragen, ob es für die Umwelt wirklich gut ist, viele Artikel zu bestellen und die Hälfte dann wieder zurückzusenden.“ Damit seien Transportwege und Belastungen für die Umwelt verbunden.
Bundesverband E-Commerce und Versandhandel zufrieden
„Wir begrüßen die angestrebte ökologische Fortentwicklung von Produktion und Handel“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel, Christoph Wenk-Fischer. Viel effektiver und nachhaltiger als eine geplante bürokratische Berichtspflicht aber wäre es, die Mehrwertsteuer auf Sachspenden abzuschaffen – um damit „Spenden statt entsorgen“ zu erleichtern.
Darauf verweist auch ein Sprecher des Onlinehandel-Giganten Amazon. Unternehmen müssten derzeit die Mehrwertsteuer auf den Wert von gespendeten Waren entrichten. „Daher ist es für Unternehmen wirtschaftlich wenig sinnvoll, Waren zu spenden.“ Das betreffe auch selbstständige Verkaufspartner, die ihre Produkte direkt an Amazon-Kunden verkauften. Der Abbau des finanziellen Nachteils von Sachspenden und geringere administrative Anforderungen für Spendenpartner würden Firmen helfen und sie ermutigen, nachhaltige Alternativen für den Umgang mit Retouren zu finden.
Wenn Amazon eigene Produkte spende, komme das Unternehmen gegenüber den deutschen Steuerbehörden für die Mehrwertsteuer auf. Generell sagte der Sprecher: „Amazon ist ein Händler – unser Ziel ist es, alle Waren zu verkaufen. Der Umgang mit nicht verkaufbarer Ware ist aber seit jeher eine Herausforderung für alle Unternehmen und geht weit über den Onlinehandel hinaus. Nur wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir unsere Artikel zum Recycling, zur Energierückgewinnung oder als allerletzte Option zur Deponierung.“
Greenpeace und DUH: Das sagen die Umweltverbände zu den Plänen
Viel Schatten, wenig Licht – so könnte man die Reaktion von Verbänden zusammenfassen. Und: Es müssten nun konkrete Schritte folgen. Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth sagte, wenn die Transparenzpflicht über die Vernichtung von Neuwaren wirklich effektiv durchgesetzt werde, sei dies ein „richtiger und mutiger“ Schritt von Schulze. Im zweiten Schritt müsse ein „Vernichtungsverbot“ für neuwertige Produkte folgen.
Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte, die „sinnlose Zerstörung“ funktionsfähiger Waren müsse aus Gründen des Klima-, Ressourcen- und Umweltschutzes umgehend beendet werden. Schulze lege nun aber keine verbindliche Pflicht dafür fest, sondern nur „leere Versprechungen“. Unternehmen müsse unter Strafe die Vernichtung funktionsfähiger Waren verboten werden, sagte die stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Erst vor kurzem hatten Umweltverbände Maßnahmen vorgeschlagen, um die „Plastikflut“ mit ihren Folgen für Umwelt und Klima zu stoppen – dazu zählte etwa eine Abgabe auf besonders umweltschädliche Einwegartikel wie Plastiktüten und Kaffeebecher zum Mitnehmen.