Manche Dinge laufen einfach in die falsche Richtung. Da treffen sich im ägyptischen Scharm El-Scheich Teilnehmer*innen aus fast 200 Staaten zur 27. Weltklimakonferenz, und was passiert? Ein Proteststurm bricht los, weil Coca-Cola die Tagung sponsert. Ausgerechnet jener Konzern, den die Organisation Break Free From Plastic als weltweit größten Plastikverschmutzer ausgemacht hat und dem die renommierte Ellen MacArthur Foundation bescheinigt, in den vergangenen Jahren seinen Bedarf an frischem Plastik um drei Prozent erhöht zu haben.
Umweltschützer*innen reagierten empört; eine Petition wurde aufgesetzt, die unterdessen fast eine Viertelmillion Menschen unterzeichnet haben. Es war, mit einem Wort, ein Debakel – zwischenzeitlich sackte sogar der Börsenkurs des US-Konzerns ab. Dabei hat der Getränkegigant durchaus ambitionierte Umweltziele, will seine Recyclingquote dramatisch erhöhen und Treibhausgase bis 2030 um 25 Prozent reduzieren. Sogar die MacArthur Foundation findet es „positiv, die ersten expliziten ‚ReUse‘-Ambitionen von großen Marken wie Coca-Cola und Pepsico zu sehen“. Vielleicht hätte Coca-Cola mit dem Sponsoring ein paar Jahre warten sollen. Ungeduld zahlt sich selten aus.
Capgemini-Studie: Unternehmen fehlt es an Visionen
Womöglich haben sie bei Coca-Cola aber auch eine Wahrnehmungslücke: Nachhaltigkeit als Werbethema ist schön, als Managementaufgabe jedoch unangenehm. Einer Umfrage von Capgemini unter 2000 Manager*innen zufolge neigen Entscheidungsträger*innen dazu, den unternehmerischen Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen zu unterschätzen. Im Klartext: Vorstände schreiben gern Nachhaltigkeitsziele auf, aber nur die Hälfte hat entsprechende Initiativen definiert; noch weniger gehen an ihr Geschäftsmodell. Die Ergebnisse zeigen, „dass es vielen Unternehmen an einer kollektiven Vision sowie an funktionsübergreifender Koordination ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen mangelt“, rügt Capgemini. Manche Dinge laufen einfach in die falsche Richtung.
Ausflüchte, es fehlten Leitlinien, gelten spätestens seit vergangener Woche nicht mehr. Da veröffentlichte die International Organization for Standardization (ISO) ihre „Net Zero Guidelines“. Keine schicke Promo-Broschüre, sondern ein echtes Arbeitspapier mit 48 eng bedruckten Seiten, das Definitionen ebenso umfassend bereithält wie Grundsätze, Ziele und Anforderungen ans Management. Die Empfehlungen sollen „einen gemeinsamen, hochambitionierten Ansatz ermöglichen, damit Organisationen frühestmöglich, spätestens aber 2050 klimaneutral werden“, heißt es in der Einleitung. Mit Organisationen sind ausdrücklich auch Unternehmen gemeint. Der Download ist kostenlos.
„Zukunft wird gemacht“, schreiben die Businessaktivist*innen Jule und Lukas Bosch in ihrer Kolumne für die absatzwirtschaft. „Wenn wir eine bestimmte Variante von Zukunft erschaffen wollen, brauchen wir in unterschiedlichsten Lebensbereichen entsprechende Impulse, sogenannte ‚schwache Signale‘, die wir in ihrer Häufigkeit und Intensität steigern können, sodass letztendlich eine für uns wünschenswerte Entwicklung verstärkt wird.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wie Firmen der Adtech-Branche Energie sparen
Während die Umsetzung von Guidelines einen gewissen Vorlauf braucht, lässt sich Energie vielfach sofort einsparen. „Und, wird das auch gemacht?“, fragte die Hamburger Agentur Frau Wenk ihre Kundschaft aus der Adtech-Branche. Die Antworten sind nicht übermäßig originell, dokumentieren aber Problembewusstsein.
So hat die Hamburger Agentur TeraVolt Thermostate an ihren Heizkörpern angebracht, die nachts und an freien Tagen automatisch die Temperatur senken. Der Berliner News-Spezialist Upday heizt seine Büros auf maximal 19 Grad, ebenso Back Market, ein Plattform-Anbieter für Secondhand-Technik. Dort wurden außerdem Lampen mit Bewegungssensoren ausgestattet und Geräte in den Energiesparmodus versetzt. Interessant: Back Markets Mutter sitzt in Paris und muss daher Vorgaben der französischen Regierung erfüllen. Ein 15-Punkte-Plan ruft Unternehmen dort dazu auf, ihren Energiebedarf um zehn Prozent zu reduzieren.
Die GfK meldet unterdessen, dass Konsument*innen „im Alltag um ihre Werte kämpfen“. Gemeint ist, dass den Deutschen Nachhaltigkeit beim Einkaufen nach wie vor wichtig ist, sie sich angesichts steigender Preise jedoch zunehmend schwertun, die – oft teurere – Öko-Ware zu bezahlen. Ausnahme: energiesparende Geräte. „Für diese nachhaltigeren Produkte nehmen sie einen höheren Anschaffungspreis in Kauf“, sagt Petra Süptitz, GfK-Expertin für Nachhaltigkeit und Consumer Insights. Es gibt auch Dinge, die in die richtige Richtung laufen.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!