Ist Nachhaltigkeit wirklich ein zwingender Erfolgsfaktor? Um sich einer Bewertung der Fragestellung zu nähern, ist es zunächst wichtig, den Begriff des Erfolgsfaktors zu klären.
Im optimalen Fall ist der Erfolgsfaktor das entscheidende Element, warum ein Unternehmen oder eine Marke eine Alleinstellung am Markt genießt und damit einen Wettbewerbsvorteil hat. Im weniger optimalen Fall ist der Erfolgsfaktor ein Element, das es mir überhaupt erst ermöglicht, am Markt erfolgreich zu sein. Also eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Marktposition.
Nachhaltigkeit als Alleinstellungsmerkmal
Als ich 2007 zu Toyota kam, hatte die Marke ein Alleinstellungsmerkmal im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit. Der 1997 auf den Markt gebrachte Vollhybridantrieb versprach durch die Kombination eines (kleinen) Elektromotors und eines konventionellen Benzinmotors eine rein elektrische Fortbewegung für bis zu 50 Prozent der Fahrzeit. Das bedeutete eine deutliche Reduzierung der Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand etwas Vergleichbares anbieten.
Dieses Alleinstellungsmerkmal hat jedoch nicht zu einer signifikanten Steigerung des Marktanteils geführt. Wir mussten unsere Kommunikationsstrategie ändern, denn es war offensichtlich, dass die Argumente für ein nachhaltigeres Autofahren nicht ausreichten, um die Mehrheit der Menschen von einem Kauf zu überzeugen.
Design, Leistung und Fahrspaß sind bessere Kaufargumente
Umfangreiche Marktforschungen haben gezeigt, dass es einen unmittelbaren, persönlich erlebbaren Nutzen geben muss, um eine Kaufentscheidung auszulösen. Nachhaltigkeit war und ist ein Aspekt, der diese Voraussetzung in der Regel nicht erfüllt und daher kein Erfolgsfaktor im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ist. Daher müssen andere Vorteile als Kaufargument dienen, wie etwa Design, Leistung und Fahrspaß.
Marken wie Tesla zeigen, dass dies auch heute noch gilt. Das Produkt verspricht durch seinen Elektroantrieb per se eine vermeintlich hohe ökologische Nachhaltigkeit. Die Marke positioniert sich aber über die oben genannten Attribute wie Leistung und Fahrspaß.
Das soll aber nicht heißen, dass Nachhaltigkeit als Alleinstellungsmerkmal überhaupt nicht funktionieren kann. Denn es gibt durchaus Nischen, in denen das sehr gut funktioniert. So hat zum Beispiel der Hybridantrieb von Toyota von Anfang an sehr gute Überzeugungsarbeit bei technikbegeisterten Zielgruppen geleistet.
Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung für erfolgreiche Marktposition
Betrachtet man die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, so zeigt sich, dass die jüngeren Generationen zunehmend auf ökologische, ökonomische oder soziale Nachhaltigkeit achten. Beispiel Ernährung: Der Anteil der Vegetarierinnen und Vegetarier in Deutschland steigt langsam, aber stetig und liegt Ende 2022 bereits bei rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.
Diese Menschen stammen überwiegend aus der GenZ, also den unter 30-Jährigen (Quelle: AWA 2022). Interessant sind ihre Motive, sich nachhaltiger zu ernähren. Diese sind nicht mehr auf den unmittelbaren persönlichen Nutzen ausgerichtet, sondern heißen Tierwohl und Umweltschutz.
Dies deutet darauf hin, dass die kaufkräftigen Zielgruppen in Zukunft auf das Thema Nachhaltigkeit achten werden. Und zwar deutlich anders, als es die Mehrheit der Zielgruppen heute tut. Das bedeutet aber auch, dass der Markt das Thema Nachhaltigkeit von Unternehmen, Produkten und Marken insgesamt einfordern wird. Das bedeutet, dass es in Zukunft sehr wahrscheinlich eine Grundvoraussetzung sein wird, dieses Thema tief im Unternehmen verankert zu haben. Und zwar authentisch und glaubwürdig. Es wird aber auch in Zukunft kein Alleinstellungsmerkmal sein.
Unternehmen sollten sich daher jetzt intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Die Zielgruppen werden diese Attribute einfordern: Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Gemeinwohl, um nur einige zu nennen, werden wesentliche Faktoren sein, um in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen zu können.