Jüngste Studien zeigen, dass sich die Auswahl der Unternehmen sowohl bei den Top Studenten als auch bei den führenden Praktikern immer mehr an deren Image-Wert orientiert. Dabei werden besonders Zeitgeist-Werte wie Nachhaltigkeit, Seriosität, Innovationskraft oder Zuverlässigkeit hoch eingeschätzt. Orientierungsbasis sind die vielen Ranglisten, die in den Wirtschaftstiteln regelmäßig veröffentlicht werden – national wie international. Sie haben sich zu einer Art Leitwährung entwickelt.
Immer öfter erweckt das aktuelle Ansehen eines Unternehmens das Interesse der führenden Köpfe im Markt. Die berühmte Frage „Wo arbeiten Sie?“ will mit Stolz und Selbstbewusstsein einfach mit der Nennung des bekannten und renommierten Firmennamens beantwortet werden. Und nicht mit mehreren Sätzen, mit denen erst erklärt werden muss: Wer was wie? Markante Namen zeigen schneller, wer man ist. Eine Art „Champions League“-Gefühl setzt den Standard, für den man selbst gerne stehen möchte. Und das Ringen der Unternehmen, dazu zu gehören, ist das neue „battlefield“, um die Besten auf sich aufmerksam zu machen.
Was bedeutet das für die Strategie des Employer Branding? Dazu eine Vorbemerkung: In Deutschland wird Employer Branding immer noch häufig mit Recruiting verwechselt – oder auch als Personalmarketing missverstanden, stellt die deutsche Akademie für Employer Branding fest. Und sie spricht von Wissens- und Abwendungs-Defiziten, die noch rund um das Employer Branding bestehen. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass gerade in den letzten Monaten mit Kongressen, Workshops, Artikeln und neuen Service-Angeboten unter der Flagge „Employer Branding“ dieses Thema an Wichtigkeit gewinnt.
Nun zum strategischen Vorgehen: Aus ökonomischen Gründen stellt sich die Frage, wie „Marke“ multifunktional genutzt werden kann. Also nicht nur für die Vermarktung von Produkten oder Services des Unternehmens per se, sondern gleichzeitig für alle Zielgruppen, die das Unternehmen berühren: Vom Kapitalmarkt über Lieferanten und Partner, zur breiten Öffentlichkeit inklusive der Medien und – last but not least – bis zum Employer Branding.
Employer Branding – wie das Schlagwort neuerdings heißt – wird zur strategischen Priorität, wenn die Personalmärkte eng werden. Das extremste Beispiele dafür ist in Deutschland der chronische Mangel an Ingenieuren. Aber auch einen weitere Erkenntnis kommt hinzu: Zufriedene Mitarbeiter führen sofort auch zu einem höheren Prozentsatz zufriedenerer Kunden. Die Effekte des Employer Branding gehen also weit über das reine Personalmarketing hinaus.
Hier einige Richtlinien, welche Kriterien besonders zu beachten sind:
- Authentizität: Die authentische Ausrichtung auf den Markenkern sollte die Werte der Unternehmenskultur unverfälscht und nacherlebbar reflektieren. Ausnahmsweise geht es nicht um „Perzeption schlägt Realität“ sondern umgekehrt. Echte Identifikation mit dem Unternehmen braucht spürbare Glaubwürdigkeit.
- Pro-aktive Strategie: Pro-aktives Handeln, bevor aktueller Personalbedarf entsteht, schafft bessere Chancen für eine optimale Ausschöpfung des Talent-Potentials im Markt. „Das Talent kommt nicht mehr zur Firma. Die Firma muss zum Talent kommen.“ Das gilt für den Nachwuchs ebenso wie für die Ansprache hochqualifizierter Experten.
- Doppel-Rolle: Employer Branding hat eine duale Strategie zu verfolgen, die sich gleichzeitig und widerspruchsfrei intern auf die Mitarbeiter und extern auf das Talent im Markt ausrichtet. Und dabei die unterschiedlichen Wertesysteme zeitgeist-orientiert anzusprechen hat.
- Motivations-Hierarchie: Employer Branding sollte sensibel die unterschiedlichen Motive und Barrieren der internen und externen Zielgruppen reflektieren. Dabei hilft eine regelmäßige Soll/Ist-Analyse- vor allem im Bereich der emotionalen Treiber. Die Soft-Facts sind oft entscheidender als die Hard-Facts.
- Verdrängungs-Kraft: Employer Branding sollte die Wettbewerbs-Szenarien fortlaufend durch SWOT-Analysen kontrollieren, um darauf die Positionierung des Unternehmens im Sinne einer „Point of difference“-Strategie in allen Kommunikations-Ebenen hervorzuheben. Nur ein Mehrwert beeindruckt.
- Economy of Scale: Employer Branding ist integrierter Bestandteil der ganzheitlichen Marken-Architektur. Sowohl verbal/visuell als auch inhaltlich. Es gilt das Ansehen der Unternehmensmarke optimal zu kapitalisieren und damit den Budget-Einsatz zu minimieren.
Neben diesen generellen Spielregeln für erfolgreiches Employer Branding gibt es zwei spezielle Situationen in denen Employer Branding plötzlich in den Mittelpunkt der Management-Aufgaben rückt: Zum einen bei Mergers & Aquisitions. Zum anderen bei Crisis-Management. In beiden Fällen ist die Vertrauensbildung, die emotionale Bindung an die Werte des Unternehmens, die Glaubwürdigkeit und letztlich der Stolz auf das Unternehmen – von zentraler Bedeutung.
Bei M&A´s ist es der Kulturschock der hinzugekauften Mitarbeiter, die plötzlich ihre „Heimat“ verloren haben. Oder noch schlimmer, mit ihrem vermeintlichen „Feindbild“ verheiratet wurden. Und bei Crisis Management-Fällen – genannt seien hier Beispiele wie Elchtest, Brent Spa, Perrier etc.- ist es die sofortige Rückgewinnung von Vertrauen und Sicherheit, die in der eigenen Belegschaft erreicht werden muss, um nach außen multipliziert positive „Word of Mouth“-Effekte zu erzielen. Dabei gilt die klassische 1:10:100-Regel, die aus der meinungsbildenden Kraft der Mitarbeiter in den Markt getragen werden kann, um auf diesem authentischen Weg Goodwill zurück zu gewinnen.
Fassen wir zusammen: Employer Branding ist in seinem ganzheitlichen Ansatz heute oft noch ein Stiefkind in der Unternehmensführung. Die Reduzierung auf Personalmarketing entspricht nicht mehr den internationalen Standards „Human Capital“ zur Kerngröße der Wettbewerbsfähigkeit zu machen. Wie sagt die Deutsche Employer Branding Akademie so schön: „Wer als Arbeitgeber first choice ist, ist das häufig auch bei seinen Kunden“. Eine ermutigendere Aussage um das eigene Unternehmen in diesem Sinne mal unter die Lupe zu nehmen gibt es wohl kaum.
Über den Autor: Bernd M. Michael ist Inhaber des BMM Büro für Markenarchitektur und Präsident des Deutschen Marketing-Verband.