Investments: Nachhaltigkeit als „fantastisches Werbeversprechen“

Grüne Geldanlagen sind beliebt wie nie. Doch wie können Verbraucher sicher sein, dass das eigene Investment tatsächlich zu saubereren Meeren oder weniger Waffen auf der Welt beiträgt? Experten sehen den Gesetzgeber am Zug, damit am Ende nicht nur "fantastische Werbeversprechen" stehen.
Nachhaltigkeit
Grüne und soziale Investments: Binnen weniger Jahre ist das Volumen nachhaltiger Fonds um mehr als 100 Milliarden Euro gewachsen. Doch sind die Angebote tatsächlich nachhaltig? (© Imago)

Ein Windpark in Norwegens Fjorden, ein Wasserkraftwerk mit imposantem Staudamm in Portugal – auf einer digitalen „Investmentreise“ zeigt ein Fonds-Unternehmen aus Süddeutschland seinen Kunden, wo ihr Geld steckt. Nachhaltige Geldanlagen boomen – und viele Anbieter werben mit verlockenden Naturbildern. Doch ist, wo Nachhaltigkeit draufsteht, auch immer Nachhaltigkeit drin? Das zumindest bezweifeln Verbraucherschützer und Experten und fordern klarere Kriterien für den wachsenden Markt.

Privatleute wollen in Umwelt und Soziales investieren

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Menschen ist es wichtig, ihr Geld nicht in x-beliebige Unternehmen anzulegen, sondern dabei auch ein gutes Gewissen zu haben. Zuerst waren es vor allem Großanleger, doch jetzt investieren auch immer mehr Privatleute in Produkte, die sich Umwelt, Soziales sowie einen fairen und verantwortungsbewussten Umgang mit den Beschäftigten auf die Fahnen schreiben.

Binnen weniger Jahre ist das Volumen nachhaltiger Fonds laut Branchenverband BVI um mehr als 100 Milliarden Euro gewachsen. Privatanleger haben allein im Jahr 2019 ihre Investments in diesem Bereich fast verdoppelt, wie Daten des Forums Nachhaltige Geldanlagen zeigen.

Nachhaltige Fonds noch eine Nische

Gemessen am Gesamtmarkt sind nachhaltige Fonds zwar noch eine Nische, der grüne Zeitgeist treibe das Thema aber voran, sagen Experten: Fridays for Future, der Kohleausstieg, die Berühmtheit von Aktivistin Greta Thunberg. Einer Umfrage für den Verbraucherzentrale Bundesverband zufolge ist jeder zweite Verbraucher grundsätzlich dazu bereit, Geld nachhaltig anzulegen. Knapp vier von fünf wollen dabei aber nicht auf Rendite verzichten.

Andreas Oehler, der sich als Professor für Finanzwirtschaft der Universität Bamberg mit nachhaltigen Geldanlagen befasst, meint, dass sie das in der Regel auch nicht müssen. „Die frühere Regel, dass nachhaltig investieren ein Verzicht auf Rendite bedeutet, gilt nicht mehr“, sagt er. In den vergangenen Jahren hätten Fonds, die glaubhaft nachhaltig arbeiteten, bei gleichem Risiko gleiche oder höhere Renditen erbracht als herkömmliche Anlagen.

Allgemeingültige Kriterien oder Gütesiegel gibt es nicht

Nachhaltig anlegen kann man auf vielfältige Art und Weise: vom Direktinvestment in Windräder über grüne Bundesanleihen bis hin zu aktiv gemanagten Fonds und ETFs, die einen Aktienindex nachbilden. Meist werden bei solchen Fonds Aktien von Firmen ausgeschlossen, die Geld mit Kohle, Öl, Alkohol oder Waffen verdienen. Doch allgemeingültige Kriterien oder eine Art Gütesiegel gibt es nicht.

„Nachhaltigkeit ist ein fantastisches Werbeversprechen

Experten halten das für riskant. „Nachhaltigkeit ist ein fantastisches Werbeversprechen“, sagt etwa Verbraucherzentralen-Chef Klaus Müller. Doch häufig sei es schwer zu überprüfen, wie nachhaltig ein Unternehmen oder Produkt tatsächlich sei. „Deswegen braucht es dringend eine gesetzliche Definition von Nachhaltigkeit, die Verbrauchern Sicherheit gibt“, fordert er.

Nach Ansicht von Oehler muss zum Beispiel gesetzlich festgelegt werden, ob Atomkraft als nachhaltig gilt und ob nur geächtete Waffen oder alle Waffen ausgeschlossen sein sollen. Außerdem sollten Schwellenwerte festgelegt werden: Da gehe es etwa um die Frage, ob bei einem nachhaltigen Fonds noch fünf Prozent des Umsatzes aus Kinderarbeit oder Atomenergie stammen dürften oder nicht. So etwas ganz auszuschließen, hält Oehler für schwierig. „Das kann man kaum, wenn man sein Investment weltweit breit streuen will – und das würde ich empfehlen“, sagt er.

EU plant Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften

Die Europäische Union arbeitet an einem Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften. Außerdem könnten Bankberater bald verpflichtet sein, Privatkunden zu fragen, ob sie ihr Geld lieber nachhaltig anlegen wollen. Doch wie können Verbraucher sichergehen, dass nachhaltige Anlagen auch wirklich zu mehr Nachhaltigkeit führen, also für weniger Treibhausgase, sauberere Meere oder weniger Waffen sorgen?

Die Wirtschaftswissenschaftler Marco Wilkens und Christian Klein kommen in einem Gutachten für die Verbraucherzentralen zu dem Schluss, dass direkte Effekte über den Kapitalmarkt zwar möglich, aktuell aber kaum nachweisbar sind. „Angebote der Finanzindustrie, die mit einem direkten Beitrag ihrer Anlageprodukte zu bestimmten Nachhaltigkeitszielen werben, und zugleich marktübliche Renditen versprechen, müssten demnach kritisch hinterfragt werden“, folgern die Verbraucherschützer.

„Große Gefahr“, dass Anbieter „das Grüne vom Himmel“ versprechen

„Die große Gefahr für Verbraucher ist, dass Anbieter das Grüne vom Himmel versprechen, ohne dass sich tatsächlich etwas bewegt“, sagt Müller. Oehler fordert, dass sie die Einhaltung ihrer Versprechen nachvollziehbar belegen müssen.

„Die Anbieter sollten einen definierten Katalog an Informationen vorlegen müssen.“ Er warnt aber vor zu hohen Erwartungen: „Man sollte nicht der Illusion unterliegen, genau das zu bekommen, was man sich vorstellt. Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung erhält man nur näherungsweise und mit bescheidener Transparenz.“

Das sei aber kein Grund, nicht in nachhaltige Fonds zu investieren.

he/dpa