Herr Némorin, in diesen Zeiten wichtiger denn je, zunächst eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen und Ihren Liebsten?
RENÉ NÉMORIN: Für mich ist die aktuelle Lage wie für alle anderen auch eine absolute Ausnahmesituation. Ich lebe in Köln und arbeite normalerweise an vier Tagen pro Woche in Neu-Isenburg. Nun bin ich mittlerweile seit drei Wochen Vollzeit im Homeoffice. Das ist für mich einerseits ein Pluspunkt, weil ich dadurch viel mehr in den Familienalltag integriert bin. Aber ich spüre auch einige Unsicherheiten. Ich habe zwei schulpflichtige Kinder im pubertären Alter. Wie beschäftigt man die zu Hause? Wie erklärt man ihnen, dass Sie sich nicht mit ihren Freunden treffen können? Es ist momentan eine Riesenherausforderung, Job und Familie zur gleichen Zeit zu Hause unter einen Hut zu bringen – da fühle ich mit vielen Eltern vereint. Nichtsdestotrotz bin und bleibe ich ein grundsätzlich positiver Mensch. Die Situation ist wie sie ist, da müssen wir nun alle gemeinsam durch.
Die Zentrale von De’Longhi ist in Treviso, im Nordosten Italiens. Was können Sie uns von vor Ort berichten?
Tatsächlich befindet sich unser Hauptsitz in Venetien, sozusagen im europäischen Epizentrum der Coronavirus-Pandemie. Aber weil Italien ja deutlich früher betroffen war als Deutschland, haben wir uns bei De’Longhi entsprechend sehr früh auf die möglichen Auswirkungen eingestellt. Wir waren zudem schon immer ein extrem flexibles Unternehmen und sind mit unseren Produktionen in Italien, China und Rumänien recht breit aufgestellt. Das hilft uns jetzt, in dieser Notlage zu improvisieren. Natürlich gehen wir dabei extrem vorsichtig und fürsorglich mit den beruflichen und privaten Sorgen unserer Mitarbeiter um.
Wie ist die Lage bei De’Longhi Deutschland?
Die Stimmung bei De’Longhi in Deutschland ist ebenfalls den Umständen entsprechend gut. Unsere Mitarbeiter haben selbstverständlich auch Sorgen und es gab zu Beginn Unsicherheiten, etwa beim Umgang mit der Arbeit von zu Hause. Aber wir sind hier alle Macher und blicken positiv in die Zukunft, diese Einstellung gehört zur DNA von De’Longhi.
Wie arbeiten Sie aktuell in ihrem Marketingteam zusammen?
Wir sind seit einiger Zeit im Homeoffice. Die Remote-Arbeit erfordert sehr viel Disziplin und es fallen dadurch leider die klassischen „Zwischen Tür und Angel“-Absprachen weg. Mir fällt zudem auf, dass wir uns bei Business-Entscheidungen deutlich mehr auf die wirklich wichtigen Dinge fokussieren und gleichzeitig mehr Raum für den persönlichen Austausch bleibt. Fast jedes Telefonat fängt derzeit mit der Frage an, wie es dem anderen geht. Das ist ein sehr schöner Nebeneffekt unserer Remote-Arbeit in dieser Krisenzeit.
Gibt es auch Dinge, die nun besser laufen als zuvor?
Durchaus. Ich habe das Gefühl, dass die einzelnen Teams trotz oder gerade durch die räumliche Distanz emotional viel enger zusammenrücken. Auch der Blick hinter die Kulissen jedes einzelnen sorgt dafür. Plötzlich tauchen im Hintergrund Kinder in Videokonferenzen auf oder man hört den Hund der Kollegen bellen. Diese vermeintlichen Kleinigkeiten lösen unter den Kollegen ein Wir-Gefühl aus und schaffen Vertrauen. Das ist eindeutig positiv.
Was ist die Kehrseite der Medaille?
Da könnte ich jetzt einiges aufzählen, möchte aber auch nicht zu sehr ins Detail gehen. Bildlich ausgedrückt: De’Longhi ist ein Unternehmen, das sich der Kaffeekultur verschrieben hat. Dass jetzt für unsere Belegschaft ausgerechnet das gemeinsame, physische Kaffee-Trink-Erlebnis wegfällt, ist schon gewöhnungsbedürftig. Auch die Mittagspausen mit Kollegen und der persönliche Austausch fehlen total.
Welche Auswirkungen hat die Coronavirus-Pandemie auf die Marketing-Kommunikation von De’Longhi in Deutschland?
Die Produkte unserer drei Marken – De’Longhi, Braun und Kenwood – sind allesamt entwickelt für das tägliche Leben zuhause. Deshalb müssen wir unsere Kommunikation jetzt nicht groß verändern. Wir werden unsere Kommunikationspläne grundsätzlich beibehalten und schauen lediglich an der einen oder anderen Stelle, ob es Dinge gibt, die wir vermeiden sollten, weil sie aus Endverbraucher-Sicht in der aktuellen Phase sensibel sein könnten.
Was heißt das konkret für die drei Marken?
Wir versuchen in der Kommunikation, gerade in Social Media, eher einen serviceorientierten Ton anzuschlagen – zum Beispiel mit Ratschlägen fürs Kochen mit Kindern bei Kenwood, für den besten Kaffee im Homeoffice bei De’Longhi oder mit Tipps zum Bügeln oder kreative Beschäftigung mit Bügelperlen bei Braun. Wir gehen übergangsweise also ein ganz kleines bisschen weg vom Produkt. Gemäß unserem Credo „always by your side“ wollen wir ein Begleiter unserer Kunden sein und ihnen mit unseren Produkten das Leben erleichtern. Auch wenn es sich komisch anhören mag: Die aktuelle Situation verdeutlicht, wie wichtig unsere Kategorien im Alltag sind. Denn es gibt sogar mehr Menschen als zuvor, die sich mit unseren Themen – zuhause zusammen sein – noch intensiver auseinandersetzen.
Das heißt, sie haben auch keine Budgets zurückgefahren.
Überhaupt nicht – wir kappen aktuell keine Marketing-Invests. Natürlich müssen wir dabei genau prüfen, ob wir gegebenenfalls Budgets umschichten. Wenn wir einen Kunden zum Beispiel bisher am Point-of-Sale eingesammelt und dort investiert haben, dann schauen wir solange der Fachhandel geschlossen ist, wie wir ihn nun zum Beispiel digital erreichen können.
Die Corona-Krise hat den Medienkonsum online wie offline stark steigen lassen – auch TV scheint eine Renaissance zu erleben. Was bedeutet das für die Kommunikation von De’Longhi?
Wir werden deshalb nun nicht direkt in TV investieren. Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir mit De’Longhi erst im letzten Quartal 2019 eine große TV-Kampagne durchgeführt haben. Zudem stellen wir aktuell nicht fest, dass sich das klassische Saisongeschäft im Kaffee-Segment verschieben würde. Im zweiten und dritten Quartal ist im Vergleich zu den Wintermonaten traditionell die Nachfrage nach Kaffeemaschinen deutlich geringer, weil im Sommer der Kaffeekonsum an sich leicht zurückgeht.
Welchen Stellenwert haben die Marke De’Longhi und das Kaffeegeschäft im Speziellen bei Ihnen?
De’Longhi ist vom Umsatzvolumen die deutlich größte Marke, und Kaffee-Produkte sind der stärkste Motor unseres Unternehmens. Dabei wird oft vergessen, dass De’Longhi in Deutschland gleichzeitig auch bei mobilen Klimageräten die Nummer Eins ist. Diese Produktsparte ist übrigens auch der Ursprung von De’Longhi – Kaffee ist erst später dazugekommen, dann aber sehr schnell sehr groß geworden. Das Geschäft mit den Klimaanlagen ist eine wichtige Ergänzung in unserem Portfolio. Denn in den schwächeren Monaten im zweiten und dritten Quartal ist die Hochsaison für Klimaanlagen.
Welche weiteren Unterschiede gibt es bei Ihren drei Marken De’Longhi, Kenwood und Braun?
Kenwood hat eine völlig andere DNA als De’Longhi. Kenwood ist extrem stark mit den Konsumenten verbandelt und beschäftigt sich damit, wie Kunden mit den Produkten arbeiten. Kenwood-Kunden geht es beispielsweise darum, mit einer Küchenmaschine ein Erlebnis und ein Ergebnis zu erzielen – nach dem Motto: Benutz‘ das Gerät, leg‘ die Hand an, kreiere etwas, sei inspiriert. Ein Kaffee-Vollautomat ist da mit dem Nutzungsanspruch „Cappuccino auf Knopfdruck“ das komplette Gegenteil. Braun wiederum steht für Designed in Deutschland, ist bislang sehr clean in der Produktsprache und sehr fokussiert auf Funktionalität, hier wollen wir mit mehr Emotionalität die Markenbindung stärken. Insgesamt haben wir das breite Wissen von drei Marken, kanalisiert auf unterschiedliche Zielgruppen. Multi Brand ist somit unsere große Stärke und unser Wettbewerbsvorteil.
Wie groß sind die Einbußen durch die Corona-Krise beim Absatz der drei Marken?
Wir sehen im Nachfrageverhalten bisher nur einen sehr kleinen Rückgang. Wenn man sich die Search Trends unserer Kernkategorien anguckt, sind aktuell alle Marken auf einem ähnlichen Niveau wie noch im Vorfeld der Corona-Krise. Es zeichnen sich daher momentan zumindest noch keine signifikanten Einbrüche für unser Geschäft ab. Es gibt sogar ein paar kleinere Kategorien, die sich positiv entwickeln.
Welche sind das?
Zum Beispiel Brotbackmaschinen. Aber das überrascht uns jetzt nicht völlig. Denn von dieser Entwicklung des Zuhause-Backens haben unsere italienischen Kollegen schon vor drei bis vier Wochen berichtet, weil sie zu dem Zeitpunkt ja schon ein bisschen weiter im Pandemie-Verlauf waren.
Vita René Némorin
René Némorin (48) ist seit Oktober 2016 Marketing Director von De’Longhi Deutschland. Er verantwortet die Marketingaktivitäten der drei Premiummarken De’Longhi, Kenwood und Braun und berichtet direkt an den Stephan Patrick Tahy, Geschäftsführer von De’Longhi Deutschland. Zuvor war Némorin 16 Jahre beim Technologieunternehmen Dyson tätig – zuletzt als Director Marketing and Communications für die Geschäftsregion Deutschland, Österreich und die Schweiz.
De’Longhi Deutschland hat sich zum Start ins Jahr 2020 im Vertrieb komplett neu aufgestellt. Warum war das notwendig?
Wir glauben, dass wir im stationären Fachhandel noch große Potenziale haben. Unsere neue Außendienstmannschaft gezielt für den Fachhandel wird sich künftig noch stärker darauf fokussieren. Daran ändert auch die aktuelle Situation nichts. Hochwertige Kaffeevollautomaten von De’Longhi oder professionelle Kenwood-Küchenmaschinen sind in der Regel keine Produkte, die man einfach schnell online kauft – da ist Beratungsexpertise erforderlich. Wir sehen insbesondere jetzt viele lokale und kreative Ansätze der Fachhändler, die Beratungsleistung zu digitalisieren und trotzdem persönlich für die Kunden da zu sein. Hier setzen wir an und unterstützen mit den entsprechenden Tools den Handel. Zudem glaube ich jetzt mehr denn je an einen aufkommenden „Support your local dealer“-Trend.
An welche Trends glauben Sie noch?
Ich glaube, dass in der Gesellschaft generell das Bewusstsein für lokale Entwicklungen stärker werden wird. Es gibt ja viele politische Diskussionen darüber, wie sich Europa derzeit verhält. Agiert man national oder gemeinsam – wahrscheinlich wird es am Ende die beste Mischung aus beidem sein. Im Handel ist das ähnlich: De’Longhi ist ja auch als internationale Marke in Deutschland vertreten – und warum soll man uns hierzulande nicht auch im digitalen Zeitalter bei einem lokalen Händler kaufen können, der Kunden gut berät und ihnen das Produkt näherbringt?
Und welche Trends in der Kaffee-Branche sind für ihre größte Marke, De’Longhi, relevant?
Der größte Trend ist die sogenannte „dritte Welle des Kaffees“. Die ist in anderen Ländern schon da, aber Deutschland ist noch nicht so weit. Es geht dabei um die Auseinandersetzung der Kunden mit der Bohne an sich, sprich um Fragen wie: Woher kommt mein Kaffee? Wie wird der angebaut? Ist das eine Blend oder eine reine Bohne – und welche? Ich rechne damit, dass sich auch viele Deutschen künftig mehr mit den Informationen hinter dem Produkt auseinandersetzen werden, anstatt sich nur mit dem Urteil zufriedenzugeben, ob der Kaffee schmeckt oder eben nicht.
Sind Sie Treiber oder Nutznießer dieses Trends?
Da wir keine Bohnen herstellen sehen wir uns als Enabler für den Kaffeegenuss. Unsere Aufgabe ist es, für unsere Konsumenten das perfekte Kaffee-Erlebnis zu kreieren – egal, welche Bohne er sich aussucht. Je mehr sich die Kunden mit der Qualität der Bohne auseinandersetzen, desto wichtiger wird es auch sein, dass ihr Gerät zu Hause dem auch gerecht werden kann.
In Ihrer Unternehmens-Mission schreiben Sie unter anderem, dass Sie „bei der Produktentwicklung auf lokale und kulturelle Besonderheiten, Geschmacksgewohnheiten und Traditionen achten, diese fördern und unterstützen“ wollen. Wie unterscheidet sich der deutsche von anderen Märkten?
Wir Deutschen sind die Weltmeister im Trinken von Milchkaffeegetränken und schlagen gemeinsam mit den Australiern mengenmäßig alle anderen Nationen. Unser „Latte Crema“-System war das erste auf dem Markt, das einen One-Touch-Cappuccino ermöglicht hat. Die italienischen Vertriebskollegen dagegen nutzen dieses Gerät kaum. Denn Kaffeegenuss mit Milch endet dort spätestens um 11 Uhr morgens. Dazu passt auch, dass in Italien die Nachfrage nach Siebträgergeräten aktuell deutlich gestiegen ist.
Woran liegt das?
In Italien wird Kaffee draußen auf der Straße in den Bars und Cafés getrunken. Aber diese „Out-of-home-Kaffeekultur“ kann aktuell wegen den Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen nicht gelebt werden. Deswegen holen sich die Menschen den hochwertigen Kaffeegenuss aus der Siebträgermaschine nun zu sich nach Hause.
De’Longhi
De’Longhi wurde 1902 im italienischen Treviso gegründet. Seit 2001 gehört die Kenwood Appliances Plc. vollständig zu De’Longhi, die Aktien des Unternehmens werden an der Mailänder Börse gehandelt. 2012 erwarb De’Longhi von Procter & Gamble die Markenrechte an den Haushaltsgeräten der Traditionsmarke Braun. Die De’Longhi Deutschland GmbH beschäftigt in Neu-Isenburg rund 130 Mitarbeiter. Über die vier Geschäftssparten Heizen/Klimageräte/Luftbehandlung, Bügeln, Espresso/Kaffee und Food-Preparation erzielte De’Longhi Deutschland 2019 einen Umsatz von rund 290 Millionen Euro.