Herr Müller, welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat die Corona-Krise für SK Gaming?
ALEXANDER MÜLLER: Wir müssen wie viele andere Marktteilnehmer Umsatzeinbußen hinnehmen. Das ist bei uns im Prinzip einfache Mathematik: Angenommen, wir wollten vor der Krise mit einem Partner einen Jahresvertrag in Höhe von 240.000 Euro abschließen und die Gespräche verzögern sich bedingt durch Covid-19 nun immer mehr, dann verlieren wir durch jeden Monat Verspätung 20.000 Euro. Wenn das dann mit mehreren Partner-Verhandlungen genau so abläuft, dann kommt schnell mal eine Viertelmillion Euro zusammen. Diese Ausfälle von zuvor eingeplanten Einnahmen sind zunächst einmal nicht mehr zu kompensieren.
Zum Partner-Portfolio von SK Gaming zählen der 1. FC Köln, die Telekom und Mercedes-Benz als Anteilseigner sowie Marken wie der Versicherer Arag und Nike/11 Teamsports als Ausrüster. Konnten Sie Ihren Partnern in der Krise alle vertraglich zugesicherten KPIs liefern?
Auf jeden Fall – denn da die Esports-Wettbewerbe online fortgesetzt wurden, hatten wir keinerlei Verluste in den Reichweiten, die unseren Partnern vertraglich zugesichert sind. Im Gegenteil! Wir konnten mit dem Pharmaunternehmen Ursapharm und dessen Marke Hylo Eye Care Anfang Juni sogar eine Partnerschaft verlängern und ausweiten, nachdem wir 2019 eine digitale Aufklärungskampagne zur präventiven Augenpflege im Esports und Gaming durchgeführt hatten.
Welche Rolle spielen Social-Media-Plattformen innerhalb Ihrer Rechtepakete?
Unsere eigenen Social-Media-Plattformen und die unserer Spieler wachsen immer weiter – Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Ob nun bei Twitter, Youtube oder Instagram. Und wenn jetzt alles in Richtung Tik Tok dreht, dann gehen wir auch zu Tik Tok und nehmen unsere Partner mit dorthin. Auf Facebook setzen wir dagegen weniger, weil wir uns von der Plattform – unabhängig unserer hohen Reichweite dort – nicht mehr viel Wachstum versprechen. Das kommunizieren wir so auch an unsere Partner, die nicht selten noch Content für ihre Facebook-Präsenz haben wollen. Wir hinterfragen dann schon die Sinnhaftigkeit einer Kampagne, wenn uns andere Kanäle viel glaubwürdiger erscheinen. Social-Media-Beratung ist ein wichtiges Asset in unserer Vermarktung.
Wird SK Gaming trotz der Corona-Krise in diesem Jahr neben Ursapharm weitere Partner-Verträge mit sechsstelligen Volumina schließen können?
Zunächst einmal sind wir schon jetzt mit unserem kompletten Partnerportfolio europaweit, wenn nicht sogar weltweit am besten aufgestellt. Wir haben in der Hinterhand derzeit noch drei bis vier sehr vielversprechende Verhandlungen mit potenziellen Partnern. Gehen Sie also davon aus, dass da mittelfristig noch sehr interessante Marken hinzukommen werden, die ein ähnliches Kaliber wie unsere aktuellen Partner sind. Unter anderem Lifestyle-Produkte wie Uhren oder Produkte aus den Bereichen Körperpflege und Rasur gehören zum Leben eines Gamers dazu. Hier kommen wir hoffentlich bald zu zählbaren Abschlüssen.
Das hört ja alles trotz Krise gar nicht so negativ an.
Wie schon gesagt müssen auch wir Umsatzeinbußen einkalkulieren. Und ich will unsere Vermarktung auch nicht zu rosarot darstellen: Nur weil wir in der Esports-Szene Reichweiten-Zuwächse hatten, haben wir als Team in den vergangenen Wochen nicht einen Vertrag nach dem anderen verhandelt und dadurch unzählige Sponsoren oder Kampagnen-Partner dazugewonnen – das wäre ein Trugschluss. Ich glaube aber durchaus, dass wir als Esports-Organisation in der Zukunft davon profitieren werden, dass sich während der Krisenphase viele Marketing-Entscheider mit uns noch intensiver auseinandergesetzt haben.
Haben Sie Ihre Formate im Zuge der Corona-Krise angepasst, um der werbenden Industrie Esports in der aktuellen Phase noch einfacher zugänglich zu machen?
Wir haben in kürzester Zeit digitale Inhalte und Kampagnen für Partner und Fans konzipiert – dabei haben wir spontan allein vier neue Formate aus dem Boden gestampft. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Talkshow-Reihe mit unserem „FIFA“-Profi Mirza Jahic, in der er Bundesliga-Profis oder bekannte Gesichter aus der Esports-Szene interviewt. Wenn man so will, haben wir während der Corona-Krise mit Brachialgewalt binnen zwei Wochen vermarktbare Produkte auf die Schiene gebracht, für die wir sonst ein halbes Jahr gebraucht hätten. Klar ist dabei, dass die Preise für entsprechende Rechtepakete deutlich unter den Summen liegen, die Sponsoren normalerweise bei uns finanziell an den Tisch bringen müssen. Aber diese flexiblen und individuellen Formate werden dennoch auch in der Zukunft definitiv Bestandteil unserer Vermarktung sein.
Warum?
Weil sie uns den Luxus bieten, experimentieren zu können und auch starke Performances liefern. Unsere Valentinstags-Kampagne mit Joop Homme hat zum Beispiel mit einer Engagement-Rate von acht Prozent alle KPIs überflügelt! Wir sind dabei auch in einem komplett anderen Setting aufgetreten – und zwar gar nicht so sehr als Esports-Akteure, sondern bildlich gesprochen eher Casino, Gentlemen und James-Bond-Style. Genau das mögen wir ja: Wir wollen nicht nur als Computerspieler wahrgenommen werden! Ganz abgesehen davon halten wir durch diese kleinen Kampagnen auch unsere großen Partner kontinuierlich kreativ.
Rund 85 Prozent des Gesamtumsatzes von rund zehn Millionen Euro von SK Gaming kommen aus dem Sponsoring. Wie hoch ist der Anteil solcher kleineren Kampagnen?
Wir wollen es bei SK Gaming schaffen, bis zu 80 Prozent unseres jährlichen Kapitalbedürfnisses in der Vermarktung durch langfristige Partnerschaften abzusichern und die restlichen zehn bis dreißig Prozent schnell, unbürokratisch und agil zu bauen.
Serie zum Thema Esports
Dieser Artikel ist Teil einer aktuellen Serie auf absatzwirtschaft.de zum Thema Esports. Bisher sind zudem folgende Beiträge erschienen:
- Esports-Sponsoring: Warum fehlt so oft der Mut? Interview mit Carl Kuhn von Jung von Matt/Sports
- Esports-Quoten bei Sport1 vor und nach Corona
- ESL-Chef Ralf Reichert im Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Esports-Szene
- Interview mit Michael Heina von Nielsen Sports zum Esports-Sponsoring: „Der Zeitpunkt ist immer noch gut!“
- Whitepaper des DMV: Wie Marken Mehrwert schaffen – Sponsoring im Esports
Einen ausführlichen Artikel über die Folgen der Coronavirus-Pandemie auf die Esports-Vermarktung lesen Sie in der kommenden Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können: https://www.fachmedien.de/absatzwirtschaft
Cases aus dem Esports-Sponsoring
- Studie zu E-Sports: Das sind die bekanntesten Partner
- Investments im E-Sports: Telekom folgt Mercedes-Benz
- “Nicht ROI-getrieben”: Die Strategie von Snipes im E-Sport
- Innogy im E-Sport: Strategie und Zukunft nach dem Eon-Deal
- Wie die Automobilmarke Ford die Gaming-Branche erobern will
- TK-Marketer Kollhorst: “Wir haben keine Kernzielgruppe”
- Versicherungen für Gamer: “Tonalität muss authentisch sein”
- Warum investiert die Marke Tchibo in E-Sports?
Sie wollen weitere relevante Informationen und spannende Hintergründe für Ihre tägliche Arbeit im Marketing? Dann abonnieren Sie jetzt hier unseren kostenfreien Newsletter.