Von Nils Jacobsen
Es ist ein Anblick, wie man zuletzt zwischen 2008 und 2009 und 2000 und 2003 gesehen hatte: Internet- und Tech-Aktien werden in die Tiefe gerissen, als wäre die nächste Rezession nicht nur ausgemacht, sondern auch das Ausmaß einer neuen Finanzkrise. Vor allem am vergangenen Freitag griff in den letzten Handelsstunden die nackte Panik an der Wall Street um sich:
Seit Jahresbeginn liegen die 2015 noch hoch gewetteten Internet- und Techwerte nunmehr allesamt im negativen Terrain – trotz zuletzt beeindruckender Quartalsbilanzen von Facebook und Alphabet:
• Facebook: –1 %
• Microsoft: – 9 %
• Alphabet: –10 %
• Apple: –11 %
• Amazon: –26 %
• Netflix: –28 %
• Twitter: –32 %
Im Zentrum des zum Teil willenlosen Ausverkaufs steht die Aktie von LinkedIn, die einen Handelstag erlebte, wie ihn ein schwarzer Schwan nur einmal im Jahrzehnt erfährt: Die Anteilsscheine implodierten nach Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen um sage und schreibe 44 Prozent.
LinkedIn vernichtet an einem Handelstag Börsengewinne von 5 Jahren
LinkedIns brutaler Absturz hat epische Ausmaße angenommen: LinkedIn verlor allein am Freitag einen Börsenwert von 11 Milliarden Dollar – das istmehr als Twitter an der Börse (noch) wert ist.
Oder im Vergleich zum bisherigen Kursverlauf: An nur einem Handelstag wurde der langjährige Börsenliebling Linkedin bei 108 Dollar auf ein Kursniveau zurechtgestutzt, das er am Tag seines Börsendebüts gesehen hatte – fast 5 Jahre Kurszuwächse an der Wall Street wurden in 6,5 Stunden pulverisiert.
LinkedIn: Mehr als 60 Prozent binnen eines Jahres verloren
Seit Jahresbeginn liegen Aktionäre nun schon 52 Prozent hinten; von den Allzeithochs bei 276 Dollar, die noch im vergangenen Frühjahr aufgestellt wurden, hat sich Linkedin damit bereits um mehr als 60 Prozent entfernt.
Das Verrückte beim erdrutschartigen Kurssturz: Die Geschäftsbilanz für das abgelaufene Weihnachtsquartal war nicht mal schlecht. Im Gegenteil: die Analystenerwartungen wurden sogar übertroffen. Was für Aufruhr an der Börse sorgte, war der Ausblick, der knapp 10 Prozent unter den Wall Street-Schätzungen lag, aber immer noch deutlich zweistelliges Wachstum erkennen lässt.
Amazon vernichtet in 5 Wochen 85 Milliarden Dollar Börsenwert
Doch die hochsensiblen Aktienmärkte, die in diesen Tagen versuchen, die Verwerfungen in der Weltwirtschaft von Südamerika bis China einzupreisen, reagieren aktuell äußerst allergisch auf schwächeres Wachstum.
Nach dem alten Börsenmotto ‚Was hoch fliegt, stürzt umso härter ab‘ geraten in diesen Tagen vor allem de großen Gewinner des vergangenen Börsenjahres wie Netflix und Amazon unser Beschuss. Allein das weltgrößte Online-Kaufhaus hat in den ersten 5 Wochen des Jahres mehr als 85 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren.
Brutale Realitätsanpassung: Square und Match weit unter Ausgabekursen
Inzwischen scheint kein Internet-Unternehmen mehr vor der brutalen Realitätsanpassung immun: Auch die jüngsten Börsendebütanten gerieten in den vergangenen Handelstagen in einen immer heftigeren Abwärtsstrudel.
Die im November an der Technologiebörse Nasdaq gestartete Tinder-Mutter Match implodierte vergangene Woche nach Vorlage seiner ersten Quartalszahlen seit dem Börsenlisting und verlor an nur zwei Handelstagen mehr als 25 Prozent. Seit Jahresanfang ist das Minus des Dating-Vermittlers auf über 31 Prozent angeschwollen – Match liegt damit deutlich unter Ausgabekurs.
Ein bitteren Wettbewerb um das große Minus liefert sich Match unterdessen mit dem Bezahldienst Square, der im November am gleichen Tag an der Wall Street debütierte. Das zweite von Jack Dorsey geführte Unternehmen notiert bei nur noch 8,60 Dollar noch schwächer als Match und hat bereits 34 Prozent seit Jahresbeginn an Wert verloren.
Twitter vor den Zahlen eine Zitterpartie
Dorseys ebenfalls börsengelistetes Unternehmen Twitter befindet sich im einträchtigen Abwärtstrend und stellt mit Square fast wöchentlich neue Allzeittiefs auf. Ob das Schlimmste nach Kursverlusten von 80 Prozent vom Allzeithoch eingepreist ist, entscheidet sich maßgeblich am Mittwoch nach Handelsschluss, wenn Twitter seine Quartalsbilanz vorlegt.
Legt Dorsey erneut einen so kruden Auftritt vor Analysten wie bei seinem ersten Conference Call hin, dürfte das am Wochenende bereits zahlreich verwendete Hashtag #RIPTwitter reflexartig wieder zum Trending Topic werden…