Auch wenn digitale Erlebnisse durch Virtual und Augmented Reality stetig immersiver werden, sind sie bislang auf den Seh- und Hörsinn beschränkt. Riechen, schmecken und fühlen – aktuell noch ein Wunschtraum. Pläne, auch diese Sinneserfahrungen in den digitalen Kosmos zu holen, gibt es schon länger. Das Internet der Sinne soll eine vollumfängliche Sinnesreise ermöglichen.
Pilotprojekte zeigen bereits seit einigen Jahren, was machbar ist. Mit „Virtual Lemonade“ etwa können Nutzer*innen den Geschmack eines Getränks digital mit Freund*innen teilen. Das Gerät – ein Projekt der National University of Singapore – funktioniert vereinfacht gesagt wie folgt: Ein Sensor misst Informationen des Originalgetränks, zum Beispiel die Farbe und den pH-Wert. Die Infos sendet der Sensor an eine Art Becher, in dem sich pures Wasser befindet. Das Gerät wertet die Infos aus und simuliert die Farbe des Originals über LED, während Metallstreifen am Becherrand den Geschmack durch elektrische Stimulation der Zunge erzeugen. Laut Testberichten soll das schon gut funktionieren.
Das taktile Internet ist ein weiterer Anwendungsfall. Dabei übertragen Spezialhandschuhe Bewegungen an Roboter, die Träger*innen über Sensoren in den Handschuhen ein haptisches Echtzeit-Feedback geben. Mechaniker*innen könnten so beispielsweise Maschinen aus der Ferne reparieren. Auch im Marketing hat die Technologie das Potenzial, neue Wege zu eröffnen: Ohne ihr Wohnzimmer zu verlassen, könnten Kund*innen spüren, wie weich ein Pullover ist oder wie gut ein Golfschläger in der Hand liegt. Einmal ausgereift, würde das Internet der Sinne Unternehmen unzählige neue Möglichkeiten bieten, um Verbraucher*innen von ihren Produkten zu überzeugen.
Der sechste Sinn?
In vielen Bereichen sind unsere Sinne ausschlaggebend für eine Kaufentscheidung. Kaum jemand wird ein Parfüm kaufen, ohne vorab daran gerochen zu haben. Im Internet der Sinne wäre es für User*innen theoretisch sogar möglich, zu testen, wie das Parfüm Stunden nach dem Auftragen noch riecht. Ein Sendegerät, mit dem Nutzer*innen zum Beispiel den pH-Wert der eigenen Haut messen würden, könnte dem Parfümunternehmen Daten senden. Basierend darauf wäre ein individuelles Dufterlebnis denkbar.
Ein allumfassendes Internet-Sinneserlebnis muss nicht bei unseren fünf Sinnen enden. Manche Expert*innen erwarten, dass sich via elektrische Impulse künftig quasi unsere Gedanken auslesen lassen könnten. Dann müssten wir zum Beispiel nur noch an einen Begriff denken und die Suchmaschine würde uns die Ergebnisse dazu anzeigen. Physische Eingaben via Tastatur, Maus, Touch Screen und Co. würden damit obsolet, was Spielraum für völlig neue Endgeräte mit sich bringt. Nutzer*innen müssten einen Befehl nur noch denken und er würde ausgeführt. Auf die Ansprüche an Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre wäre in diesem Zusammenhang besonders zu achten.
6G als Fundament
Bereits 2019 befragte Ericsson Research rund 7800 Menschen, die regelmäßig Virtual und Augmented Reality einsetzten, zum Internet der Sinne. Ein zentrales Ergebnis: Die Befragten gingen davon aus, dass das Internet der Sinne vorrangig im Marketing- und Sales-Bereich Anwendung findet und potenzielle Kund*innen wohl am meisten von der Technologie profitieren.
Trotz einiger vielversprechender Experimente ist die Technologie im Moment noch eher eine Idee als Realität. Das könnte sich mit der Einführung von 6G ändern, die aktuell für 2030 erwartet wird. Auf Basis der Geschwindigkeit und niedrigen Latenz dieses Mobilfunkstandards hätte das Internet of Senses die Chance, die nächste Evolutionsstufe zu erreichen. Daher sollten Marketingverantwortliche die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Denn setzt sich das Internet der Sinne durch, wäre Neuwagenduft nur der Anfang.