Von Felix Buske
Das Konzept von IGTV ist es, Videos in einer Länge von bis zu 60 Minuten hochzuladen. Anders als die Instagram-Story, wo lediglich Video-Segmente von maximal 15 Sekunden gepostet werden können, bleiben die Videos auf IGTV dauerhaft bestehen. Die Plattform kann sowohl über Instagram, als auch über eine eigene App angesteuert werden. Sobald IGTV geöffnet ist, beginnt, wie bei einem Fernseher, sofort das Video eines Kanals zu laufen. Durch einmaliges Hochwischen können die Nutzer Kommentare hinterlassen oder andere Videos aus den Kategorien „Für dich“, „Entdecken“, „Abonniert“ und „Beliebt“ starten. Das Besondere an IGTV: Die Videos werden im vertikalen Hochformat ausgespielt, sind also für den mobilen Konsum am Smartphone optimiert.
Wirklich ein YouTube-Konkurrent?
Schnell hieß es in vielen Medienberichten, Instagram wolle mit seinem neuen Feature dem Video-Schwergewicht YouTube Konkurrenz machen. Dafür sprechen tatsächlich die erweiterte Länge und das dauerhafte Bestehenbleiben der Videos. Anders, als bei der Einführung der Instagram-Stories 2016, die stark an die Funktionen von Snapchat erinnerten und eindeutig eine Kampfansage waren, gibt es zwischen IGTV und YouTube aber einige Unterschiede.
Daher sollte man das Ganze etwas differenzierter betrachten, findet auch Trajan Tosev. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Instagram und bietet auf seiner Website Coachings für Selbstständige zur Optimierung ihrer Marketing-Strategie unter anderem auf Instagram an. Tosev über die vermeintliche Rolle von IGTV als YouTube-Konkurrent: “Natürlich gibt es im Social-Media-Sektor immer Konkurrenz und sicherlich erhofft sich Instagrams Mutterkonzern Facebook, durch IGTV ein paar Leute von YouTube abzuwerben. Aber ich glaube nicht, dass etablierte YouTuber jetzt zu IGTV wechseln. Sie werden höchstens ihren YouTube-Content auch für IGTV aufbereiten oder dort ergänzende Inhalte hochladen.”
So scheint es etwa der YouTuber Mr. Wissen2Go vor zu haben. Auf YouTube präsentiert er seinen mehr als 700.000 Abonnenten regelmäßig professionell aufbereitete Informations-Videos zu gesellschaftspolitischen Themen in einer Länge von durchschnittlich zehn Minuten.
Sein erstes Video auf IGTV kam leicht verwackelt und mit der Frontkamera des Smartphones aufgenommen daher. Darin kündigt er an, auf IGTV möglicherweise zusätzlich zu seinem YouTube-Content Behind-the-Scenes oder kurze Meinungs-Videos hochladen zu wollen.
Vor allem für Creator geeignet, die auf Instagram zu Hause sind
Wer sich nach Einschätzung von Trajan Tosev schon eher von IGTV angesprochen fühlen dürfte, sind Leute, die auf YouTube keine allzu große Community haben: “IGTV ist ein gutes Tool für Creator, die noch ziemlich am Anfang stehen. Oder aber für solche, die sich auf Instagram schon vorher eine Community aufgebaut hatten, jedoch nicht auf YouTube.”
Ein Musterbeispiel für letztere Gruppe stellt der Wohnungseinrichtungs-Blogger Will Taylor mit seinem Channel Bright Bazaar dar. Auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichte er lediglich vier Videos, das letzte vor vier Jahren, und erreichte damit knapp 240 Abonnenten. Auf Instagram folgen ihm hingegen 244.000 Nutzer, also etwa das Tausendfache von seinem YouTube-Kanal. Schon kurz nach dem Start von IGTV veröffentlichte er die erste Folge seiner eigens dafür produzierten Rubrik “Move in or Move on”. “Er war wirklich sehr schnell und einer der ersten, die eine Show eigens für IGTV produziert haben. Und dann auch noch sehr gut umgesetzt”, urteilt Trajan Tosev.
Taylor präsentiert in dem Video Zimmer für Zimmer eine fertig eingerichtete Wohnung und stellt am Ende die titelgebende Frage “Move in or Move on?”, also ob der Zuschauer einziehen oder weiterziehen würde. Dass sich Taylor in der ersten Folge (zufällig?) für ein Loft mit 14 Meter hohen Decken entschieden hat, harmoniert natürlich hervorragend mit dem Hochformat.
Am Anfang steht das Ausprobieren
Andere Publisher wiederum versuchen, ihren auf die Horizontale ausgelegten Content ins Vertikale zu konvertieren. So spielte beispielsweise die Bild in ihren Highlight-Videos zur Fußball-WM übereinander zweimal dasselbe (horizontale) Bild aus.
“Wie bei jeder neuen Funktion wird erstmal rumprobiert. Manche Leute haben Videos zugeschnitten, andere haben einfach Ihre Story dort hochgeladen. Das lief eigentlich in etwa so, wie es zu erwarten war,” so Tosev.
Doch besagtes Rumprobieren offenbart auch die Schwächen von IGTV, beziehungsweise vom Hochformat. Etwa dann, wenn der Radiosender 1Live einen Musiker auf ein Festival begleitet und die Panoramaaufnahmen des Geländes durch die fehlende Bildbreite kaum zur Geltung kommen. Aspekte, wie dieser sind es auch, die der YouTuber Felixba in einem Video mit dem Titel “Warum IGTV’s vertikales Videoformat ein Fehler ist” anprangert. Unter anderem darum, weil unsere Umgebung und unsere Augen horizontal sind und sich daher auch horizontale Videos in unseren Augen natürlicher anfühlten, als vertikale.
Der Content ist entscheidend
Trajan Tosev argumentiert etwas anders: “Das vertikale Format hat bereits eine gewisse Akzeptanz durch die Instagram-Stories erlangt, die meist auch vertikal aufgenommen werden. Dazu kommt, dass auch wir als Nutzer unser Smartphone bei fast Allem, was wir damit tun, in der Vertikale halten. Daher finde ich den Weg, den Instagram mit IGTV geht, schlüssig.”
Insgesamt ist es aus Sicht von Trajan Tosev aber “noch zu früh, um genau beurteilen zu können, wie die Creator IGTV annehmen werden. Sollte es gut ankommen und sich das Hochformat etablieren, bin ich gespannt, ob und wie die Kameraindustrie darauf reagiert.”
Egal ob IGTV, Youtube oder eine andere Plattform – entscheidend ist aus Sicht von Tosev vor allem der Inhalt eines Videos: “Guter Content ist guter Content. Ein Creator muss mich als Zuschauer einfangen, mitnehmen und mir etwas zeigen, dann ist die Plattform irrelevant.”