Instagram vs. Snapchat: die neue Lust am digitalen Vergessen als Social Media-Megatrend

Instagram führte die Story-Funktion ein, die praktisch 1:1 von Snapchat übernommen wurde. Mit dem Fokus auf Foto- und Videoschnipsel, die binnen 24 Stunden wieder gelöscht werden, geht die Facebook-Tochter eine aggressive Wette ein: unperfekte Momentaufnahmen sollen zum Trend werden. Kann Instagram damit neue Nutzer von Snapchat hinzugewinnen, ohne alte zu verlieren?
Mark Zuckerberg versuchte vergeblich, Evan Spiegel (re.) Snapchat abzukaufen: Nun macht er ihm mit Instagram Konkurrenz

Snapchats Reiz: Das Internet vergisst doch

Snapchat schien auf dem besten Weg zu sein, zum neuen Facebook zu werden – eine Gefahr, die Zuckerberg selbst hatte kommen sehen und deshalb frühzeitig beharrlich eine Übernahme versucht hatte. Spiegel winkte ab, Zuckerberg ärgerte sich und schickte mit Slingshot einen vermeintlichen Snapchat-Killer ins Rennen, der jedoch fürchterlich floppen sollte.

Snapchat war längst das heißeste Ding der Teenager-Generation nach den Millennials, der Generation Z, die von Facebook, Twitter und auch Instagram müde schien. Der Unterschied von Snapchat zum weltgrößten Social Network und seiner Tochter bestand in einem fundamentalen Paradigmenwechsel, der für Facebook- und Instagram-Nutzer der ersten Stunde  schlecht nachzuvollziehen war: plötzlich waren die Posts nichts mehr für Ewigkeit gedacht, sondern nur für den Moment. Das Internet vergaß doch.

Facebooks beeindruckender Erfolg basiert dagegen zum überwältigenden Anteil am Spiel mit der Nostalgie. Facebook ist die Zeitmaschine unter den sozialen Netzwerken, folgerichtig führte Mark Zuckerberg 2011 die Timeline ein und wandte seinen Blick damit in nostalgischer Verklärung ein Stück weiter zurück als nach vorne: „Weißt Du noch damals“, lautet der unausgesprochene Subtext von Facebooks Erinnerungsfunktion „An diesem Tag“.

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Endlich bedenkenlos alles fotografieren – in 24 Stunden ist ja alles weg

Instagram dagegen ist fest in der Gegenwart verankert: Nutzer posten nach dem überwältigenden Common Sense Bilder, die dokumentieren, was man am Tag erlebt hat – das aber, bitte schön, in Hochglanz-Filtern. Es ist das Social Network, das mit Neid-Faktor spielt: die Vanity Fair / Cosmopolitan / Hollywood-Version des Lebens, wie es sein sollte. Das Hashtag #Instafake dokumentiert ironisch die oft große Diskrepanz zwischen inszenierter und tatsächlicher Wirklichkeit der Instagram-Fotografen.

Die Inszenierung ist nicht jedermanns Sache: Es kann schließlich anstrengend sein, am Ende eines Urlaubstags, an dem man 100 Bilder geschossen hat, die schönsten drei herauszusuchen, mit Filtern und dann noch Hashtags zu bearbeiten. Für was, eigentlich: 31 Likes und drei neue Follower mehr, von denen zwei nach 24 Stunden wieder verschwinden?

Snapchat bot seit Tag eins einen Gegenentwurf gegen die überfrachtete Posting-Kultur von Instagram und Facebook an: Freunden wurde einfach mittels kurzem Snap mitgeteilt, was man gerade machte. Teenager, seit jeher Treiber von Internet-Innovationen, reagierten höchst dankbar auf die neue App mit Selbstzerstörungsfunktion des Fotos: Endlich konnte bedenkenlos alles fotografiert werden, auch der eigene Körper – in 24 Stunden war davon ja nichts mehr zu sehen.