In dieser Woche rollte die Facebook-Tochter ihre Shopping-Funktion weltweit aus. Seitdem können auch deutsche Instagrammer ihrer Warenkörbe mit Fashion, Schminke & Co. füllen. Die „Shopping-Beiträge erkennen die Nutzer an kleinen Einkaufstaschen-Symbolen und den mit Preisschildern markierten Produkten direkt im Bild. Darauf zu finden sind alle wichtigen Produktinformationen, die man dann seinem Warenkorb im In-App-Browser hinzufügen kann. Ähnlich funktioniert auch „Shop the Look“ von Pinterest, das ebenfalls diese Woche an den Start ging. Statt einer Einkaufstasche werden die Produkte auf der Pinnwand-Plattform mit einem weißen Punkt versehen. Klicken die Nutzer auf den Punkt, werden sie zu den entsprechenden Onlineshops weitergeleitet. Außerdem erhalten sie Empfehlungen zu ähnlichen Produkten. Zum Launch der neuen „Shop the Look“-Funktion kooperiert Pinterest in Deutschland mit viele Influencern wie Fashiioncarpet, Caro Daur oder Happy Interior.
Agenturen freuen sich
Agenturen begrüßen die Öffnung der Plattformen für den E-Commerce: „Dass nach Pinterest jetzt auch Instagram nachzieht, zeigt: In-App-Shopping wird für die Customer Journey immer wichtiger. Gerade weil beide Plattformen besonders als Inspirationsquellen geschätzt werden, ist die Integration der neuen Features nur folgerichtig. Damit lässt sich Traffic ab sofort viel zielgerichteter steuern – und nach Abschluss der Kampagne auch messen“, findet zum Beispiel Philipp John, Gründer und COO der Influencer-Agentur ReachHero. Auch Uli Wolter, geschäftsführender Gesellschafter von B+D Interactive, ist positiv gestimmt: „Ein seit langem erwarteter Schritt, der einmal mehr die wachsende Bedeutung von Instagram in der Marketingkommunikation und jetzt auch im Sales Funnel unterstreicht. Wir können nun für unsere Kunden die gesamte Customer Journey – von der Inspiration bis zum Kauf – innerhalb von Instagram abbilden. Das ist für die Monetarisierung der Aktivitäten ein großer Fortschritt.”
Unternehmen wittern neue Umsatzquelle
Unternehmen können mit der neuen Shopping-Funktion bis zu fünf Produkte in ihren organischen Beiträgen direkt mit dem Onlineshop verknüpfen. Ein Vorteil ist, dass sie sich Umwege wie den Link in der Bio sparen. In die Testphase von Instagram Shopping waren unter anderem Hugo Boss oder Zalando involviert, aber auch kleinere Onlineshops wie Odernichtoderdoch. „Wir finden Instagram Shopping großartig. Die Ausführung der Funktion ist super einfach – es funktioniert wie eine Markierung von Personen“, sagt Niklas Heinen, Geschäftsführer von Odernichtoderdoch. Dieser positiven Bewertung schließt sich auch Linda Dauriz an, die als Director Customer Experience & Corporate Development bei Hugo Boss tätig ist: „Social Commerce ist ein wichtiger Trend für uns, mit dem wir Inspiration und Kauferlebnis noch stärker miteinander verknüpfen können.“ Mit der neuen Funktion könne das Modeunternehmen vor allem den Kaufentscheidungsprozess positiv beeinflussen: „Das Feature ermöglicht die Einbindung relevanter Produktinformationen zu einem frühen Zeitpunkt der Customer Journey, ohne dass sie dafür die App verlassen müssen.“
Und was halten die Kunden davon?
Doch werden die neuen Buttons auch bei den Nutzern Anklang finden? Instagram-Nutzer sind die Kommerzialisierung sicher schon gewohnt, folgen sie doch in großem Stil Fashion- und Beauty-Influencern, die in ihren Posts ihre neuesten Errungenschaften offensiv bewerben. Auf Pinterest hingegen sind die Nutzer eher auf der Suche nach Inspiration zu ihren ganz persönlichen Interessensgebieten. Und auch, wenn man die auf den Bildern abgelichteten Produkte mithilfe von Links käuflich im Netz erwerben konnte, spielte Kommerz bisher eine eher untergeordnete Rolle. Das könne vor allem zum Beginn zu Schwierigkeiten führen, befürchtet David Rost, Gründer und CEO von der digitalen Kommunikationsagentur Integr8: „Problematisch ist die einhergehende Goldgräberstimmung, die bei Influencern einsetzen wird, da fast jeder die neue Funktion nutzen kann und wird.“ Das löse eine Spam-Shop-Welle aus, unter der eventuell auch die Beliebtheit der Plattform leiden werde.
Impulskäufer kommen auf ihre Kosten
Zudem stellt sich die Frage: Wenn es ab jetzt so einfach ist, neue Outfits, Fitnesstools oder andere Trendprodukte zu shoppen, werden dann nicht gerade die Millenials verführt und laufen Gefahr, sich finanziell zu übernehmen? Für Moritz Hagenmüller, Managing Director bei Accenture Strategy sind Shopping-Auswüchse nicht die zentrale Frage: „Das ist vielleicht ein Randphänomen, betrifft aber nicht die Masse. Außerdem kauft man momentan noch nicht direkt in der App, sondern wird weiterhin zum Checkout des Unternehmens weitergeleitet. Zu einem Kauf gehört somit mehr als nur ein Klick.“ Insgesamt sieht Hagenmüller in der Einführung des Buttons nur Vorteile für die Nutzer: „Konnten Sie sich bisher lediglich inspirieren lassen und anschließend einen Plankauf tätigen, sind Sie jetzt in der Lage, wie bei einem City-Bummel spontane Impulskäufe zu tätigen.“ Zudem wussten die Nutzer bei exklusiverer Ware wie Runway-Teilen nie, ob man sie denn auch in der Form bestellen kann. Der Kauf-Button erleichtere dies. Einen weiteren Vorteil sieht Hagenmüller im zunehmenden Wettbewerb: „Bisher haben einige große Konzerne den Markt beherrscht, das Angebot war in vielen Segmenten quasi alternativlos. Jetzt können auch kleinere Marktteilnehmer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und mehr Wettbewerb bedeutet auch: mehr Auswahl.“
Daniel Kostyra, Director Consulting bei der Digitalagentur Cocomore, glaubt zwar auch an die Zunahme von Impulskäufen, differenziert bei den Erfolgsaussichten aber zwischen den verschiedenen Branchen: „Meines Erachtens werden nur impulsive Kunden kaufen und vor allem bestimmte Branchen wie Mode oder Home Decor profitieren. Für Mobilfunkverträge und Fernseher beispielsweise sehe ich die neue Funktion nicht.“ Zudem kritisiert er aus Unternehmer- beziehungsweise Agentursicht, dass Paid Posts für eine größere Reichweite aktuell noch nicht möglich sind, ebenso wenig wie andere Formate wie Video. „Auch die wichtige Freischaltung von Influencern für das Vertaggen fremder Produkte fehlt“, so Kostyra.