Ins Unternehmen hineinhorchen

Neue Arbeitszeitmodelle, Änderung in der Organisation, Arbeiten unter verschärften Hygienebedingungen: Dies sind allesamt Anlässe, um Mitarbeiter nach ihrer Meinung zu fragen. Valide Ergebnisse bringt das nur bei einer professionellen Vorbereitung. Was Unternehmen beachten sollten.
Zwei Drittel der Beschäftigten sind mit ihrem Arbeitsumfeld zufrieden, wenn sie Feedback geben dürfen. (© Imago)

Von Eva Neuthinger

Die Witt-Gruppe, ein führendes textiles Omnichannel-Unternehmen mit Zielgruppe 50 plus, will auch nach der Pandemie hybrid arbeiten – also im Wechsel zwischen den Büros vor Ort und dem Mobile Office. Ziel ist es, den rund 3500 Mitarbeitenden ein Umfeld zu schaffen, in dem jeder so individuell und produktiv wie möglich arbeiten kann. „Wir geben den jeweiligen Teams die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie sich organisieren wollen. Basis dafür ist das hohe Vertrauen in unsere Mitarbeitenden, eine jeweils passfähige Lösung für ihre Zusammenarbeit zu entwickeln“, erklärt Wolfgang Jess, CEO der Gruppe.

Die Beschäftigten wollen das so. „Wir haben sie bei der Entwicklung unseres neuen Arbeitskonzeptes intensiv mit einbezogen“, so die Geschäftsführung. Sie wurden vor einigen Monaten gezielt dazu befragt. „Wir haben die Umfrage in unserem internen sozialen Netzwerk promotet und anschließend nochmals in unserem Newsletter und im Intranet daran erinnert“, erläutert Helena Kraus, verantwortlich für die HR-Kommunikation der Witt-Gruppe.

Das Handelshaus setzt Mitarbeiterbefragungen regelmäßig ein. „Sie ermöglichen es, schnell relevante Informationen zu unterschiedlichen Themen und Zwecken zeitgleich von einer großen Anzahl von Mitarbeitenden zu erhalten“, sagt Kraus. Außerdem ließen sich Verbesserungspotenziale identifizieren. „Denn nur die Mitarbeitenden wissen, wie sich ihre Arbeitsanforderungen und Arbeitsbedingungen entwickeln, welche positiven Veränderungen seit der letzten Befragung erlebt wurden und wo noch Optimierungsbedarf gesehen wird“, erklärt Kraus. Die Möglichkeit, die eigene Meinung einzubringen, steigere überdies die Zufriedenheit und die Motivation und führe zu mehr Loyalität und Identifikation mit dem Unternehmen.

Motivieren per Befragung

Solche Arbeitnehmerbefragungen haben sich als Instrument zur Motivation und zur Entscheidungsfindung etabliert. „Beide Seiten ziehen daraus Vorteile, vorausgesetzt, sie sind professionell vorbereitet“, sagt Edmund Mastiaux, Geschäftsführer des Zentrums für Management- und Personalberatung (ZFM) in Bonn. Nach einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens Qualtrics sind 66 Prozent der Beschäftigten mit ihrem Arbeitsumfeld zufrieden, wenn sie Feedback geben dürfen. Fehlen solche Möglichkeiten, sind es nur 40 Prozent.

„Mitarbeiterbefragungen sind ein praktikables Instrument, um Stimmungen zu diagnostizieren oder um das Engagement der Belegschaft sowie ihre Bindung an das Unternehmen zu erfassen“, so Mastiaux. Zudem lasse sich Veränderungsbedarf ablesen. Überdies könnten Erhebungen dazu dienen, die daraus abgeleiteten Veränderungsprozesse zu unterstützen.

Thematisch lassen sich sowohl allgemeine Themen abfragen, beispielsweise wie die Arbeitnehmer das Image des Unternehmens nach außen einschätzen, wie auch Spezifika, etwa um die Akzeptanz eines neuen Arbeitszeitkonzepts zu ermitteln.

Ergebnisse offen kommunizieren

„Wir arbeiten dazu in der Regel im Antwortbogen zu 90 Prozent mit geschlossenen und nur zu zehn Prozent mit offenen Fragen“, sagt Experte Mastiaux. Der Grund sei, dass sich geschlossene Fragen aufgrund der einfacheren Vergleichbarkeit schneller und präziser auswerten ließen. „Die Analyse erfolgt üblicherweise auf elektronischem Wege“, so der Personalberater. Die Auswertung offener Fragen hingegen ist mit einem wesentlich höheren Aufwand verbunden. „Schon weil niemand weiß, welche Antworten kommen“, meint Mastiaux. Das kann problematisch sein. Denn die Teilnehmer erwarten, dass die Ergebnisse später offen kommuniziert werden. „Die Mitarbeiter fragen nach“, warnt Mastiaux.

Jede Befragung weckt also eine Erwartungshaltung, die bedient werden muss. „Wer nicht bereit ist, im Unternehmen tatsächlich etwas zu ändern, sollte dieses Instrument besser nicht einsetzen“, rät auch Sarah Rögner, Geschäftsführerin der Personalberatung MA&T Organisationsentwicklung in Magdeburg.

Bei der Witt-Gruppe wurden die Ergebnisse nach der Auswertung in einer Präsentation aufbereitet, die im Intranet für alle zur Verfügung steht.


Das ist bei Mitarbeiterbefragungen zu beachten:

Die Befragung sollte aus Gründen der Akzeptanz stets freiwillig und anonym erfolgen. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, folgende fünf Regeln zu befolgen:

  1. Befragungen ermüden, wenn sie öfter als einmal im Jahr stattfinden; in der Regel setzen Unternehmer das Instrument alle zwei Jahre ein.
  2. Nicht immer mit den gleichen Fragen arbeiten: Mindestens zehn Prozent des Bogens sollten variieren, sodass es für Teilnehmer nicht langweilig wird.
  3. Eine Führungskraft sollte die Verantwortung übernehmen, das Projekt vorantreiben und dafür werben.
  4. Um die Rücklaufquote zu erhöhen, ist es ratsam, kurz vor Ablauf der Abgabefrist von beispielsweise vier Wochen eine Erinnerungs-E-Mail zu verschicken.
  5. Gegebenenfalls einen externen Berater mit einbeziehen, weil dies die Neutralität der Auswertung unterstreicht und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Mitarbeitern erhöht.