Ins Schwarze treffen: Die richtige Farbwahl im Marketing

Hinter der Farbwahl im Marketing steckt mehr als Küchenpsychologie. Gesa Lischka von der Kreativ- und Neuromarketingagentur Kochstrasse erklärt, warum wir Farben mit Marken verbinden und wieso beim Relaunch Vorsicht geboten ist.
Farben im Marketing: bunte Farben - Regenbogen aus Kreide
Jede Farbe weckt unterschiedliche Assoziationen und kann verschiedene Bedürfnisse bedienen, sagt Gesa Lischka von der Agentur Kochstrasse (© Unsplash)

In der Welt der Start-ups wird man von grellen Farben nahezu erschlagen. Lebensmittelmarken lieben Rot. Und das australische Gesundheitsministerium hat einst die nach seinen Forschungsergebnissen hässlichste Farbe der Welt auf Zigarettenpackungen gedruckt, um den Konsum zu senken. Die Wahl der Farben im Marketing ist nicht zufällig.  

Marken ziehen für sie sogar vor Gericht und fragen Agenturen um Hilfe, wenn sie sich und ihre Farben relaunchen wollen – zum Beispiel die Agentur Kochstrasse von Gesa Lischka. Die Mit-Gründerin und -Inhaberin befasst sich besonders gern mit Neuromarketing und wird deshalb intern liebevoll als „Neuromarketing Uschi“ bezeichnet. 

Farben rufen Assoziationen hervor 

Eine Marke ist nicht nur das, was Unternehmen im Büro am Reißbrett definieren, sagt Lischka. Vielmehr handele es sich um ein Netzwerk von Assoziationen im Kopf der Kund*innen, dem beim Branding Rechnung getragen werden müsse. Farben spielen der Expertin zufolge beim „Assoziationsnetzwerk Marke“ eine wesentliche Rolle. Sie würden kulturell erlernte Assoziationen und starke Emotionen hervorrufen. „Wenn unser Körper etwas wahrnimmt, überträgt unser Gehirn das unbewusst auch als Zuordnung oder Assoziation zu dem Produkt oder der Marke“, erklärt Lischka.  

Farben sind also zum einen kulturell und sozial erlernt. Start-ups würden zum Beispiel oft ein helleres Grün verwenden. Unterbewusst lernen wir als Konsument*innen daher, dass ein helleres Grün für Jugendlichkeit, Frische und Dynamik steht. Ein dunkleres Grün stehe eher für Seriosität und Sicherheit. Andererseits seien gewisse Dinge auch bereits basal im Gehirn angelegt, zum Beispiel, dass man manche Farben als wärmer wahrnehme als andere.  

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Das ist Pantone 448C, die wohl hässlichste Farbe der Welt. Sie ziert die australischen Zigarettenverpackungen. (© Pantone)  

Farben im Marketing ändern – schlechte Idee? 

Die Farben einer Marke zu ändern, ist eben wegen der Assoziationen, die Farben hervorrufen, ein heikles Unterfangen. „Wenn wir eine Marke relaunchen wollen, bleiben wir oft sehr bewusst in der Farbwelt, die sie bereits hat, weil wir sonst diese ganzen Assoziationen, die wir über viele Jahre mühsam angelegt haben, mit einem Schlag wieder verlieren würden“, sagt Lischka. Es gehe zwar darum, bestehende Assoziationen zu bewahren, gleichzeitig sollten aber neue positive Assoziationen geschaffen werden. Eine Möglichkeit besteht deshalb darin, die bestehende Farbpalette zu dehnen.  

Die richtige Farbe zu wählen, ist gar nicht so einfach. Ein häufiger Fehler bei der Wahl der Markenfarben sei es, wenn Unternehmen in erster Linie von sich selbst ausgehen. Angenommen eine neu gegründete Versicherung besteht aus jungen, aktiven Menschen, so würde diese vielleicht bunt und laut auftreten wollen. Laut Gesa Lischka, sollte der Ausgangspunkt aber immer die Bedürfnisse der Kund*innen sein. „Aus dem Neuromarketing wissen wir: Es sind die Bedürfnisse, die dafür sorgen, dass Dopamin ausgeschüttet und das Belohnungsareal im Gehirn getriggert wird, wenn mein Handeln mein Bedürfnis bedient“, erklärt sie.  

Das Bedürfnis, das Versicherungen aus Sicht der Kund*innen häufig primär bedienen sollen, ist Sicherheit. Deshalb würden viele Unternehmen eher gedeckte Farben im Grün- und Blauspektrum wählen, die Vertrauen und Stabilität symbolisieren. Das funktioniere dann auch für verschiedene Altersspektren, weil auch bei breitgefächerten Kundengruppen das Bedürfnis das vereinende Element ist. Es kann aber sein, dass der Markt für Versicherungen, die Sicherheit ausstrahlen wollen, schon gesättigt ist und man sich eine Nische sucht mit Kund*innen, bei denen ein anderes Bedürfnis im Vordergrund steht. Hier kann es sinnvoll sein, mit unkonventionellen Farben zu experimentieren. Die jüngsten und spritzigsten Farben nützen aber nichts, wenn Kund*innen kein Bedürfnis nach solch einem Unternehmen haben. 

Gesa Lischka von der Agentur Kochstraße - rotes Sakko,rot grün längs gestreiftes T_shirt, strahlendes Lächeln, blonde, schulterlange Haare.
Gesa Lischka von der Agentur Kochstrasse beschäftigt sich am liebsten mit Neuromarketing.  (© Kochstrasse)

Kontraste sind besonders wichtig 

In der heutigen Zeit, in der verschiedene Kommunikationskanäle dominieren, ist die Druckbarkeit von Farben nicht mehr der einzige Maßstab für die Farbwahl. Intensivere und verlaufende Farben sind möglich, was Marken neue Gestaltungsspielräume eröffnet. Trotzdem braucht die Marke eine einheitliche Botschaft, sagt Lischka: „Diese Botschaft muss für meine Marke über alle Kanäle identisch bleiben. Ich muss als Marke überall dasselbe Gefühl vermitteln. Aber wie ich das mache, das muss immer wieder neu und spannend gedacht werden.“ 

Kontraste spielen dabei eine bedeutende Rolle. Sie sind entscheidend für das Lenken von Aufmerksamkeit, da unser Gehirn evolutionär darauf programmiert ist, Kontraste zu erkennen. Schon Babys können das recht gut. Ab Juni 2025 kommt dann ein weiterer Aspekt hinzu: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verpflichtet Unternehmen und Webseiten-Betreiber bestimmter Größen dann, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG – Web Content Accessibility Guidelines) legen hier die technischen Standards fest, um Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zu Webinhalten zu ermöglichen oder zu erleichtern. Kontraste müssen dann so gewählt werden, dass auch Personen mit eingeschränkter Sehkraft die Informationen verständlich wahrnehmen können; es muss hier ein Verhältnis von mindestens 4,5 zu 1 herrschen. Dies ist besonders wichtig für sehbehinderte Menschen, schränkt die Design-Branche aber auch ein. 

Farben haben im Marketing strategische Bedeutung 

Lischka betont, wie viel Strategie hinter dem Farb-Design-Prozess steckt. Viele Kund*innen seien erst einmal überrascht, wie viel Zeit die Agentur damit verbringt, über Farben nachzudenken. Darüber, welche Bedürfnisse sie bedienen müssen, wie sehr die Farbe bereits auf die Marke einzahlt oder ob man nicht vielleicht ungewollt immer einen Konkurrenten mitbewirbt. Oder auch damit, welche Nuance genau die richtige ist.  

Auch kleine Farb-Nuancen können einen großen Unterschied machen. Beim Relaunch für First Reisebüro hat Kochstrasse zum Beispiel die Farbnuancen etwas abgeändert. Erhebungen zeigten danach, dass die späteren Einschätzungen der Marke anhand des Logos besser zu den bestehenden Assoziationen passten, die Kund*innen und Mitarbeiter*innen bereits insgesamt mit der Marke hatten.  

Dieser strategische Einsatz von Farben im Branding ist entscheidend dafür, dass eine Marke nicht nur visuell ansprechend ist, sondern auch tief im Bewusstsein und Unterbewusstsein der Menschen verankert bleibt. So wird aus einer einfachen Farbwahl ein mächtiges Instrument zur Markenbildung und -stärkung. 

Laura Schenk (ls, Jahrgang 2002) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft und hat immer Lust, sich neuen Themenbereichen zu widmen. Eine besondere Vorliebe hat sie für kubistische Malerei und das Schreiben in all seinen Formen. Ihrer Heimatstadt Leipzig hat sie 2023 sogar einen Kurzgeschichtenband gewidmet. Sie studiert dort Kommunikations- und Medienwissenschaft und engagiert sich crossmedial bei Lokalzeitungen und beim Radio.