Klar räume ich als IBM-Mann neidlos ein, dass Hersteller von Endgeräten im Lichte von Verbrauchern hier häufig zuerst gesehen werden. Hier geht es ja um eine direkte Erfahrung mit einem Logo-gebrandeten Endgerät. In einer Bilanz würde IBM aber nicht schlechter abschneiden, nur dringt das im B-to-B-Geschäft nicht so in die Öffentlichkeit. IBM hat für seine Kunden die IT-Prozesse in diesen Unternehmen in puncto Zuverlässigkeit genauso toll weiterentwickelt.
Da ich mit meinem Spitznamen „Wild Duck“ in unserer Organisation quasi fürs Querdenken bezahlt werde, werde ich immer wieder gefragt, woran IBM noch und immer wieder arbeiten muss, um ein innovatives Unternehmen zu werden oder zu bleiben. Ich antworte dann selbstbewusst: Wir sind schon sehr gut! Wir heben Ideen intern in unseren „Innovation Jams“ und bauen unser internes Wissensnetzwerk „Bluepedia“ auf und aus. Ich selbst wäre manchmal noch extremer bei Innovation, aber natürlich folgt auch die freigeistigste Organisation nicht dem weitgehendsten Vorschlag.
Die Erneuerung und die ständige „Re-Invention“ ist eine Hauptarbeit bei IBM. Das erfordert viel Mut. IBM hat sich seit den 90er-Jahren sehr stark zum Serviceunternehmen hinentwickelt und beschäftigt von den 400 000 Mitarbeitern mehr als 130 000 allein in Indien. Auch diesen Wandel verstehe ich als Innovation. Gerade unsere Ausdehnung nach Asien mit dem Schwerpunkt in Indien steht dafür. IBM ist ein „globally integrated enterprise“ geworden. IBM will sich jetzt für das kommende Cloud-Zeitalter wieder mehr ins Software-Umfeld begeben.
Cloud Computing ist für mich in unserer Branche die Technologie mit den größten Zukunftschancen und wird ganz groß rauskommen. Sie erfüllt auch den Anspruch an die heute vielfach beschworene Nachhaltigkeit. Wir müssen endlich Daten zusammenführen, damit Buchungsvorgänge einfacher werden. Wir füllen noch viel zu viele Formulare doppelt und dreifach aus und schicken sie „zwischen Ämtern“ hin und her. Bei Personen ist diese geballte Information natürlich sensibel. Aber überall, wo’s geht, bin ich für Vereinfachung.
Die nicht leichte Aufgabe, Nachhaltigkeit auch zu managen, müssen Unternehmen natürlich auch übernehmen. Denn das Langfristige ist schwer unter dem Druck des Tagesgeschäfts mit der gebotenen Wichtigkeit zu behandeln. Man muss fast ein Klima sehnsüchtiger Freiwilligkeit schaffen, sodass Mitarbeiter quasi ehrenamtlich alles Langfristige immer auf Kurs halten. Ich lese dazu gerade Bücher über „management of voluntary organisations“ (gemeinnützige Organisation; Anm. d. Red.).
Wenn Kundennähe fehlt, mangelt es meist und vor allem an „Intimacy“. Genug Zeit und Raum für diese Innigkeit zu gewährleisten, fällt Unternehmen insbesondere schwer, wenn schwierige Märkte extremen Druck im Vertrieb auslösen. Gleichwohl bleibt das nachhaltige Vertrauensverhältnis zum Kunden das alles Entscheidende. Dazu braucht der Vertrieb auch in schwierigen Zeiten und unter Quotendruck ein starkes Rückgrat. Deshalb darf man im Vertrieb nicht zu oft wechseln. Meines Erachtens nach sollte sich der Kunde seinen persönlichen Kontakt im Vertrieb wünschen dürfen. Dann stimmt die Wellenlänge ganz sicher.
Im Übrigen: Intimacy allein reicht heute schon nicht mehr aus. Der Vertrieb muss nicht nur den Kunden überzeugen, sondern auch die, die den Kunden beim Anbieter-Vergleich beraten, sowie auch den Einkaufsmanager des Kunden und oft auch dessen Mitarbeiter. Kurzum: Vertrieb wird schwieriger! Man muss sich auf mehrere Bezugspersonen einstellen. Dazu ist ein Mehr an Qualifikation gefragt.
Über den Autor: Prof. Gunter Dueck ist Chief Technology Officer bei der IBM Deutschland GmbH und Keynote-Speaker beim Trendgipfel 2011 am 11. und 12. April in Bonn.