Herr Bochert, bevor wir im Detail über das E-Sport-Projekt von Innogy sprechen: Wie wird sich der Deal zwischen Eon und RWE – und die damit einhergehende Zerschlagung von Innogy – auf Ihre E-Sport-Aktivitäten auswirken?
Der Prozess der Integration hat gerade erst begonnen und eine eindeutige Aussage ist hier leider nicht möglich. Soviel aber: Mit dem E-Sport-Team der Innogy konnten wir zeigen, dass ein Engagement in diesem ständig wachsenden Markt in eben dieser Form positive Effekte für uns als Energieversoger nach sich zieht. Wir blicken also mit Zuversicht auf die kommenden Wochen und Monate und haben das neue Logo für „OP e.on eSport“ auch schon mit schwarzem und rotem Buntstift skizziert.
Innogy hat vor drei Jahren ein eigenes E-Sport-Team gegründet. Das ist hierzulande schon außergewöhnlich – die allermeisten Marken steigen, wenn überhaupt, als Partner eines bestehenden Teams oder einer Liga in den E-Sport ein. Warum sind Sie noch einen Schritt weitergegangen?
Im Grunde resultiert diese Entscheidung auch aus einem unserer unternehmerischen Grundsätze: Kundennähe. Durch das eigene Team haben wir nicht nur die Möglichkeit eines direkten Einwirkens, sondern auch ein sehr direktes Feedback über die von uns bespielten Social-Media-Kanäle. Wir wollen die Community nachhaltig unterstützen und den deutschen E-Sport-Markt mitgestalten. Darüber hinaus verstehen wir ein E-Sport-Team auch als eigenes Geschäftsmodell.
Wie genau?
Mit steigenden Preisgeldern und der Möglichkeit weitere Sponsoren auch für unser Team zu gewinnen, können wir von steigenden Einnahmen durch den Betrieb eines Teams bis hin zur vollständigen Selbstfinanzierung in den nächsten Jahren rechnen. Die Platzierung unserer Marke und die des Markennamens als Teil des Teamnamens sind ein weiterer Effekt. So tauchen wir zum Beispiel in den „League of Legends“-Tabellen mit unserem Teamnamen auf und haben dadurch eine aktivere Präsenz als die Marken, die als Eventsponsoren an „der Seite“ erscheinen. Wir wollen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Zuschauer und der Zielgruppe sein, also mittendrin.
Wie kam die Idee für ein eigenes Team?
Innogy steht wie andere Unternehmen vor der Herausforderung, die junge, digitale und völlig anders medienkonsumierende Zielgruppe überhaupt noch zu erreichen. Diese ist nicht mehr über klassische Kanäle oder Sponsoring im Profisport wie TV oder Radio erreichbar. Vor drei Jahren hatten mein Kollege Carsten Schulte und ich die Idee, ein eigenes E-Sport-Team zu gründen, um den Zugang zu diesem großen und immer größer werdenden Bevölkerungsteil zu gewinnen. Das hat nicht zuletzt auch persönliche Hintergründe: Ich selbst war früher semi-professioneller Spieler und Carsten hatte vor seiner Zeit bei Innogy als Redakteur bei einem Online-Gaming-Portal gearbeitet. Daher kannten wir die Entwicklung, die Gaming in Deutschland schon gemacht hat und wie sich das Thema wahrscheinlich weiter entwickeln würde. Schließlich haben wir im Innovation Hub im Innovationsbereich von Innogy intern unseren Ansatz gepitcht – und so ein kleines Startbudget für einen ersten MVP erhalten.
Wie war das Feedback?
Das häufigste Feedback war zunächst die Frage „Warum macht Innogy das?“. Den Fragestellenden konnten wir allerdings schnell, anhand von realen Beispielen zeigen, wie wertvoll der Zugang zur Zielgruppe sein kann. Mehrwerte in der Kundengewinnung durch zugeschnittene Produkte oder die Akquise von neuen digitalen Talenten führten schnell zu einem “Aha-Effekt” innerhalb der Belegschaft. War dieser Effekt einmal eingetreten, fiel auch das Feedback in der Regel positiv aus.
E-Sport und Gaming haben in Deutschland mit vielen Vorurteilen zu kämpfen – bei Ihnen aber offenbar nicht?
Als wir angefangen haben, neben dem Profi-Team eine Betriebssportsparte für E-Sport und Gaming aufzubauen, herrschte zunächst eine riesige Skepsis. Denn Gaming und E-Sport sind in der deutschen Gesellschaft bekanntlich noch nicht in Gänze angekommen. Unsere jüngeren Kollegen sprachen zwar untereinander viel über Gaming-Themen, hätten dies zum damaligen Zeitpunkt das aber niemals vor ihren Vorgesetzten getan. Deswegen wollten wir ganz bewusst das Schmuddel-Image von E-Sport und Gaming bearbeiten und gleichzeitig den Gedanken implementieren, dass es sich bei dem Projekt im Prinzip um eine Weiterbildungsmaßnahme handelt.
Inwiefern?
Wenn Mitarbeiter verschiedenster Abteilungen im Betriebssport Gaming gemeinsam Spielziele erreichen, dann ergeben sich daraus ganz sicher auch Synergien für den Büroalltag, wo abteilungsübergreifend Businessziele erreicht werden müssen.
In welcher Abteilung ist das E-Sport-Team im Unternehmen aufgehängt?
Da wir mit dem E-Sport-Team und den dazugehörigen Maßnahmen mehr als ein Unternehmensziel bedienen, sind wir keiner Abteilung direkt zugewiesen. Die größte Nähe haben wir aber zum digitalen Vertrieb, mit dem wir auch im engen Austausch stehen. Aber auch mit unserer HR-Abteilung und den Kollegen aus dem Brand Management haben wir einen Schulterschluss vollzogen. Unsere Spieler finden also eine hoch flexible Konzerntochter als organisierende Einheit vor, welche die Verträge der Spieler bereitstellt und auch sonst als Host für die operativen Themen des E-Sport-Teams tätig ist. Unsere Spieler sind dementsprechend ganz normale Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen. Ob das immer so bleibt, werden wir sehen. Aber für den Anfang war das die richtige Entscheidung, weil wir dadurch die gesamte Innogy-Infrastruktur problemlos nutzen konnten.
Teilen sich die E-Sportler dann mit anderen Angestellten Büroräume?
Ein klares Jein. Wir haben eine Bürofläche, auf der zehn Gaming-Rechner stehen. Ringsherum in den Nachbarbüros arbeiten Kollegen anderer Abteilungen, zum Beispiel aus der IT. Wir, also unsere Spieler, arbeiten im Rahmen von Trainingslagern an den Gaming-Rechnern und trainieren, während hinter einer Wand weiter der normale Büroalltag stattfindet. Außerhalb dieser Trainingslager wird auch remote trainiert, also vom jeweiligen Zuhause der Spieler aus. Schließlich sollten besonders sich noch in der Entwicklung befindende junge Menschen die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen und in den eigenen vier Wänden zu selbstständigen Menschen heranzuwachsen.
Auf welche E-Sport-Spiele legen Sie Ihren Fokus?
Grundsätzlich wählen wir Spiele auf Basis ihrer Popularität aus. Dabei gelten auch Rahmenparameter wie etwa die anzunehmende Halbwertszeit eines erfolgreichen Spieletitels. Aber auch E-Sport-Events oder -Ligen in dem jeweiligen Spiel sowie entsprechenden Organisationen, wie etwa einem engagierten Publisher, zählen zu diesen Parametern.
Warum haben Sie sich 2016 zum Einstieg für das Sammelkartenspiel Hearthstone entschieden?
Als Einzelspielerspiel konnten wir hier aufwandsarm erste Tests fahren und einen spannenden HR-Case umsetzen. Unser Hearthstone-Spieler konnte nämlich ein Drittel der Zeit als Profi spielen und zwei Drittel für uns in klassischen Bereichen arbeiten. So konnten wir clevere, digitalaffine junge Leute an uns binden. Mittlerweile steht unser sechsköpfiges „League of Legends“-Team im Fokus unserer Bemühungen. Dieses spielt in der ersten Liga der bundesweiten ESL-Meisterschaft unter anderem gegen Teams des FC Schalke 04, SK Prime (Mercedes) und Penta 1860.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem „League of Legends“-Team?
Im sportlichen Bereich wollen wir um die großen nationalen Titel mitspielen. Wir erleben eine immer weiter voranschreitende Professionalisierung gerade bei League of Legends. Der Produktionsaufwand und die resultierende Qualität werden in den nächsten Monaten auf ein neues Niveau gehoben werden. Mehr Zuschauer, also mehr Reichweite für uns und unser Team werden die Folge sein. Wir haben uns mit unserem Team rechtzeitig in der ersten deutschen Liga platziert und freuen uns, nun zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Unsere Content-Strategie im E-Sport wird in den Bereichen des owned und earned Marketings in den kommenden Monaten signifikant an Bedeutung gewinnen. Hierauf basierend können wir weitere Businessziele bedienen, wie etwa auf die Zielgruppe zugeschnittene Produkte sowie Boni oder ergänzende Leistungen auch während der Vertragslaufzeit. So wollen wir neue Kunden für unser Kerngeschäft gewinnen.
Und was sind Ihre Ziele losgelöst vom sportlichen Erfolg?
Im Bereich der Unternehmensziele wollen wir über E-Sport einerseits digitale Talente anziehen und andererseits einen authentischen Markenauftritt in dieser spannenden Zielgruppe schaffen. Darüber hinaus wollen wir unsere Kunden belohnen. Die Herausforderung in der Digitalisierung besteht für uns darin, Kundenbindungsideen anzubieten – und nicht wie häufig üblich nach dem Abschluss eines Stromvertrags dem Kunden nur noch Rechnungen zu schicken und am Ende gegebenenfalls sogar noch Nachzahlungen einzufordern, weil der vorherige Abschlag zu gering war. Diese Zeiten sind vorbei, da müssen wir uns schon etwas anderes überlegen. In der Produkt-Vermarktung versuchen wir Gaming-spezifische Angebote rund um das Thema Energie und Energiesparen zu entwickeln.
Wie sehen solche Produkte aus?
Sie müssen zur Zielgruppe der Gamer passen. Denen hilft ein an einen Stromvertrag geknüpftes Spotify-Abo oder ein „FIFA“-Spiel von EA Sports mehr als etwa ein Kochtopf einer beliebigen deutschen Marke. Schon heute haben wir hier partnerschaftliche Produkte entwickelt: Bei Abschluss eines Stromvertrags über zwölf Monate bekommen unsere Kunden zum Beispiel Gaming-Hardware von unserem Team-Partner Omen by HP. An Spiele angepasste Bonusvergaben, der Zugang zu speziellen Spieleinhalten oder der Zugriff auf neue Spiele an deren Erscheinungstag sind weitere Konzepte, die wir gekoppelt an unsere Lieferverträge als Mehrwert für den Kunden entwickeln werden.
Das heißt, sie suchen als Team aktiv nach Partnerschaften mit anderen Unternehmen, um die Zielgruppe im E-Sport und Gaming für sich zu gewinnen?
Genau, dabei stehen immer die Aktivierung und Kundenmehrwerte im Vordergrund. Der E-Sport-Markt ist natürlich nicht nur für uns als Energieversoger spannend. Durch Partnerschaften mit endemischen und nicht-endemischen Unternehmen können wir für eine gegenseitige Reichweitenverstärkung sorgen, ohne Kannibalisierungseffekte befürchten zu müssen. Sponsoren unseres Teams sollen nicht nur Geldgeber für eine reine Markenplatzierung sein. Vielmehr wünschen wir uns gut eingebundene Marketing-Partner, die die Mehrwerte unseres Teams mit uns gemeinsam nutzen, um Synergien zu erzeugen.
An welchen außersportlichen KPIs messen Sie den Erfolg Ihres E-Sport-Teams?
Ein üblicher Indikator ist der TKP (Tausender-Kontakt-Preis, Anm. d. Red.). Dieser ist auch für uns wichtig. Reichweiten, Interaktionsraten im Social-Media-Umfeld, Site Impressions und ähnliche Parameter zählen ebenso zu unseren Erfolgsindikatoren. Im Zentrum unserer KPIs steht aber der klassische Funnel in Kombination mit einer ROI-Betrachtung – und zwar jeweils angepasst auf den aktuellen Schwerpunkt einzelner Maßnahmen, wie Sales oder Recruitment.
Und wie sieht der ROI Ihrer E-Sport-Investitionen aus?
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen keine detaillierten Zahlen nennen kann. Unser Ziel ist es, dass die Investitionen in das E-Sport-Team mittelfristig einen positiven Payout zur Folge haben. Die bisher ersichtliche Tendenz geht in die richtige Richtung.
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