Herr Zillmer, auf einer Skala von eins bis zehn: Wie gut geht es dem Gaming-Standort Deutschland?
MICHAEL ZILLMER: Bezogen auf den Absatz von Spielen in Deutschland würde ich eine Acht vergeben. Jeder zweite in Deutschland ist Gamer und der Markt wächst kräftig. Die andere Seite ist Deutschland als Produktionsstandort von Spielen. Hier stehen wir eindeutig unterhalb einer Fünf.
Laut einer Studie des Branchenverbands Game ist der Umsatz mit Games und Spiele-Hardware im ersten Halbjahr 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 2,5 auf 2,8 Milliarden Euro um elf Prozent gewachsen. Gleichzeitig ist der Anteil deutscher Spiele-Entwicklungen im Jahr 2018 von fünf auf nur noch 4,3 Prozent gesunken. Woran mangelt es konkret?
Deutschland war für Spieleproduzenten lange Zeit nicht gerade attraktiv. Die Rahmenbedingungen passten hier nicht wirklich. Andere Länder wie Kanada, Frankreich und England fördern die Games-Industrie sehr viel besser. Inzwischen gibt es aber auch hier eine jährliche Förderung in Höhe von 50 Millionen Euro bis 2023. Auch an unserem Hauptsitz in Hamburg gibt es nach langer Zeit endlich wieder Bewegung bei der Förderung. Von 2020 bis 2023 sollen hier insgesamt rund zwei Millionen Euro zur Förderung neuer Projekte bereitgestellt werden.
Welches Bundesland macht es noch besser?
Wir hoffen wie gesagt, dass die Hamburger Förderung die gewünschten Ergebnisse bringt. Bisher war es leider so, dass viele Firmen innerhalb Deutschlands lieber nach Berlin, Bayern oder Nordrhein-Westfalen gegangen sind. Gerade NRW ist immer noch ganz vorne dabei, wo sich selbst der Ministerpräsident Armin Laschet quartalsweise mit der Games-Branche zusammensetzt.
Sie erwähnten gerade die positiven Zeichen aus der Politik: Für die Jahre 2020 bis 2023 werden im Bundeshaushalt 200 Millionen Euro für Games-Förderung eingeplant, also 50 Millionen Euro pro Jahr. Ist das viel, ausreichend oder zu wenig?
Die Förderung in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr ist ein Schritt in die richtige Richtung und wir freuen uns über diese Entscheidung, die endlich auch die so wichtige längerfristige Perspektive bietet. Ob damit das eigentliche Ziel, nämlich Deutschland im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger zu machen, erreicht werden kann, wird sich zeigen. Denn auch nach der Entscheidung gibt es vor allem immer noch einige Haken.
Welche?
Erstens geht die Auszahlung sehr schleppend voran und zweitens prüft die EU seit fast einem Jahr, ob die Förderung so überhaupt rechtens ist. Drittens gibt es immer wieder Diskussionen über die Kriterien für die Auszahlung. So muss beispielsweise ein bestimmter Anteil der Kosten bei der Entwicklung selbst getragen werden. So weit, so gut. Der aktuelle Entwurf des Bundesministeriums sieht allerdings vor, dass projektbezogene Zuschüsse Dritter nicht als Eigenanteil anerkannt werden. Und genau das ist in anderen Branchen wie der Filmindustrie gang und gäbe. Hier gibt es also nach wie vor noch einiges zu klären.
Wie gut geht es denn Innogames als Spiele-Entwickler im deutschen Games-Markt?
Uns geht es sehr gut. Wir wachsen von Jahr zu Jahr immer noch zweistellig und sind hochprofitabel. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich im Hinblick auf das, was bei besseren Rahmenbedingungen am Standort möglich wäre, aber trotzdem nur eine Sieben vergeben.
Warum das?
Weil wir noch weitaus mehr können und in vielen Bereichen erst am Anfang stehen. Wir haben noch weiteres Wachstumspotenzial insbesondere in der Entwicklung von Mobile-Spielen.
Innogames erzielte 2019 einen Umsatz von 190 Millionen Euro, die EBITDA-Marge lag bei 26 Prozent. Was war die Grundlage für das zwölfte Umsatzwachstum in Folge?
Das Wachstum wurde vor allem von den mobil verfügbaren Spielen getrieben. Dort lagen die Zuwächse bei 14 Prozent. Die Umsätze über Apps tragen mittlerweile fast 50 Prozent zum Gesamtumsatz bei. „Forge of Empires“ war dabei ein wesentlicher Wachstumstreiber für den Unternehmenserfolg. Unser Gesamtumsatz über das Strategiespiel liegt seit dem Launch im Jahr 2012 bei über 500 Millionen Euro. Aber auch Klassiker wie „Die Stämme“ trugen mit einem Umsatzplus von zehn Prozent erheblich zur nachhaltigen Entwicklung bei.
Wie verdienen Sie Ihr Geld?
Wir setzen auf „Free-to-Play“-Spiele. 90 Prozent unserer Nutzer spielen komplett kostenlos. Aber es gibt auch einen harten Kern von zehn Prozent, der Geld in die Hand nimmt, um sein Spielerlebnis mit speziellen Features – sogenannten In-Game-Käufen – zu verbessern. In-Game-Advertising ist bei unseren eher speziellen Strategiespielen dagegen weniger geeignet, weil eine sinnvolle Einbindung von Werbepartnern schlicht nicht möglich ist und wir auch das Spielerlebnis nicht verwässern möchten.
Die Werbeindustrie entdeckt sowohl den E-Sports- als auch den Gaming-Markt immer mehr für sich. Das ist für die potenzielle Steigerung Ihrer Erlöse also irrelevant?
Das könnte man so sagen. Wenn man für E-Sports geeignete Spiele entwickelt, gibt es zwar sicherlich mittlerweile gute Möglichkeiten, mit der Industrie zusammenzuarbeiten – ohne dass direkt im Spiel Werbung eingebunden werden muss. Aber das ist ganz klar nicht unsere Strategie.
Warum entwickeln Sie kein E-Sports-Spiel?
Wir wollen möglichst viele Menschen mit unseren Spielen erreichen. Innogames ist und bleibt im Massive-Multiplayer-Genre zu Hause, wo sehr viele Gamer gleichzeitig gegeneinander spielen können. Das lässt sich im turniergetriebenen E-Sports-Business nicht abbilden. Oder auf Deutsch gesagt: „Schuster, bleib bei deinem Leisten.“
Wie viele Browser- und Mobile-Spiele haben Sie aktuell?
Derzeit sind es sieben Spiele, die alle über den Browser sowie auch per App spielbar sind. Dass es für beide Plattformen Bedarf gibt, zeigt uns das Nutzungsverhalten: Abends nach der Arbeit nehmen sich viele Menschen mehr Zeit, um am Browser zu spielen, während die App morgens für deutlich kürzere Sessions beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit genutzt wird.
Welche Märkte sind für Innogames am wichtigsten?
Absteigend nach Umsatz sind die USA, Deutschland, UK und Frankreich die Kernmärkte für Innogames. 2019 betrug das Wachstum der mobilen Umsätze in den USA neun Prozent, während dieser Anteil in Deutschland und Frankreich um 20 beziehungsweise 21 Prozent gesteigert wurde. Insgesamt beobachten wir, dass sich die Märkte weltweit annähern, wenn man mal von einigen Spielen absieht, die ausschließlich in speziellen Ländern wie Südkorea oder Japan funktionieren. Grundsätzlich legen wir unseren Fokus auf Europa und die USA, weil wir diese Märkte sehr gut kennen und dementsprechend passende Spiele entwickeln können. Zudem fällt uns das Marketing dort leichter als beispielsweise in Asien, wo andere kulturelle Erwartungen herrschen.
Wie steuern Sie von Hamburg aus Ihre globale Marketing-Kommunikation?
98 Prozent unserer 400 Mitarbeiter sind zwar in Hamburg, aber wir haben in der Belegschaft über 30 verschiedene Nationen und etwa 150 Mitarbeiter, die keinen deutschen Pass haben. Insofern ist hier im Haus für die verschiedenen internationalen Märkte viel Know-how vorhanden. Zudem sind wir international viel auf Messen und Events unterwegs und pflegen enge Partnerschaften mit ebenfalls international tätigen Unternehmen wie beispielsweise Facebook oder Google.
Auf welche Kanäle setzen Sie und wie viel Geld haben Sie dafür zur Verfügung?
Facebook, Google und Display machen sicherlich den größten Teil aus, aber wir setzen immer wieder auch auf klassische Kanäle wie TV. Einen genauen Wert zum Werbebudget möchte ich nicht nennen, aber ganz grob handelt es sich um einen hohen zweistelligen Millionen-Betrag.
Zum Abschluss ein Blick in die Glaskugel: Was ist eigentlich die nächste große Plattform nach Mobile?
Wenn ich das wüsste – diese Plattform kennen wir selbst noch nicht! Und bisher habe ich auch noch niemanden getroffen, der mir sagen konnte, was nach Mobile kommt. Im Gegenteil: Auch nach Jahren am Markt wachsen wir vor allem mobil von Jahr zu Jahr weiter. Insofern bleibt das Smartphone auch für die kommenden Jahre sicherlich die beste Plattform für uns.