Karriere in Social Media: Wie aus einem Hobby ein Business wurde

Ich hatte fast vergessen, wie gerne ich schreibe. Neben mir steht ein Flat White mit Hafermilch. Ich haue in die Tasten meines in die Jahre gekommenen Laptops, das Smartphone liegt daneben. Mein Schreibtisch ist weiß, ich sitze in meiner kleinen, skandinavisch eingerichteten Wohnung, alles Instagram-fähig – versteht sich. #mynordicroom #interior
Immer auf neuen Kanälen unterwegs: Vanessa Blome schaut sich jede neue Social App sofort an – denn wer weiß schon, wer oder was die bekannten Player bald ablöst?

Von Vanessa Blome

Ist dies ein ungewohnt persönlicher Einstieg für einen Artikel in der absatzwirtschaft? Das könnte daran liegen, dass ich jahrelang mit genau dieser Art zu schreiben monatlich 25.000 Leserinnen und Leser begeistert habe. Auf einem Blog, den ich mit Tagebuch-ähnlichen Einträgen bestückt und die Leserschaft direkt angesprochen habe. Persönlich, im Dialog und ohne journalistischen Anspruch. Es galt sogar: Je persönlicher und ehrlicher ich war, desto mehr Beifall bekam ich. Aus dem denglischen Fachjargon: Ich war relatable. Das Mädchen von nebenan mit den gleichen Problemen und Fragen an das Leben wie ihre Abonnentinnen und Abonnenten. Meine Leserinnen und Leser konnten sich mit mir identifizieren. Ich war wie eine große Schwester oder eine gute Bekannte, deren Empfehlung sie vertrauten, weil sie mich oder zumindest das, was ich von mir teilte, kannten.

Das Spannende daran: Dieses anfangs eher heimlich geführte Projekt verselbstständigte sich im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Nebengewerbe, das über die Jahre mehr als 50.000 Euro abwarf und dazu führte, dass ich mit über 100 verschiedenen Marken aus unterschiedlichen Branchen zusammenarbeitete. Aber . . . wie bin ich da reingeraten?


Vanessa Blome

Geboren in Varel, einer Stadt in Friesland am Meer, zog es Vanessa Blome in die Hansestadt Hamburg, denn hier gibt es auch genug Wolken und Wasser. Als gelernte Kommunikationsdesignerin arbeitete Vanessa zunächst als Artdirector in einer Werbeagentur. Danach als Marketing & New Business Managerin bei einer Digitalagentur-Gruppe und mit einem kurzen Umweg als Sales Managerin über Meedia ist sie derzeitig bei JDB Media als Key Account Managerin unter anderem für das „DUB Unternehmer“-Magazin zuständig.

Linkedin & Xing: Vanessa Blome

Instagram: @joleenaknows

Web: www.vanessablome.de


2010 erzählte mir eine gute Freundin, dass sie ihre Modetipps inzwischen auf Blogs statt in Magazinen finde. Ob das nicht was für mich wäre, fragte sie mich, da ich doch fotografieren könne und mein Modegeschmack auch ganz passabel sei. Aber wer soll sich denn für meine alltäglichen Outfits interessieren, fragte ich mich. Ohne jemandem davon zu erzählen, eröffnete ich einen Blog und stellte zunächst Fotografien, die ich von Freunden und Natur machte, online. Manchmal auch Selbstporträts, die interessanterweise erheblich mehr Anklang fanden. Die positive Resonanz auf meine Mode, Fotos und Texte überraschte und überwältigte mich, ein Mädchen von 20 Jahren.

Die erste Einladung von adidas im Postfach

Ich fokussierte mich fortan auf das Veröffentlichen meiner alltäglichen Outfits. 2011 zog ich nach Hamburg und hatte prompt die erste Event-Einladung von Adidas in meinem Mail-Postfach. Es winkten ein 50-Euro-Gutschein und ein exklusiver Abend für die Presse und eine Handvoll Modeblogger und Bloggerinnen. Bis dahin hatte ich zwar schon verstanden, dass es wirklich eine Zielgruppe für meine Inhalte gibt, aber nun wurde mir auch klar, dass eine native Integration von Produkten in meine Inhalte eine attraktive Bühne für Marken bot. Der Begriff „Blogger Relations“ steckte noch in den Kinderschuhen.

Bei „Fashionblog Hamburg“ unter den Top 3 bei Google

Wer im Jahr 2012 nach „Fashionblog Hamburg“ suchte, fand mich unter den Top 3 der Google-Suchergebnisse. In Bezug auf SEO hätte ich sicher vieles besser machen können, aber selbst ohne eine bewusste Optimierung meiner Beiträge bekam ich Anfragen von vielen Marken und Agenturen.

Influencerin Vanessa Blome hat unter anderem mit About You, Adidas und Nespresso zusammengearbeitet.

Als weitere Vermarktungskanäle kamen Twitter, Instagram, Facebook, Youtube und später Pinterest hinzu. Überall baute ich ganz intuitiv eine Präsenz auf und sammelte Erfahrungen und Know-how.

Die meisten Marken haben es nicht leicht, weil sich auf Social Media alles um Vielfalt und persönlichen Austausch dreht und nicht um einzelne Marken und ihre Produkte. Alle wollen die Kanäle kostenfrei nutzen, aber sind genervt von Werbung. Wenn dann auch noch die auf Targeting basierende, perfekt zugeschnittene Kampagne platziert wird, wächst manchmal sogar das Misstrauen der Plattform gegenüber. Als Alternative gelten Influencer-Marketing oder User-generated Content, die Entwicklung von neuen Formaten und das Nutzen von neuen Features wie beispielsweise Filter oder Gifs. Aber keine Strategie ist ein Garant.

Die einzige Konstante in Social Media ist der Wandel

2013 wurde ich angefragt, bei einem Youtube-Kanal – natürlich zum Thema Mode – als Moderatorin mitzuwirken. Wir stellten sogenannte Hauls – Shopping-Ausbeuten – vor, besuchten Events und Flohmärkte oder veröffentlichten Outfit-Inspirationen. Ich hatte zwar keine Erfahrung in der Moderation, aber das stand bei einem Vlog sowieso im Hintergrund. Auf Youtube wurden Vlogger groß, die authentisch und menschlich waren. Ein Versprecher? Super, das wirkt sympathisch und charmant! Das hat sich bis heute nicht verändert.

Denn das wird sich nie ändern: Eine Persönlichkeit mit Entertainmentfaktor und Glaubwürdigkeit macht Content und Format erfolgreich. Aber man sollte sich auch an neue Formate auf neuen Kanälen wagen: Ich glaube daran, dass man das Rad eben doch manchmal neu erfinden muss. Wenn eine neue Social App auf den Markt kommt, wird sie von mir sofort inspiziert. Wer weiß, ob sie die großen, bekannten Player bald ablösen wird? Vielleicht besteht hier die Chance, sich eine führende Position zu erarbeiten oder die App gewissermaßen mitzugestalten?

2014 erhielt ich neben Advertorials und Produktintegrationen auf meinen eigenen Kanälen weitere spannende Aufträge als Testimonial, Moderatorin, Brand Ambassador, Event Host oder Content Creator. Ich habe unter anderem für Marken wie Puma, Görtz, About You, Vapiano, Procter & Gamble, Tchibo, Coca-Cola oder jüngst Nespresso gearbeitet.

Mit Netzwerk zur Erfüllung seiner Träume

2015 erlebte ich mein persönliches Highlight: die Veröffentlichung eines Albums. Als meine damalige Youtube-Kollegin ihrem Freund von meiner Gesangsstimme erzählte, wurde aus der Musik ein ernsthaftes Projekt namens Joleena, an dem wir zwei Jahre nebenberuflich arbeiteten. Wir konnten unsere erste Single-Auskopplung „Stand by“ direkt in die Werbung bringen: zum einen in einem Online-Spot von Hyundai und zum anderen in einer TV-Kampagne von Lascana. Es folgten Auftritte auf der Berliner Fashion Week, beim Lascana-Event und im Regionalfernsehen Hamburg. Durch die Reichweite meiner Kanäle, die Unterstützung meiner Freunde und Kollegen sowie gutes Storytelling hatte ich die besten Voraussetzungen für eine spannende Karriere. Am Ende stand ich mir jedoch selbst im Weg: Ich bin vor jedem Gesangsauftritt fast gestorben vor Aufregung. In der Folge stellten wir das Projekt erst einmal wieder ein.

Wie sich meine Einstellung zur Mode veränderte

2018 habe ich das Bloggen über Mode endgültig eingestellt. Denn ich habe mich nicht nur beruflich weiterentwickelt, sondern auch meine Haltung geändert: Als ich anfing, meine Outfits zu zeigen, machten sich nur wenige Menschen Gedanken darüber, wo die Kleidung eigentlich herkommt und welche Auswirkung der grenzenlose Konsum auf die Welt hat. Ich musste mir eingestehen, dass ich den Ansatz meines Blogs, ständig neuen Trends nachzujagen oder Kaufempfehlungen auszusprechen, nicht mehr vertreten kann. Meine Prioritäten und Interessen haben sich im Laufe der Jahre gewaltig verschoben.

Spätestens heute, in Zeiten von „Fridays for Future“ finde ich es peinlich, jeden Tag ein neues Outfit zu präsentieren oder von Reiseziel zu Reiseziel zu jetten und einem Otto Normalverbraucher zu suggerieren, dass dieser Lifestyle erstrebenswert ist.

Beruflicher Weg minutiös durchgeplant

Hauptberuflich bin ich einen ungewöhnlichen Weg mit unterschiedlichen Stationen gegangen. Dieser Weg wirkt vielleicht unentschlossen, aber ich versichere Ihnen: Er ist minutiös durchgeplant. Um meinen Werdegang – Stand heute – in einem Satz zusammenzufassen: Ich habe gelernt, Inhalte und Produkte zu entwickeln, zu vermarkten und zu verkaufen. Nebenberuflich für mich, hauptberuflich für meine Arbeitgeber.

Zwar befülle ich meine Kanäle weiterhin nach Belieben, aber inzwischen konzentriere ich mich auf B-to-B. Zum Beispiel als Speakerin auf Marketing-Events, in der strategischen Beratung von Marken, im Verkauf von Mediaflächen & Kommunikationsleistungen oder in der Entwicklung von spannenden Formaten, die Marketer glücklich machen.