Inflation beeinflusst Biohandel in Deutschland

Wegen der hohen Inflation müssen viele Menschen beim Einkaufen stärker auf den Preis achten. Umwelt- und gesundheitsbewusst leben wollen sie aber trotzdem. Das beschert den Discountern einen Bio-Boom.
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Bio-Produkte werden zunehmend bei Discountern und Supermärkten gekauft. Darunter leidet der Bio-Fachhandel. (© Unsplash/ Alexander Schimmeck)

Die hohe Inflation in Deutschland ist dabei, den Biohandel in Deutschland tiefgreifend zu verändern. „Es wird weiter Bio gekauft – aber billiger. Die Bereitschaft, höhere Preise für Bioprodukte zu bezahlen, hat angesichts der allgemeinen Preissteigerungen spürbar abgenommen“, beschreibt der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK den Umbruch. Gewinner der Entwicklung seien vor allem die Discounter, Verlierer die Bio-Supermärke und Naturkostläden.

Während die Bio-Supermärkte und die Naturkostläden im vergangenen Jahr laut GfK ein deutliches Umsatzminus von gut 18 Prozent ausweisen mussten und renommierte Händler wie Superbiomarkt oder Basic den Gang zum Insolvenzgericht antraten, erzielten die Discounter bei Bio-Lebensmitteln und Bio-Getränken ein Plus von gut 11 Prozent. „Bei Bio zieht billig“, beschrieb das Branchenfachblatt „Lebensmittel Zeitung“ die Entwicklung.

„Angesichts der hohen Inflation entscheiden sich viele Kunden, die früher vor allem bei Bio-Fachhändlern gekauft haben, für unsere Produkte“, beschreibt auch der Einkaufschef von Aldi Süd Erik Döbele die Situation und fügt dann hinzu: „Diese neuen Kunden wollen wir langfristig an uns binden.“

Neue Marke „Nur nur Natur“ bei Aldi Süd

Aldi Süd hat wohl auch deshalb gerade eine neue Bio-Marke unter dem etwas gewöhnungsbedürftigen Namen „Nur nur Natur“ auf den Markt gebracht. Das Besondere daran: Die Produkte erfüllen „größtenteils“ die Kriterien des Öko-Verbandes Naturland und übertreffen damit deutlich die Kriterien des bisherigen Bio-Sortiments. Vielen Kund*innen, die bislang in Bio-Supermärkten und Naturkostläden einkaufen gingen, dürfte das entgegenkommen.

Noch ist das Sortiment klein. Es startete in diesem Monat gerade einmal mit 15 Produkten von der nicht-homogenisierten Frischmilch bis zu Dinkel-Spaghetti. Doch soll die Zahl der Produkte bis Mitte nächsten Jahres auf über 50 aufgestockt werden. Konkurrent Lidl arbeitet sogar schon seit fünf Jahren mit dem Öko-Verband Bioland zusammen, dessen Ansprüche denen von Naturland ähneln. Aktuell sind in den Lidl-Filialen nach Unternehmensangaben bereits mehr als 100 Bioland-Produkte erhältlich.

Auch der zum Rewe-Konzern gehörende Discounter Penny kündigte bereits im Februar eine Kooperation mit Naturland an. „Wir sehen aktuell zwei Tendenzen. Zum einen ist die Nachfrage nach Bio-Produkten ungebrochen, trotz der auf breiter Front steigenden Lebenshaltungskosten. Zum anderen nimmt dabei aber auch die Preissensibilität der Kundinnen und Kunden zu“, sagte der Rewe-Manager Philipp Stiehler. Die Folge: Im vergangenen Jahr steigerte die Rewe-Tochter ihren Bio-Umsatz nach eigenen Angaben um mehr als zehn Prozent.

„Bio ist nun überall“

Auch der zur Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto ist längst auf den Zug aufgesprungen. Auch viele Artikel seiner Biomarke Naturkind erfüllen nach Unternehmensangaben die Richtlinien von Anbauverbänden wie Bioland oder Naturland erfüllen. Ohne Zweifel ist das Thema Bio für die Discounter eine Erfolgsgeschichte. „Rund 15 Prozent unseres Standard-Sortiments besteht inzwischen aus Bio-Produkten. Vor 18 Jahren, als die ersten Bio-Produkte bei Aldi Süd Einzug hielten, hätte sich das noch niemand vorstellen können“, sagt die Aldi-Süd-Managerin Julia Adou. Auch bei Lidl sollen Bio- und Bioland-Artikel bis 2025 zehn Prozent des Gesamtsortiments ausmachen.

Für den klassischen Bio-Handel ist der Siegeszug der Discounter allerdings ein Problem. Der Gründer des Bio-Imperiums Alnatura Götz Rehn, sage kürzlich der „Lebensmittel Zeitung“, für viele Fachhandelsmarken und auch für viele Bioläden sei die aktuelle Neuordnung der Marktanteile eine große Herausforderung. „Bio ist nun überall“, meint er. Entscheidend für die Fachmärkte sei es nun, ob es ihnen gelinge, den Unterschied zwischen ihrem Angebot und dem Discount-Bio-Sortiment noch deutlicher zu machen. „Denn qualitativ ist das ein großer Unterschied“, betonte der Branchenkenner.

Die Frage ist nur, ob die Kunden das genauso sehen. Nach Einschätzung der GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Hanna Kehl ist es ungewiss, ob der Bio-Fachhandel die in den vergangenen Monaten an Supermärkte und Discounter verlorenen Kunden nach der Krise wird zurückgewinnen können. „Die Wiederkaufsrate bei Bio-Handelsmarkenprodukten ist hoch. Das spricht dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Produkten zufrieden sind. Warum sollten sie dann wieder wechseln?“

dpa/Erich Reimann