Wie können Städte Sharing-Konzepte nutzen, um der hohen Nachfrage nach Sharing-Angeboten zu begegnen?
„Sharing ist ein Trend, nicht nur in Berlin, sondern weltweit und wird gerade hier auch gelebt. Im Grunde erweitern Sharing-Angebote lediglich den klassischen Markt, indem sie Benutzerrechte auf Zeit verkaufen – sei es für Musik, Autos oder eben Wohnungen. Das können Städte durchaus zu ihrem Vorteil nutzen. Ein leicht zugängliches Angebot an Mieträdern oder auch Carsharing können helfen, den Innenstadtverkehr zu entlasten. Ein großes Angebot an Co-Working Spaces, also flexibel anmietbaren Arbeitsräumen, kann eine Stadt attraktiver für Geschäftsreisende und Kongressbesucher machen. Wenn eine Stadt verstärkt diese Zielgruppe ansprechen will, wie wir das derzeit tun, zahlt es sich möglicherweise aus, solche Angebote zu fördern. Bei alldem gilt jedoch: Eine gesunde Regulierung muss dafür sorgen, dass Sharing-Angebote und klassische Angebote in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, und dass eine Stadt auch für ihre Bewohner attraktiv bleibt.”
Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit alle profitieren – die Bürger, die Neu-Berliner, die Touristen?
„Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Berliner ihre Wohnungen zwischendurch für eine gewisse Zeit untervermieten wollen. Aber auf Plattformen wie Airbnb, 9Flats oder Booking.com wird in großem Umfang auch gewerblich vermietet. Dabei ist in den vergangenen Jahren einiges an Wildwuchs entstanden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Eine internationale Stadt wie Berlin braucht Ferienwohnungen. Das gehört genauso dazu wie eine wunderbare Hotellandschaft. Wenn dies aber Ausmaße annimmt wie in Berlin mit zuletzt bis zu 15.000 Ferienwohnungen, ist das kaum sinnvoll. Dann haben viele Berliner das Gefühl, vom Tourismus bedrängt zu werden. Berlin ist nur dann ein Tourismusmagnet, wenn es authentisch bleibt. Verhältnisse wie in Venedig oder Barcelona, wo Touristen und nicht Einheimische das Stadtbild prägen, dürfen in Berlin – im Interesse aller Beteiligten – nicht entstehen. Das Zweckentfremdungsverbot, das bereits seit 2014 die Vermietung von Ferienwohnungen in Berlin reguliert, sowie dessen aktuell vorliegende Anpassung sind richtige Schritte, um Berlin für Bewohner und Besucher attraktiv zu halten.”
Und fordert die Sharing Economy die traditionelle Tourismusbranche heraus oder ergänzt sie das touristische Angebot und ist somit ein relevanter Wirtschaftsfaktor?
„Der allgemeine Trend zu mehr Individualisierung macht sich auch in der Tourismusbranche deutlich bemerkbar. Der sogenannte „New Urban Tourism“ ist im Kommen: Immer mehr Berlin-Besucher wollen die Stadt abseits ausgetretener Pfade und klassischer Sehenswürdigkeiten erleben. Statt der klassischen Sightseeing-Tour wünschen sie sich ein unkonventionelles, authentisches Stadt-Erlebnis. Ferienwohnungen in normalen Wohnhäusern bieten die Möglichkeit, mitten im Kiez zu wohnen – Stichwort: „live like a local“. Mit dieser Idee sind Sharing-Angebote wie Airbnb eine nicht wegzudenkende Säule des Tourismus geworden. Und der Anteil der Sharing Economy an den Übernachtungszahlen in der Hauptstadt wächst. Allein 2017 verzeichnete die Plattform hier 700.000 Gäste, die im Schnitt jeweils 4,2 Nächte blieben. Gerade wegen dieses Erfolgs steht Airbnb aber auch in der Verantwortung: Sie dürfen die Stadt, die sie anbieten, nicht zerstören – sonst nehmen sie sich selbst die Zukunft. Aber auch die Hotels sind gefragt, sich den wandelnden Wünschen und Anforderungen der Besucher anzupassen. Wir gehen davon aus, dass sich auch hier der Trend zu individuellen, authentischen Unterkünften fortsetzt. Erste Beispiele in Berlin sind das 25hours Hotel oder das Almodovar.”