Im Wettbewerb um den Kunden öffnet der Suchbegriff die Tür

Mit dem explosionsartig wachsenden Angebot im Web werden die Suchmaschinen zum Schlüssel für das Marketing. Experten sehen daher eine weltweite Verdreifachung der Suchmaschinenmarketing-Umsätze von heute drei auf elf Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren.

Satte 1,46 Euro kostete Rolf Schmidt der Suchbegriff „Briefumschlag“ im April 2004 beim Branchenprimus Google. Beim Vermarkter Overture Services, der Nummer Zwei im deutschen Markt für Suchmaschinenwerbung, war er schon mit 27 Cent dabei. Ähnlich die Verhältnisse bei „Versandtaschen“: Hier 36 Cent, da 2,40 Euro. Dabei waren im Vorjahresmonat beide Anbieter noch deutlich günstiger. Um durchschnittlich 83 Prozent stiegen im Jahresverlauf die Klick-Preise für ein Repertoire von 25 Suchbegriffen aus dem Verpackungsbereich bei Overture, bei Publikumsliebling Google gar um stolze 239 Prozent. Und dennoch. Auch der höhere Einsatz lohnt, bestätigt Werbekunde Schmidt. „Die Online-Umsätze steigen jährlich um 60 Prozent. Ohne Adword-Kampagnen wäre dies nicht möglich“, meint der Leiter Marketing beim Verpackungshändler Ratioform aus dem bayrischen Pliening. Mit keinem Instrument erreiche ein Unternehmen günstiger seine potenziellen Kunden als mit den bezahlten Keyword-Anzeigen, die deutlich als „Sponsored Link“ gekennzeichnet im Umfeld der herkömmlichen unbezahlten Suchergebnisse von Portalen, Inhalteanbietern und Suchmaschinen auftauchen: Die Kosten pro Neukunde betrügen gerade einmal ein Drittel der normalen Ausgaben, so Schmidt.

Besucheraufkommen verdoppelt
Auch Versandhändler Heine gehört seit letztem Jahr zu den Verwendern von Sponsored-Links. Denn die Bezeichnung Adwords verwendet ausschließlich Google, während bei allen anderen Anbietern der Begriff „Sponsored Link“ üblich ist. 1095 Einzelprodukte von Heine werden seither auf Altavista, Google, Fireball, Fast/Lycos sowie verschiedenen Shopping-Suchmaschinen mittels bezahlter Suchanzeigen vermarktet. Mit durchschlagendem Erfolg. So verdoppelte sich das Besucheraufkommen von durchschnittlich 66534 Visits auf 137909 Besucher. Gleichzeitig verdreifachte sich die Zahl der Bestellungen, und das bei erheblich geringeren Kosten. Innerhalb von vier Monaten sanken die durchschnittlichen CpO-Kosten (Cost per Order) von 15,90 Euro auf 5,10 Euro. Immer mehr Unternehmen bespielen wie Ratioform oder Heine die Klaviaturen des Suchmaschinenmarketings, setzen auf Keyword-Advertising und Rankingoptimierung der eigenen Websites innerhalb der üblichen, unbezahlten Ergebnislisten. Denn ohne Suchmaschinen geht nichts mehr im Netz. Rund 90 Prozent der Nutzer starten ihre virtuellen Erkundungs- und Einkaufstouren via Eingabe in ein Suchfenster, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Rund 28 Prozent der Nutzer wählen spontan eines der ersten Suchergebnisse, ergab eine Analyse des Hamburger Marktforschungsunternehmens Fittkau & Maaß. Weitere 42 Prozent lesen noch die erste Seite, bevor sie sich entscheiden. Bei der Mehrheit der Nutzer stoßen die bezahlten Suchanzeigen also auf Akzeptanz, rund 10 Prozent bewerten sie sogar als gut und interessant.

Suchmaschinen-Marketing braucht keine großen Budgets
Etwa 30 Prozent des Online-Werbekuchens entfallen in diesem Jahr bereits auf das Segment Suchmaschinenmarketing, schätzen Experten. Deutschland bildet hier keine Ausnahme, das werbliche Suchfieber grassiert global. Je nach Studie auf zwei bis drei Milliarden Dollar wird der Markt für bezahlte Sucheinträge weltweit geschätzt. Allein Google kassierte mit seinem Cashbringer Adwords im Jahr 2004 rund 962 Millionen Dollar. Dabei sind es nicht nur omnipräsente Werbegrößen wie Ebay, Amazon oder Tchibo, die auf die Konten von Google und Co. einzahlen, sondern vor allem auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denn der Aufstieg in den Suchmaschinen-Werbeolymp ist auch mit kleinem Budget mach- und steuerbar, vorausgesetzt Strategie und Konzept stimmen.

Als „Mischung aus Kundenansprache, technischen Aspekten und Rechenkunst“ charakterisiert Suchmaschinenexperte Robert Biermann, Geschäftsführer der Dinslakener Agentur Webeffekt in seinem kompakten Handbuch „Direktmarketing in Echtzeit, Richtig werben mit Google AdWords &Co;.“ den nötigen Mix der Disziplinen. Denn im Unterschied zu klassischen Werbeformen existieren – von Mindestgeboten im unteren Cent-Bereich abgesehen – keine Fixpreise. An welcher Stelle innerhalb der Werbeeinblendungen seine Anzeige auftaucht, entscheidet der Werbetreibende. Je höher sein Gebot, desto attraktiver sein Listenplatz, wobei gilt: Gebote korrigieren sich automatisch nach unten. Bietet Kunde X etwa 80 Cent, Kunde Y nur 65 Cent, liegt der tatsächliche Preis für X bei 66 Cent. Einzig Google macht eine Ausnahme: Hier entscheidet die Multiplikation von Maximalgebot mit der Klickpopularität der Anzeige über das tatsächliche Ranking. Bietet Firma X etwa 80 Cent pro Klick, punktet aber aufgrund eines weniger attraktiven Anzeigentextes nur bei 1,5 Prozent der Suchenden, rankt Google seinen Wettbewerber trotz eines niedrigeren Gebots von 50 Cent aber einer höheren Klickrate von drei Prozent vor ihm. Doch im Voraus wird niemand zur Kasse gebeten, bezahlt wird erst dann und nur dann, wenn der Kunde den entscheidenden Klick macht.

Der genaue Preisvergleich lohnt, klaffen die Preise der Vermarkter aufgrund der Reichweiten ihrer Partnernetzwerke weit auseinander. In der Regel korrelieren sie jedoch auch mit höheren Klickraten, das heißt Position eins bei Google erzeugt unter Umständen ein Vielfaches der Klicks wie derselbe Platz im Espotting-Netzwerk. Im Einzelfall kann sich eine andere Gewichtung aber durchaus anbieten. Zudem ist der Spitzenplatz nicht zwingend am effektivsten. So heißt es etwa bei Versandhändler Heine: Angestrebt wird möglichst Platz drei im Anzeigenlisting. „Hier ist erfahrungsgemäß die Konversionsrate am besten“, berichtet Heine-Betreuer Dimitrios Haratsis von der Hamburger Agentur Eprofessional. Hieße das Marketingziel dagegen nicht Return on Investment sondern Branding, sei der meist ungleich teurere Spitzenplatz geboten.

Spezifische Keywords sichern fokussierte Kundenansprache
Die wichtigste Stellschraube stellt jedoch das Keyword-Repertoire selbst dar. „Was sucht meine Zielgruppe wie?“ lautet hier die Ausgangsfrage, deren Beantwortung in der Praxis im Laufe der Zeit erfahrungsgemäß stark korrigiert und verfeinert werden muss. Denn generische Begriffe wie Reise oder Versicherung sind zwar absolute Quotenbringer, haben aber einen entscheidenden Nachteil: Sie sind teuer, und generieren zunächst nur Besucher aber nicht unbedingt Käufer. Eine fokussierte Kundenansprache durch die Hinterlegung zahlreicher spezifischerer Keywords kann die mangelnde Breitenansprache in Kombination mit attraktiven Anzeigentexten teilweise mehr als wettmachen. Rund 80 Prozent des Traffics gehe bei seinen Kunden auf das Konto seltener und zum Teil sehr komplexer Suchabfragen, bestätigt Agenturchef Biermann.

Punkt drei im Mix heißt Technik. Wissen wie die Suchmaschinen ticken, nach welchen Algorithmen sie ihre natürlichen Ergebnislisten zusammenstellen, zahlt sich noch immer in barer Münze aus. Zwar zeitigt die Indexoptimierung etwa durch dicht verlinkte Micro-Sites erfahrungsgemäß erst nach rund drei Monaten den gewünschten Erfolg, doch dann lässt sich das Potenzial des Suchmaschinenmarketings voll ausschöpfen. Gehen die über die normalen Trefferlisten generierten Klicks nach oben, können die Adword-Anzeigen nach unten gefahren werden. Und umgekehrt.

Nur eingleisig fahren hieße im Gegenzug Potenzial verschenken. Denn Adword-Kampagnen sind stark preisvolatil, das Budget kann daher schneller erschöpft sein als geplant. Riskant ist aber auch, allein auf die Karte Index-Ranking zu setzen: Wer heute oben steht, kann schon morgen ganz weit nach unten abrutschen. Der Platzverweis resultiert zum einen aus den Gepflogenheiten der Suchmaschinen, ihre Ranking-Algorithmen laufend zu ändern, um nicht zuletzt so genannte Spammer auszubooten. Kritiker vermuten dahinter allerdings auch die Strategie, mehr zahlende Kunden in den sicheren Hafen der bezahlten Suche zu locken. Zudem schläft auch der Wettbewerb nicht, die vorderen Plätze in den Trefferlisten sind als Traffic-Bringer für die eigene Site heiß begehrt.

Die Zahl der zu berücksichtigenden Suchmaschinen ist dabei ebenso überschaubar geworden wie die der Vermarkter, die im Geschäft mit bezahlten Sucheinträgen eine nennenswerte Rolle spielen. Mit Buchungen der Netzwerke von Google, Overture und Espotting ist die deutsche (wie auch europäische) Internetgemeinde fast gänzlich abgedeckt. Denn die reichweitenstarken Claims, die großen Suchdienste und Portale wie T-Online, AOL, Web.de, gmx oder freenet sowie populäre Medien- Sites sind fest in den Händen der Erstligisten. Kleinere Anbieter wie der Konstanzer Vermarkter Qualigo oder Newcomer wie der englische Aspirant Mirago, in UK eine feste Marktgröße, haben praktisch keine Chance auf eine Positionierung jenseits der fünf Prozent Nische.

Suchmaschinenmarkt konsolidiert sich derzeit
Auch bei den Suchmaschinen selbst konzentriert sich das Rennen auf drei Konkurrenten: Google, AskJeeves und Shootingstar Yahoo. Denn Portalbetreiber Yahoo rüstete in den letzten Monaten vehement auf. Um im Zukunftsmarkt Paid Search vorne dabei zu sein, nahm er sowohl Suchtechnikanbieter Inktomi unter seine Fittiche als auch Vermarkter Overture, der sich im Vorfeld bereits die Suchmaschine Altavista sowie die Search Unit von Fast einverleibt hatte. Jüngste Yahoo-Tochter ist die im Frühjahr 2004 übernommene französische Produktsuchmaschine Kelkoo. Publikumswirksam wird bereits Paroli geboten: Eine aktuelle Anzeigenkampagne mit dem Claim „Ich hab’s! Yahoo! Suche.“ kommuniziert klar die neue Positionierung als potenter Suchpartner. Yahoos Tempo verwundert dabei nicht, rüstet sich Softwaregigant Microsoft derzeit doch ebenfalls für den Einstieg in den Zukunftsmarkt.

Den Kunden kann es nur recht sein, schlägt sich die verschärfte Konkurrenz doch in neuen Angeboten und besserem Service nieder. Sowohl Marktforschungstools zur Evaluierung und Bewertung relevanter Suchbegriffe als auch Reporting- und Tracking-Software gehören bei den Big-Three zum Standard. Auf Angebotsseite steht die Markteinführung der geocodierten Suche sowohl bei Google als auch bei Overture kurz bevor. Hierbei werden Ortsinformationen des Nutzers (basierend auf den Längen- und Breitengraden seiner IP-Adresse) bei der Ergebnisanzeige berücksichtigt, was Werbetreibenden zum ersten Mal auch eine lokale Kampagnenaussteuerung ermöglicht.

Auf der Suche nach neuem Terrain erprobt Google derzeit zwei weitere Alternativen: Einmal die Nutzung seines neuen E-Mail Dienstes „Gmail“ als Plattform für Werbeeinblendungen. Zum anderen experimentiert die Suchmaschine mit der Integration klassischer Bild-Werbung, zunächst allerdings nur auf den Seiten von Inhalte-Partnern.

Autor
Hertha Paulus ist freie Journalistin.

eingestellt am 24. September 2005