Das Thema der Digitalisierung fristet auf politischer Ebene immer noch ein Schattendasein – vor allem im Verkehrsministerium. Die daraus resultierende Schockstarre als Reaktion auf den digitalen Wandel führte dazu, dass Deutschland seinen Ruf als Innovationsmotor in der Welt verloren hat. Seit Jahren rangieren hiesige Unternehmen in Studien zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit nur auf den hinteren Rängen. Bei der Internetnutzung liegen deutsche Haushalte auf Platz 19.
Herausforderungen annehmen und sofort handeln
Die Strategie und die Implementierung digitaler Prozesse lehren Verantwortlichen in deutschen Unternehmen das Fürchten. Das liegt vor allem an den veränderten Innovationszyklen und Gesetzen der Wertschöpfung. Waren in der Vergangenheit Innovationen lokal und linear in ihrer Verbreitung, sind sie heute global und rasend schnell. Zudem entkoppelt die Digitalisierung die Wertschöpfung von der Arbeit. Früher führte Technologie zu mehr Arbeit, heute passiert das Gegenteil: Innovationen reduzieren Aufwand.
Die Unternehmensberatung McKinsey kommt zu dem Schluss, dass künftig etwa fünf Prozent der aktuellen Berufsbilder wegen neuer Technologien vom Markt verschwinden werden. Das entspricht 77 Prozent der geringqualifizierten und 18 Prozent der hochqualifizierten Berufsbilder.
In den Führungsetagen verbreitet sich daher die Überzeugung, agieren zu müssen. Digitalisierung soll zur Chefsache werden. Reisen ins Silicon Valley oder nach Israel werden zum Fortbildungsstandard in deutschen Unternehmen. Der Blick auf die Digital Champions macht hungrig und zeigt, dass kein Weg am sofortigen Handeln vorbeigeht. Doch wie soll man die digitale Transformation angehen?
Den Stillstand in Deutschland überwinden
Unternehmen brauchen künftig nicht nur vereinzelte Digitalisierungsbeauftragte. Wenige Champions bringen rein gar nichts, weil die Herausforderung so nur outgesourced wird. Ganz nach dem Motto: „Digitalisierung geht mich nichts an, das machen doch andere für mich.“
Es muss ein Kultur- und Mentalitätswechsel her – eine digitale Flächenbegeisterung. Wir müssen den technologischen Fortschritt in die Arbeitswirklichkeit einbetten. Statt externer Trainings braucht es Schulung und Motivation „on the Job“. Dabei sind Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Kooperationswillen der Schmierstoff für erfolgreiche Verhaltensänderung. Jedoch lässt sich diese nicht einfach so verordnen. Sie muss wirklich erlebt und aktiv gefördert werden.
Sorge vor Veränderung
Um die Komplexität dieses Wandels zu meistern, benötigen wir Erfahrungen in der Organisation von Transformations- und Change-Prozessen. Wenn die Arbeitsweise unter Druck gerät, Hierarchien flacher und Geschwindigkeit und Transparenz zu Erfolgsfaktoren werden, kommt es zunehmend auf den Einzelnen an.
Dabei spielt die Sorge vor Veränderung eine zentrale Rolle. Das hat auch Google erkannt: Mit dem Ziel, diese Ängste zu minimieren, hat der Datenriese zwei Jahre lang das Verhalten 180 verschiedener Teams beobachtet und analysiert. Der Algorithmus, der den Code für perfektes Zusammenarbeiten entschlüsseln sollte, kam aber nicht hinter die Erfolgsformel – allen Daten zum Trotz. Erst die Ergänzung der Beobachtungsmethode um psychologische und soziologische Faktoren erzielte valide Ergebnisse. Erkenntnis: Die „psychologische Sicherheit“ macht den Unterschied für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team.
Die Hauptaufgabe der Manager besteht künftig darin, den Mitarbeitern in der digitalen Transformation eine Perspektive zu geben, sie zu motivieren und auf die Innovationsreise mitzunehmen. Sie sollten idealerweise eine digitale Flächenbegeisterung entfachen. Diese entsteht aber nicht durch Chefansagen. Vielmehr brauchen wir in deutschen Unternehmen eine Kultur, die wieder Lust auf Innovationen macht. Nur wenn wir das Bewusstsein schaffen, dass der Wandel uns alle angeht, kann Deutschland wieder Innovationsmotor werden.