Im Gespräch mit Deutschlands erfolgreichster Managerin

Im Wall Street Journal-Ranking der erfolgreichsten Mangerinnen Europas tauchte zwei Jahre lang keine Managerin eines deutschen Unternehmens auf. Nun gelang Christine Licci der Sprung auf den 13. Platz. Die 38-Jährige kommt aus einer südtiroler Hoteliersfamilie. Nach dem Betriebswirtschafts-Studium in Mailand und den Stationen Treasurer und Leiterin Treasury in Frankfurt verantwortete sie den weltweiten Optionsscheinhandel der Citibank. 1999 wurde sie Vorstand der Citibank AG, 2001 Vorstandsvorsitzende der Citibank Privatkunden AG (Düsseldorf).


Frau Licci, Ihre Branche spricht von der schlimmsten Bankenkrise seit 50 Jahren. Die Citibank feiert jedoch das dritte Jahr in Folge Rekordgewinne. Was ist wirklich los in der deutschen Bankenlandschaft?

LICCI: Ich weiß nicht, ob wir wirklich in einer Bankenkrise stecken. Eines ist aber sicher: Es steht ein Strukturwandel bevor. Die Branche hat sich in den vergangenen Jahren zu wenig Gedanken über grundlegende Dinge gemacht. Die Märkte florierten derart, dass man notwendige Maßnahmen erst einmal zurückstellen konnte. Doch jetzt, da die Kapitalmärkte nicht mehr mitspielen, da die gesamte Wirtschaft nicht mehr mitspielt, werden die Versäumnisse offensichtlich. Ich bin aber überzeugt, dass die Branche gestärkt aus dieser Situation hervorgehen wird. Denn schwierige Situationen zwingen einem, den Kurs zu überdenken und das Geschäft klarer zu fokussieren.

Pro erlöstem Euro entstehen der Citibank 41 Cent Kosten, Tendenz fallend. Der Branchendurchschnitt liegt bei über 80 Cent. Selbst von der Konkurrenz werden Sie dafür offen bewundert.

LICCI: Das ist wirklich so. Natürlich freut es einem ganz besonders, wenn man von großen Konkurrenten offen als Vorbild genannt wird. Was man in diesem Zusammenhang wissen muss: Vor zehn Jahren hatten wir ein ähnliches Aufwands-Ertrags-Verhältnis wie die Konkurrenz. Die Gründe für unsere heutige Effizienz sind also in den Maßnahmen der letzten Jahre zu suchen. Zum Beispiel setzen wir unsere Mitarbeiter da ein, wo sie die größten Stärken haben und den höchsten Nutzen bringen. Unsere Mitarbeiter im Vertrieb sind hervorragende Verkäufer. Sie sollten ihre Zeit mit den Kunden verbringen und nicht mit Administration. Zweiter, wichtiger Punkt: Wir setzen Technik sehr umfangreich und effektiv ein. Und drittens erwarten wir von jedem Mitarbeiter, dass er mit dem Geld umgeht, als wäre es sein eigenes. Bei uns muss jeder die Sparsamkeit im Blut haben.

Es heißt, der Wohlfühlfaktor war bei der Citibank stark beschädigt, als Sie CEO wurden. Stimmt das?

LICCI: Ja.

Ein klares Ja. Das bedeutet: Inzwischen ist es anders?

LICCI: Ich glaube schon. Die Fluktuation hat sich jedenfalls halbiert. Ich denke, ich habe mir Glaubwürdigkeit erarbeitet, weil ich nicht eine Chefin bin, die den Chef herauskehrt. Ich verstehe mich als Dienstleister für meine Mitarbeiter. Ich muss sicherstellen, dass meine Mitarbeiter Rahmenbedingungen haben, in denen sie ihr Bestes geben können. Ich zitiere Mitarbeiter nicht zu mir, sondern ich gehe zu ihnen. Ich suche den Kontakt, gehe auch regelmäßig zu den Mitarbeitern vor Ort, in den Filialen und Call-Centern. Denn nur dort höre ich, was sie und die Kunden beschäftigt. Ich komme ja aus einem anderen Banking-Bereich und musste das Privatkunden-Geschäft vor zwei Jahren ganz neu lernen. Und ich muss sagen: Das ist vor allem bei den Besuchen an der Basis passiert. Deshalb mache nicht nur ich regelmäßig diese Besuche, sondern der gesamte Vorstand – was am Anfang schon ein kleiner Kulturschock war.

Vor einigen Jahren noch hatte die Citibank immer wieder großen Ärger mit den Gewerkschaften. Nun haben sich die Wogen geglättet – obwohl Sie Ihre Spar- und Effizienzbemühungen noch verstärkt haben.

LICCI: Sparsam zu sein muss nicht heißen, dass man die Mitarbeiter schlecht behandelt. Es ist alles eine Frage der Kommunikation. Betriebsräte und Gewerkschaften müssen konstant und offen über alles informiert werden, was das Unternehmen vor hat und vor allem auch warum. Wir haben inzwischen eine hervorragende Beziehung zu unseren Betriebsräten. Im letzten Jahr haben wir unsere drei Call-Center zusammengelegt. Das war eine sehr schwierige und harte Entscheidung. Dennoch wurde sie von den Betriebsräten unterstützt, weil sie verstanden haben, dass es nötig war.

Man hört, Sie seien eine sehr begabte Pianistin, in Ihrer Freizeit studieren Sie an einer Fern-Universität Kunstgeschichte. Sie sagten auch, es sei eine berufliche Alternative für Sie, irgendwo in der Natur ein kleines, romantisches Hotel zu betreiben. Wie sind Sie bloß in der Finanzwirtschaft gelandet?

LICCI: (lacht) Das frage ich mich auch manchmal… Nein, mit 16 war es wirklich mein Ziel, Konzertpianistin zu werden und das hätte ich womöglich auch geschafft. Doch meine Mutter hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hatte eher den Ansatz: „Mädchen, lern was G’scheites. Klavier spielen kannst Du in Deiner Freizeit.“ Also habe ich was G’scheites gelernt, habe in Mailand Wirtschaft studiert. Da ich vier Sprachen spreche, habe ich mich gleich nach dem Studium bei den drei großen deutschen Banken in Mailand beworben. So kam ich zur Dresdner Bank, wo ich im Wertpapier-Handel gelandet bin. Das hat mich von Anfang an unglaublich fasziniert.

Inwiefern?

LICCI: Nun, es ist schon ein sehr spannendes Geschäft. Man versucht, die Entwicklung der Märkte vorauszusehen, muss eine Meinung zum Markt haben und Risiken eingehen. Das Banken-Geschäft ist in Wirklichkeit nicht so kühl, wie es von außen vielleicht erscheint. Gerade wenn man in Management-Positionen aufrückt, hat das Geschäft sehr viel mit Menschen zu tun. Im Privatkunden-Geschäft muss man versuchen, die Kundenbedürfnisse zu erahnen, man muss strategisch vorausdenken, ein Bild von den zukünftigen Märkten und Kunden haben. Diese Marketing-Herausforderung ist das wirklich Spannende. Und damit schließt sich übrigens auch der Kreis, da sind wir wieder bei der Kreativität, die mich fasziniert.

Für Ihre Kunden steht nach jüngsten Untersuchungen nicht mehr das Geld an erster Stelle. Gesundheit, Familie und Freundschaften zählen wesentlich mehr. Hat sich auch Ihre persönliche Einstellung zum Geld verändert?

LICCI: Geld ist für mich nur Mittel zum Zweck, niemals Ziel. Das ist aber noch nie anders gewesen. Für mich stehen an oberster Stelle Familie und Freude am Leben. Man muss das Beste aus seinem Leben machen – und das tut man bestimmt nicht, wenn man Geld anhäuft. Geld bringt übrigens auch Verantwortung mit sich. Wenn man schon in der glücklichen Lage ist, dass man gut gestellt ist, dann muss man auch etwas von seinem Geld abgeben können für die, denen es schlecht geht.

Ich habe hier einen Tagesspiegel-Artikel. Da sind 12 prominente Hoffnungsträger für das Jahr 2003 aufgelistet. Einer davon sind Sie.

LICCI: Das kenne ich noch gar nicht. Lassen Sie mal sehen. Was steht denn da? (liest) Christine Licci, sie ist bodenständig und heimatverbunden. Früher hätte sie damit die perfekte Ehefrau eines bayrischen Ministerpräsidenten abgegeben. Heutzutage wird man damit Deutschland-Chefin der Citibank – mit 38.

Und? Gut getroffen?

LICCI: (lacht) Also das ist ja cool. Und es gefällt mir, denn es stimmt auch. Oh! Hillary Clinton steht auch drin, sehe ich gerade.

Da sollten wir also tiefer einsteigen: „Sie ist bodenständig und heimatverbunden…“

LICCI: Stimmt absolut. Für mich zählt vor allem Bodenständigkeit und gesunder Menschenverstand. In unserer Branche muss man sehr schnell mit sehr großen Zahlen umgehen. Da muss man immer wieder auch auf den Boden zurückgeholt werden. Das leistet für mich meine Familie in Südtirol. Ich besuche sie alle sechs bis acht Wochen, das ist sehr wichtig für mich. Da bin ich nicht Frau Licci, die Vorstandsvorsitzende, sondern einfach die Christl. Da ist man nur Mensch, nicht Titel.

Nur die Frau eines bayrischen Ministerpräsidenten möchten Sie aber auch nicht sein.

LICCI: Ich bin der Ansicht, dass man beides, Familie und Karriere haben kann. Es hängt einfach von der Frau ab, ob ihr das wichtig ist. Und es hängt natürlich auch von der Unterstützung des Partners ab. Ich glaube nicht, dass beide eine riesige Karriere machen und dann noch Kinder großziehen können, das geht nicht. Da muss man als Frau auch ehrlich zu sich selbst sein. Vielleicht muss man mal für ein paar Jahre im Beruf kürzer treten, was aber nicht heißt, dass man nicht hinterher wieder einsteigen kann. Gott sei dank bin ich bei einem Unternehmen, das es sehr einfach macht, nachher wieder einzusteigen oder generell mal eine Auszeit zu nehmen.

Weiter im Text heißt es: „Deutschland-Chefin der Citibank – mit 38.“

LICCI: Als ich mit 27 angefangen habe zu arbeiten, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich mit 34 Vorstand der Citibank AG sein würde. Ich habe das nicht geplant. Doch in habe einen Grundsatz: Das was ich tue, tue ich mit ganzem Herzen. Und ich versuche mit meinen Mitarbeitern so umzugehen, wie ich selbst auch behandelt werden möchte. Ich verlange nie etwas, was ich nicht auch selber tun würde. Damit bin ich immer sehr gut gefahren.

Aus einem aktuellen Ranking des Wall Street Journal Europe gehen Sie als Deutschlands erfolgreichste Managerin hervor. Ist das eine Auszeichnung für die Citibank oder für Christine Licci?

LICCI: Wahrscheinlich ist es eine Auszeichnung für beide. Die Citibank zeichnet sich durch Chancengleichheit und Leistungsorientierung aus und bietet darum ideale Voraussetzungen, gute Ergebnisse zu erzielen. Auf der anderen Seite habe ich an verschiedenen Stellen versucht, das Arbeitsumfeld meiner Mitarbeiter weiter zu verbessern. Und wenn Sie auf unsere Zahlen oder die Motivation unserer Mitarbeiter schauen, dann scheinen die Maßnahmen nicht so ganz falsch gewesen zu sein. Insofern ist die Auszeichnung ein Lob für die Citibank und auch ich fühle mich geehrt.

Haben Sie eine Botschaft an die Politik?

LICCI: Wir sollten aufhören, diese Profilierungs-Diskussionen zu führen und endlich an die Umsetzung gehen. Wir haben bei der Citibank einen Grundsatz: Wir implementieren lieber eine 80-Prozent-Lösung und machen dann den Rest auf dem Weg, als ewig auf die Umsetzung zu warten. Dieses Vorgehen wäre für Deutschland jetzt auch nötig. Wir können nicht immer so lange diskutieren, bis wir die 150-Prozent-Lösung haben. Dann wachsen uns in der Zwischenzeit die Probleme über den Kopf. Man muss auch mal Mut zeigen, Mut zum Risiko und Mut zum Fehler.

Sie haben einen sehr internationalen Hintergrund, sprechen vier Sprachen. Wie wichtig ist das für Ihre Tätigkeit?

LICCI: Die Internationalität ist vor allem deshalb wichtig, weil sie den Horizont weitet. In unserem Unternehmen arbeiten hierzulande 40 unterschiedliche Nationalitäten. Weil ich hier Ausländerin bin und schon in verschiedenen Ländern gewohnt und gearbeitet habe, fällt es mir leichter, zu anderen Kulturen und einfach auch zu anderen Menschen eine Brücke zu schlagen. Meine Reisen erleichtern es mir, die Welt aus der Perspektive des anderen zu sehen. Ich glaube, darin liegt auch ein Grund für meinen Erfolg. Ich kann Brücken bauen, kann Menschen, die sonst nicht so gerne mit einander reden, dazu bringen, zusammenzuarbeiten. Das ist gerade in Führungspositionen sehr wichtig.

Sehen Sie einen generellen Unterschied zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen?

LICCI: Ich glaube, Männer stellen eher die eigene Karriere in den Vordergrund, Frauen betonen eher das Team. Aber das kann man natürlich nicht verallgemeinern. Es soll auch Ausnahmen geben!

Die wichtigste Frage zum Schluss: Im vorletzten Karneval wählten die Mitarbeiter Ihre Schneewittchen-Verkleidung zum besten Kostüm. Wie lief es in diesem Jahr?

LICCI: Wir sitzen in Düsseldorf, da haben solche Fragen in der Tat einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert! Es ist bei uns immer so, dass in der Vorstands-Etage die Männer etwas zusammen machen und die Frauen. Im Vorjahr war ich Schneewittchen, die Vorstandsassistentinnen waren die sieben Zwerge. In diesem Jahr wollten die Frauen Asterix, Obelix und Majestix machen, ich wäre Majestix gewesen. Die Männer wollten sich, passend dazu, als Römer-Legion verkleiden. Doch dann haben wir gehört, dass eine andere Abteilung ebenfalls Asterix und Obelix machen wollte. Ich wollte aber als Chefin bei der Preisverleihung nicht direkt mit diesem Team konkurrieren, das wäre unfair gewesen. Also haben wir Frauen uns spontan anders entschieden – obwohl die tollen, selbst genähten Kostüme fertig im Schrank hingen. Uns fiel dann auf die Schnelle leider nicht mehr so viel ein. Ich ging schließlich als Charleston-Tänzerin, mit schwarzem Kleid und Feder-Boa.

Wer hat den Preis gewonnen?

LICCI: Die Römer-Legion.


Das Gespräch führte Martin Seiwert.

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